Wer erinnert sich an das RAF-Attentat 1972 in Heidelberg?
Theaterautor Philipp Löhle schreibt ein Stück für das Heidelberger "Remmidemmi"-Festival. Dafür wünscht er sich Infos von Zeitzeugen.

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der Theaterautor Philipp Löhle (43) sucht Zeitzeugen für sein neues Stück, das beim "Remmidemmi"-Festival im Herbst 2022 am Heidelberger Theater aufgeführt werden soll. Es geht um den Bombenanschlag auf das US-Hauptquartier in Heidelberg vor 50 Jahren. Löhle ist derzeit Hausautor am Schauspiel des Staatstheaters Nürnberg. Letztes Jahr schrieb er dort das wohl erste deutsche Theaterstück zum Thema Pandemie, "Isola", das aber wegen des Corona-Lockdowns im Dezember 2020 zuerst nur als Theaterfilm gezeigt werden konnte. "Theater-Horrorfilm" nannte ihn der Kritiker der Süddeutschen Zeitung.
Herr Löhle, das Heidelberger Theater zeigte schon zweimal ein Stück von Ihnen, "Lilly Link oder Schwere Zeiten für Rev ..." wurde 2008 mit dem Stückemarkt-Preis ausgezeichnet – und "Das Ding" im Jahr 2012. Jetzt recherchieren Sie für ein neues Projekt in Heidelberg.
Ja, das ist eine tolle Idee vom Theater Heidelberg, ein Festival zum Thema Widerstand zu machen. Acht Autoren und Autorinnen und acht Regisseure und Regisseurinnen haben sich schon ein paar Mal getroffen, um das Thema gemeinsam zu besprechen.
Ihr Ausgangspunkt wird das Bombenattentat der RAF auf das europäische Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg am 24. Mai 1972 sein. Drei US-Soldaten wurden damals getötet.
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Jürgen Popig, der Leitende Schauspieldramaturg, schlug mir das Thema vor, und ich habe sofort angebissen. Ich habe mich auch schon mit Polizisten und Journalisten von damals unterhalten, was sehr interessant war. Ich würde aber gerne noch mit weiteren Zeitzeugen sprechen, und suche Leute, die sich noch an das Attentat erinnern können, die es direkt mitbekommen haben.
Wen oder was suchen Sie denn genau?
Ich frage mich, ob sich jemand an diesen Tag erinnern kann. Wo er selbst war, als die Bomben explodierten, was er gemacht hat. Es gab einen jungen Sanitäter, wenn der damals 20 war, müsste er jetzt 70 Jahre alt sein. Oder vielleicht gibt es Leute, die in der Kaserne oder neben der Kaserne gearbeitet haben, die sich an den Anschlag erinnern. Vielleicht eine Kindergärtnerin, die auf die amerikanischen Kinder aufgepasst hat? Es muss nicht viel sein, was mir die Zeitzeugen erzählen können. Da der Anschlag im Hauptquartier stattfand, hat er wohl nicht so sehr in das Bewusstsein der Bevölkerung hineingewirkt.
Die Siebzigerjahre haben Sie ja schon immer fasziniert, oder? Bei Ihrem Stück "Lilly Link" ging es auch um die Verkrustungen der Gesellschaft und wie es ist, wenn große Ziele auf der Strecke bleiben.
Ich hatte ganz lange für mich ein falsches Bild von der RAF. Ich kann mich an die Fahndungsplakate erinnern, als ich ein Kind war, und an einzelne Anschläge. Man hatte das Gefühl: Das ist was Cooles. Doch dann entdeckte ich schnell, dass die Taten relativ sinnlos bis dämlich waren. Aber es muss irgendwas mit dieser Zeit gewesen sein, in der Bundeskanzler Willy Brandt dazu aufrief, nicht mehr mit der RAF zu sympathisieren. Auch in Heidelberg muss etwas gebrodelt haben.
Eine kleine Stadt eigentlich, es ist nicht Berlin oder Frankfurt ...
Ich finde Heidelberg immer toll, es ist alles so konzentriert hier. Man kann sich das sehr gut vorstellen, wie hier die 68er gewirkt haben. Deshalb hoffe ich, durch diesen Aufruf noch ein paar Zeitzeugen zum Attentat aufspüren zu können.
Info: Zeitzeugen können sich melden bei: Lene Grösch, Dramaturgie, Theater und Orchester Heidelberg, Theaterstraße 10, Telefon 06221 / 5835080.