"Revolutionärer Umsturz wurde vorbereitet"
Ex-Polizeichef Bernd Fuchs im RNZ-Interview über das Sozialistische Patientenkollektiv.

Heidelberg. (luw) Bernd Fuchs war 44 Jahre Polizei- und Kriminalbeamter, unter anderem im Bundeskriminalamt, Dozent für Kriminalistik, danach Leiter der Heidelberger Kriminalpolizei und später der gesamten Polizeidirektion. Seit 13 Jahren ist er Chefredakteur der Fachzeitschrift "Kriminalistik".
Herr Fuchs, wie kamen Sie erstmals in Kontakt mit dem SPK?
Unmittelbaren dienstlichen Kontakt mit dem SPK hatte ich nicht, da ich zu dieser Zeit noch die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei absolvierte. Erst später als Kriminalbeamter in der Terrorismusbekämpfung und als zeitgeschichtlich Interessierter befasste ich mich näher mit dem Thema und der Frage, warum sich in kürzester Zeit zumindest die Führungsriege des SPK als selbsternannte Revolutionäre für den Weg menschenverachtender Gewalt entschieden hatte. Den 50. Jahrestag nahm ich zum Anlass, die Geschehnisse in einem Beitrag für die Fachzeitschrift "Kriminalistik" einzuordnen.
Wie würden Sie die politisch-gesellschaftliche Atmosphäre damals in Heidelberg beschreiben?
Im Juni 1970 hatte Heidelberg eine erste Straßenschlacht im Rahmen einer Demonstration gegen den damaligen Weltbankpräsident McNamara erlebt. Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen und sonstige Themen bis hin zum Vietnamkrieg bestimmten die Diskussionen und fanden bis in die 1980er Jahre ihren traurigen Höhepunkt im blutigen Linksterrorismus, mit Todesopfern und Verletzten auch in Heidelberg. Die Atmosphäre konnte man über zwei Jahrzehnte als "vergiftet" bezeichnen, wobei sich unsere Demokratie letztendlich als stark genug gegen eine extremistische Minderheit erwies.
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Und was bedeutete das für einen jungen Polizisten wie Sie damals?
Damals wie heute beschäftigt mich der grenzenlose Hass, der nicht nur der Polizei, sondern dem gesamten Rechtsstaat entgegenschlägt. Wichtig war und ist für mich, dass die Polizei und ihre Arbeit beim ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung hohes Ansehen genießt. In 44 Dienstjahren durfte ich in den verschiedensten Funktionen eine anfangs noch militärisch geprägte Polizei auf dem Weg zu einem modernen bürgerorientierten Sicherheitsdienstleister begleiten.
Einige sagen, das SPK werde zu Unrecht als "Kaderschmiede" der RAF gesehen – was ist Ihre Meinung?
Allein der Blick auf die Namen, die Biografien und die Fahndungsplakate belegt eindeutig, dass das SPK sowohl Rekrutierungsbecken als auch Kaderschmiede für Terroristen war.
Was weiß man über die Treffen des "Inneren Kreises" des SPK, der sich wöchentlich bei Huber in Wiesenbach traf?
Im "Inneren Kreis" wurde, auch nach späteren Aussagen Beteiligter, nicht nur mit dem Studium der Schriften von Hegel, Marx, Reich, Mao Tse Tung und Lin-Piao ideologisiert, sondern ganz konkret ein revolutionärer Umsturz generalstabsmäßig vorbereitet. (Probe-)Brandanschläge aufs Psychiatrische Landeskrankenhaus in Wiesloch und das Finanzamt in Heidelberg, das sichergestellte Waffen- und Sprengstoffarsenal sowie die Fälschungsutensilien belegen eigene Anschlagspläne und die Vernetzung mit anderen anarchistischen und terroristischen Gruppierungen.
Welche Bedeutung hatten die Schüsse auf die Polizisten vom Morgen des 24. Juni, unweit von Hubers Anwesen?
Die Schüsse bei der Verkehrskontrolle waren ein "Betriebsunfall", der auf die Spur des SPK als kriminelle Vereinigung führte. Den Ermittlungen der Sonderkommission folgten rechtskräftige Verurteilungen von insgesamt 13 Angeklagten.
Sehen Sie auch 2021 die Gefahr einer politisch linken Radikalisierung?
Leider behält der erwähnte Hegel einmal mehr recht: "Wir lernen aus der Geschichte, dass wir überhaupt nichts lernen." Nicht nur in Berlin und Leipzig haben sich wieder rechtsfreie Räume etabliert. Linksextremistische Gewalt verfestigt sich wie vor 50 Jahren, auch durch die Unterstützung aus linksidentitären Kreisen. Ich teile die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das schon 2020 "die Herausbildung terroristischer Strukturen im Linksextremismus" für möglich hielt.