50 Jahre SPK

"Umsturz" aus dem Bahnwärterhäuschen

Offenbar plante das Sozialistische Patientenkollektiv in Neckarsteinach einen Anschlag auf den damaligen Bundespräsidenten.

14.12.2021 UPDATE: 15.12.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 20 Sekunden
Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann. Foto: dpa

Neckarsteinach. (luw) Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) agierte offiziell zwar in Heidelberg, doch auch im Umland hinterließ die zunächst als Therapiegemeinschaft auftretende und später als "kriminelle Vereinigung" eingestufte Gruppe ihre Spuren (siehe weiteren Artikel). So war nicht nur Wiesenbach ein wichtiger Treffpunkt des radikalen und mit späteren Terroristen besetzten "Inneren Kreises". Auch die hessische Vierburgenstadt Neckarsteinach geriet im Zusammenhang mit der Guerilla-Truppe in die Schlagzeilen.

"Anschlag auf Bundespräsident geplant?" So titelte die RNZ am 23. August 1971. Es ging um ein – heute längst abgerissenes – Bahnwärterhäuschen zwischen Neckarsteinach und dem Ortsteil Neckarhausen, direkt an den Schienen bei Bahnkilometer 8,1. Es hieß, dass Ursula, die Ehefrau von SPK-Gründer Wolfgang Huber, sich mit ihrem Mädchennamen Schäfer als Kaufinteressentin für das Häuschen bei der "Bundesbahn" gemeldet habe.

Dieses Bahnwärterhäuschen in Neckarsteinach wollte das Sozialistische Patientenkollektiv offenbar kaufen. Foto: „Kriminalistik“

Eine mögliche – und bis heute weder widerlegte noch bestätigte – Erklärung lautete, dass der "Innere Kreis" des SPK das Gebäude für einen Sprengstoff-Anschlag auf den von 1969 bis 1974 amtierenden Bundespräsidenten Gustav Heinemann habe nutzen wollen: Dieser hatte das Wärterhäuschen im Februar 1971 in einem Sonderzug auf dem Weg nach Heidelberg passiert, wo er unter anderem das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) besuchte. Der frühere Heidelberger Polizeichef Bernd Fuchs berichtet in der Fachzeitschrift "Kriminalistik", dass es "aus noch nicht näher geklärten Gründen" nicht zu dem Anschlag gekommen sei: "Angeblich sei die Attentäterin Carmen Roll zu spät gekommen, der Sonderzug sei schon durchgefahren gewesen."

Bestätigt ist die Tatsache, dass Carmen Roll zum "Inneren Kreis" des SPK gehörte. Sie wurde später Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) und 1973 unter anderem wegen Sprengstoffverbrechen zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt.

Die RNZ lieferte damals unter Berufung auf anonyme Quellen noch einen weiteren möglichen Grund für das Kaufinteresse des SPK an dem Bahnwärterhäuschen: Dessen "Innerer Kreis" habe im Zuge seines geplanten "Umsturzes der Bundesrepublik" die Besetzung "Heidelbergs oder einer etwas kleineren Stadt in der Umgebung" beabsichtigt. Dazu habe man eine "tausendköpfige Armee" aufstellen wollen, um mit deren Hilfe die "Revolution" ausrufen zu können. Das Gebäude in Neckarsteinach hätte hierfür womöglich "als Quartier für die Unterbringung von angeheuerten Berufsverbrechern und als Waffenlager" dienen sollen.

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