Es bleibt ein "G'schmäckle"
Bürger müssen nur noch 141.000 statt 592.000 Euro für die Wertsteigerung ihrer Grundstücke bezahlen

Rauenberg. (rö) "Wir haben Erfolg gehabt", sagte Jürgen Bender, der Sprecher der Rauenberger "Bürgerinitiative gegen den Ausgleich der angeblichen Bodenwerterhöhung durch die Stadtkernsanierung". Beim abschließenden Treffen der beteiligten Bürger im "Alten Kino" schränkte er aber auch gleichzeitig ein: "Ob es der Erfolg ist, den sich alle gewünscht haben, weiß ich noch nicht."
Denn, so Bender, "es bleibt ein G’schmäckle, viele sind frustriert und beißen in den sauren Apfel". Immerhin aber habe man "aus der Situation noch das Beste gemacht" und die Belastung für die einzelnen Anwohner "auf ein etwas verträglicheres Niveau gebracht".
In Zahlen: Ursprünglich hätten die 167 betroffenen Anlieger zusammen 592.000 Euro bezahlen sollen, nach den in den Einzelgesprächen neu durchgeführten Wertermittlungen seien es aktuell noch 141.000 Euro. In 40 Fällen müsse sogar überhaupt nichts mehr bezahlt werden. "Ob sich das für irgendjemanden rechnet, wage ich zu bezweifeln", kritisierte Bender, "zum Schluss bleibt vielleicht eine schwarze Null übrig" - und "ein großer Restärger".
Zwar sei die Wertabschöpfung rechtskonform, dennoch forderte Bender die Politik dazu auf, darüber nachzudenken, ob sie in dieser Form noch zeitgemäß ist: "Von einer Sanierung profitiert die Gemeinde als Ganzes, auch die Neubaugebiete, dann muss die Wertsteigerung auch auf die komplette Gemeinde umgelegt werden." Das erlaube derzeit aber das Baugesetzbuch nicht.
Die Aussage der STEG, getätigt in einer der jüngsten Gemeinderatssitzungen, man sei von der Bagatellgrenze "noch meilenweit" entfernt, konterte er mit: "Andere Gemeinden haben es halt intelligenter gehandhabt."
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Jürgen Bender ging zu Beginn der Versammlung noch einmal auf die Vorgeschichte ein, die zur Gründung der Bürgerinitiative vor gut einem Jahr geführt hatte. 2005 sei die Stadtkernsanierung eingeleitet worden "mit Folgen, die selbst der Gemeinderat nicht absehen konnte".
Im Juni 2017 habe der Rat dann den förmlichen Abschluss der Sanierung beschlossen und das Verfahren eingeleitet, mit dem die Abschöpfung der Wertsteigerungen der Grundstücke im Sanierungsgebiet in Kraft trat. Wenig später erhielten die Anlieger die städtischen Bescheide: "Das hat für extreme Verwirrung gesorgt, viele Bürger wurden zum ersten Mal mit der Sanierung konfrontiert", blickte Bender zurück.
Viele Bürger hätten keine Gelder aus dem Sanierungstopf beansprucht und trotzdem Wertsteigerungen bezahlen sollen, "teils über 15.000 Euro".
Die Bürgerinitiative gründete sich am 12. Juli 2017 auf einer "proppenvollen ersten Versammlung" im Alten Kino. Man machte auf Formfehler aufmerksam ("die Aufklärungspflichten wurden nur sehr eingeschränkt durchgeführt") und monierte unter anderem, dass die Firma Dr. Koch Immobilienbewertung, die das Wertgutachten erstellt hatte, eine hundertprozentige Tochter der für die Sanierung zuständigen STEG Stadtentwicklung ist.
Mit einer Unterschriftenaktion wurden binnen zwei Wochen 766 Proteststimmen gesammelt und an Bürgermeister Peter Seithel übergeben. "Das hat Wellen geschlagen, auch in den Umlandgemeinden", sagte Bender, selbst überregional und im Fernsehen wurde über "den Rauenberger Fall" berichtet.

Eine städtische Informationsveranstaltung brachte zwar nicht die erhoffte Aufklärung, immerhin, so Bender, habe die Bürgerinitiative aufzeigen können, "dass das Wertgutachten viele Kritikpunkte hat".
Deshalb habe man dann auch alle Anlieger dazu animiert, die Einzelgespräche anzunehmen, was in rund 90 Prozent der Fälle auch geschehen sei. Durch eine Neuberechnung der Wertzonen, die Reduzierung der anrechenbaren Flächen vieler Grundstücke, aber auch dadurch, dass private Maßnahmen, die ohne Sanierungszuschüsse durchgeführt wurden, nun angerechnet wurden, konnte die Wertsteigerung gesenkt werden. "Es kam bei allen zum Teil zu sehr deutlichen Reduzierungen", sagte Bender.
Zudem habe man erreicht, dass in Rotenberg, wo ebenfalls eine Ortskernsanierung stattfindet, die Bürger nun früher über das informiert wurden, was sie möglicherweise erwartet.
Nach aktuellem Stand müssen die Anlieger bis 30. Juni mit einer Unterschrift ihre Zustimmung zu den reduzierten Zahlungen bekunden. "Wer nicht unterschreibt, kriegt einen Bescheid, dagegen kann man Rechtsmittel einlegen", so Bender.
Genau das möchte ein Bürger nach eigener Aussage tun ("es dreht sich ums Recht"), die Mehrheit der Versammlung hielt die Aussichten vor Gericht aber für gering. "Recht haben und Recht kriegen sind zwei Paar Schuhe", sagte eine Bürgerin.
Eine andere Frau berichtete, dass an ihrem Haus während der Bauarbeiten in der Wieslocher Straße Schäden entstanden und auch dokumentiert worden seien. Ihre Ansprüche sind aber laut dem Gespräch mit Stadtverwaltung und STEG "verfallen": "Ich bleibe darauf sitzen und muss noch 2500 Euro bezahlen." Ihr will die Bürgerinitiative aber helfen. "Hartnäckigkeit zahlt sich aus", berichtete eine Anliegerin aus eigener Erfahrung über die Erfolge im Einzelgespräch.
"Es ist enorm, was erreicht wurde, herzlichen Dank für Ihr Engagement", dankte eine Frau Jürgen Bender, begleitet von viel Applaus im Saal. "Wenn man zusammensteht, ist einiges zu erreichen", zog sie ihr persönliches Fazit.



