Als der Polizist mit dem 34 PS-Käfer die RAF im BMW jagte
Rainer Hofmeyer berichtet von seiner Begegnung mit mutmaßlichen RAF-Mitgliedern. Die Fahndung lief auch in der Region.

Von Lukas Werthenbach
Region Heidelberg. Der Polizist Rainer Hofmeyer hatte in jener Sommernacht des Jahres 1971 Dienst. Es war die Nacht, in der einer seiner Kollegen in Wiesenbach völlig unerwartet und unter bis heute ungeklärten Umständen angeschossen wurde. Dieser "Fall Wiesenbach" beziehungsweise die nachfolgenden Ermittlungen läuteten in Heidelberg das Ende des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) ein.
Hintergrund
> Rainer Hofmeyer wurde 1947 in Eberbach geboren. In Heidelberg studierte er Rechtswissenschaften, während des Studiums war er im uniformierten Polizei-Streifendienst tätig. Zudem war er redaktioneller Mitarbeiter bei der Rhein-Neckar-Zeitung sowie Hörfunk-Korrespondent
> Rainer Hofmeyer wurde 1947 in Eberbach geboren. In Heidelberg studierte er Rechtswissenschaften, während des Studiums war er im uniformierten Polizei-Streifendienst tätig. Zudem war er redaktioneller Mitarbeiter bei der Rhein-Neckar-Zeitung sowie Hörfunk-Korrespondent für das Studio Heidelberg-Mannheim des Süddeutschen Rundfunks; ehrenamtlich engagierte er sich als Stadtrat in Eberbach. Von 1973 bis 2007 arbeitete er im höheren Kriminaldienst beim Bundeskriminalamt (BKA), parallel studierte er an der Polizei-Führungsakademie Münster. In den 1980er Jahren leitete Hofmeyer mehrere Sonderkommissionen zur RAF in Heidelberg. Später war er Stabsleiter in der Abteilung Terrorismusbekämpfung und Leiter des BKA-Stabs. Am Einsatz gegen Mitglieder der RAF in Bad Kleinen 1993 war er als Polizeiführer beteiligt – dabei wurde ein GSG 9-Beamter vom RAF-Terroristen Wolfgang Grams erschossen. Später leitete Hofmeyer das Kriminalistische Institut des BKA und wurde Abteilungsleiter im Zentralen Kriminalpolizeilichen Dienst. Seit 2010 ist er wieder redaktioneller Mitarbeiter der RNZ, zudem Herausgeber des Internet-Portals Eberbach-History und Autor für das Eberbacher Geschichtsblatt. luw
Der RNZ-Rückblick auf die Ereignisse vor 50 Jahren veranlassten den Eberbacher, sich bei der Redaktion zu melden: Als Chef der Terrorismusbekämpfung beim Bundeskriminalamt war Rainer Hofmeyer selbst einer der wichtigsten Köpfe im Kampf gegen die Rote Armee Fraktion (RAF). Und 1973 war er an der Verfolgung eines Fahrzeugs der damaligen "Baader-Meinhof-Gruppe" quer durch die Region beteiligt – mangels PS des dabei genutzten Streifenwagens, eines VW Käfer, endete die Jagd aber erfolglos.
"Ich war während meines Jura-Studiums beim freiwilligen Polizeidienst in Eberbach", erzählt der heute 74-Jährige. Als es im Juni 1971 in Wiesenbach "knallte", seien er und seine Kollegen nicht aktiv geworden: "Wir haben das nur alles über Funk mitgehört – es waren schon ausreichend Kräfte vor Ort." So habe er die anschließende Großfahndung, in deren Folge erstmals Verbindungen des SPK zur RAF offenkundig wurden, nur aus der Entfernung verfolgt. Doch das Patientenkollektiv mit seinen linksrevolutionären Absichten sei ihm als damaligem Studenten der Universität Heidelberg schon vorher ein Begriff gewesen: "Dieser Wolfgang Huber war bekannt", erinnert sich Hofmeyer an den seinerzeit in Wiesenbach wohnenden Gründer des SPK, der auch den radikalen, später als "Kriminelle Vereinigung" eingestuften "Inneren Kreis" führte.

