Die Gemeinden werden mit dem Projekt nicht warm
"Deutsche Erdwärme" will künftig mit heißem Wasser Strom erzeugen - Vielversprechende Standorte für Geothermie in der Region - Wenig Anklang in den Gemeinderäten

Von Hans-Joachim Of
Philippsburg/Waghäusel. Deutschland soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral wirtschaften. "Erdwärme birgt ein großes Potenzial, den Mix aus erneuerbaren Energien zu erweitern und so das gesteckte Ziel zu erreichen", heißt es beim Unternehmen Deutsche Erdwärme GmbH in Karlsruhe. Auch die Landesregierung Baden-Württemberg sieht in der tiefen Geothermie einen weiteren Baustein, um die baden-württembergischen Klimaschutzziele zu verwirklichen. Deshalb erstellte man dort einen Projektplan zur "tiefen Geothermie", in der geeignete Maßnahmen für den Ausbau dieser Energieform verankert werden.
"Der Umkreis, in dem eine Erdwärmeanlage gebaut werden kann, hängt in erster Linie von der Erreichbarkeit der anvisierten Bohrziele im Untergrund ab", so Herbert Pohl, Geschäftsführer der "Deutschen Erdwärme". Das Unternehmen ist Deutschlands größter, privater Entwickler und Betreiber solcher Anlagen. Bereits vor einem Jahr hätten mit modernster Technik durchgeführte Messungen zur Erkundung der Bodenbeschaffenheit aufgezeigt, dass im Gebiet
Waghäusel-Philippsburg, das mehrere geologische Brüche aufweist, attraktive Thermalwasserreservoire für die Gewinnung erneuerbarer Energie aus Erdwärme vorhanden seien. Demzufolge kommen laut Pohl diese Standorte auch grundsätzlich für ein Geothermie-Kraftwerk infrage.
Im dortigen Buntsandstein sei eine ausreichende Tiefe von mehr als 2500 Metern mit Wassertemperaturen von bis zu 175 Grad Celsius vorhanden, um das heiße Wasser zu fördern und damit Strom aus klimafreundlicher Erdwärme zu erzeugen. Erdwärme sei, so heißt es, eine regionale, unerschöpfliche und erneuerbare Energie, die viele Vorteile für Gemeinden im Oberrheingraben biete. So ist der baden-württembergische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) überzeugt, dass Geothermie das Rückgrat der hiesigen zukünftigen Wärmeversorgung bilden wird. Gemäß dem Motto: "Alles Gute kommt von unten". Zudem beurteilen das Umweltbundesamt sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die seismischen Risiken der Geothermie bei Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen weder als wahrscheinlich noch als schwerwiegend.
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Während man in Graben-Neudorf bereits eine Planskizze des vorgesehenen Kraftwerks vorweist, wurden die dreidimensionalen Untersuchen des Untergrundes in Philippsburg sowie auf der Gemarkung Oberhausen-Rheinhausen gerade erst abgeschlossen. Allerdings betont Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus, dass es im Gemeinderat keine Mehrheit für ein solches Projekt "in der Erdbebenregion Oberrhein" gebe. Die Risiken seien zu groß, die Bruchzone liege im tektonischen Dehnungsbereich. "Rechtlich gilt jedoch, dass eine Genehmigung durch das Regierungspräsidium Freiburg nach Bergrecht erfolgen kann."
Fakt ist, dass in Philippsburg die beiden Kernkraftwerke auf der Rheinschanzinsel im Zuge der Energiewende zwar abgeschaltet sind und sich im Rückbau befinden, auf dem Gelände aber noch Castoren mit radioaktiven Abfällen lagern. "Das Landratsamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg hat Ende September der ,Deutschen Erwärme’ jedoch die Erlaubnis erteilt, in der Region Waghäusel-Philippsburg die Suche nach Erdwärme und Sole zu gewerblichen Zwecken bis zum 30. September 2023 weiter durchzuführen", so Bürgermeister Martus. Dies gelte ebenso für den Bodenschatz Lithium.
Auch in Graben-Neudorf hatte sich zuletzt Gegenwehr formiert. In der Doppelgemeinde befürchtet man, dass Geothermie tatsächlich ein Erdbeben auslösen könne. Waghäusels Oberbürgermeister Walter Heiler war ebenfalls von der "Deutschen Erdwärme" angefragt worden, welche Präferenzen die Kommune hinsichtlich der formal denkbaren und technisch erschließbaren Flächen habe. "Bedenken werden ernst genommen, doch wenn man die Energiewende will, kann man nicht gegen alles sein", so der Verwaltungschef der Großen Kreisstadt. Man stehe den Messungen und den Erkundungen offen gegenüber, doch eine abschließende Diskussion sei im Gemeinderat noch nicht geführt worden. Martin Büchner, Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen, erklärte auf RNZ-Anfrage, dass Messungen durchgeführt worden seien, der Gemeinderat jedoch eine Geothermieanlage auf der Gemarkung einstimmig abgelehnt habe.
Im Oberrheingraben habe man in den vergangenen Monaten etliche Bohrwerte ausgewertet, erklärt Herbert Pohl. Tatsächlich ist es nicht unerheblich, wie tief die Firma bohren möchte. "Geht man senkrecht in die Tiefe und bezieht man es auf das Reservoir, kann eine Bohrlänge zwischen 3500 und 3700 Metern angegeben werden", informiert "Erdwärme"-Pressesprecher Ron Zippelius.
Kürzlich hatte die Nachricht eines kleinen Erdbebens im Elsass in der Bevölkerung für Aufregung gesorgt. Eigentlich sollte in der Nähe von Straßburg noch in diesem Jahr ein großes Geothermiekraftwerk in Betrieb gehen. Mehrere kleine Erdstöße bis zur Stärke von 3,1 auf der Richterskala führten jedoch zur Einstellung des zunächst anvisierten Probebetriebes. Man hält den französischen Betreiber Fonroche und dessen Bohrungen für den Verursacher.