Huber und andere SPK-Mitglieder waren gerade verurteilt und inhaftiert und die RAF sorgte mit immer blutigeren Taten für Schlagzeilen, da kam Hofmeyer als Polizist erneut in Berührung mit dem Linksterrorismus – und das völlig zufällig: "An einem Abend im Jahr 1973 wollten mein Kollege und ich ein Auto am westlichen Ortseingang von Eberbach auf der Bundesstraße B37 kontrollieren, weil dessen Rücklicht nicht funktionierte", erinnert er sich. Nachdem das Auto angehalten hatte, stellte sich Hofmeyer mit einer roten Kelle dahinter, um etwaige weitere von hinten ankommende Fahrzeuge auf die Verkehrskontrolle hinzuweisen. "Da kam ein orangefarbener BMW 1600 mit Konstanzer Kennzeichen auf uns zu, er schaltete plötzlich das Licht aus und fuhr an uns vorbei."
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Dieses Auto-Modell sei typisch für die von der Baader-Meinhof-Bande genutzten Fahrzeuge gewesen, so Hofmeyer. Und insbesondere wegen der Erfahrungen mit dem SPK sei die Polizei zu dieser Zeit in der Region stets in Alarmbereitschaft gewesen: "Wir haben den anderen Autofahrer sofort entlassen, die Verfolgung aufgenommen und das Kennzeichen an die Funkleitstelle in Karlsruhe durchgegeben." Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Es handelte sich um ein Baader-Meinhof-Fahrzeug, nach dem das Bundeskriminalamt bereits fahndete", fasst Hofmeyer zusammen.

Doch das Problem: Der VW Käfer der beiden Beamten war als "leichter Funkstreifenwagen" mit seinen 34 PS dem Wagen der mutmaßlichen Terroristen bei der Motorisierung weit unterlegen. "Als wir losfuhren, konnten wir den BMW schon nicht mehr sehen", erzählt Hofmeyer heute schmunzelnd. Dieses allgemeine Problem der zu langsamen, stets in Grün gehaltenen Polizeiautos war bekannt. Er selbst, damals schon RNZ-Mitarbeiter, griff dies im Herbst 1972 in einem Zeitungsartikel mit dem Titel "Grüne Käfer krabbeln am langsamsten" auf.
Doch zurück zur missglückten Verfolgung: Natürlich alarmierten Hofmeyer und sein Kollege sofort weitere Beamte in der Region: "Wir haben in Hirschhorn Bescheid gegeben – die sahen den BMW kommen, waren aber selbst auch nur in einem Käfer unterwegs." Also habe man die Polizei in Heidelberg verständigt: "Die haben dann die B37 in Kleingemünd abgesperrt." Hier hätte Schluss für die Verdächtigen sein sollen, zugleich habe die Eberbacher Polizei die dortige Bundesstraße "zugemacht". "Innerhalb dieses Streifens wurde dann länger nach dem BMW gefahndet, aber ohne Erfolg", so Hofmeyer. Offenbar hatten die Gesuchten die B37 frühzeitig verlassen: "Sie waren weg."
Doch für den Eberbacher sollte das ungleiche Käfer-BMW-Rennen nicht die letzte Jagd nach RAF-Terroristen bleiben. Wenig später wechselte er zum Bundeskriminalamt, im April 1977 wurde er Taktischer Einsatzleiter im Fall des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback. Und nach dem Attentat auf US-General Frederick J. Kroesen 1981 beim Karlstor in Heidelberg war es Hofmeyer, der die in der Folge eingerichtete Sonderkommission leitete. RAF-Mitglied Christian Klar hatte damals mit einer Panzerfaust auf Kroesens Limousine geschossen, unter anderem der General wurde dabei verletzt.
Info: Wer weiß mehr über den "Fall Wiesenbach" und die dortigen Schüsse? Die RNZ sucht Menschen, die etwas zu den Vorkommnissen um das Jahr 1971 beitragen können oder sogar an den Ermittlungen beteiligt waren. Senden Sie uns eine E-Mail an region-heidelberg@rnz.de