Nachhaltiger Konsum

RNZ-Redakteurin testete den Wiesenbacher Warentauschtag

Wie Hans im Glück, nur besser – Unnützes findet hier freudige Abnehmer – Und es wird Müll vermieden

04.06.2019 UPDATE: 05.06.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden

Mit leeren Händen musste beim Warentauschtag niemand nach Hause gehen. Im Gegenteil: Es gab so manchen Schatz zu bergen. Foto: Hammer

Von Anja Hammer

Wiesenbach. Was bekommt man für einen Kugelschreiber und zwei Bonbons? Ich bin auf harte Verhandlungen eingestellt, als ich mich auf den Weg zur Biddersbachhalle mache. Dort findet ein Warentauschtag statt und in meinem Kopf habe ich mir ein ganz fantastisches Experiment ausgemalt: Ich gehe quasi mit nichts hin und komme - im übertragenen Sinne - mit einem Stück Gold zurück. Wie Hans im Glück im Grimm’schen Märchen, nur eben umgekehrt. Tja, aber das Leben ist nun mal kein Märchen - es ist noch viel schöner!

Als "Flohmarkt ohne Geld" wurde die gemeinsame Veranstaltung von der Gemeinde und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vorab beschrieben. Ich stelle mir also vollbepackte Tische vor, an denen ich feilschen muss, um meine Mitbringsel gegen etwas Besseres zu tauschen. Vollbepackte Tische sind auf dem Parkplatz an der Biddersbachhalle tatsächlich aufgebaut.

Dazu noch bestens sortiert: jeweils einer mit Kleidern, Spielsachen, Büchern, Geschirr, Haushaltswaren, Dekorationsartikeln und Elektrogeräten. Vom Blumentopf über den Lampenschirm bis hin zum original eingepackten Dauerwellen-Set ist alles dabei.

Schnell werde ich fündig: Ein kleiner Weihnachtsstern - damit könnte ich doch meinen Deal anfangen. Nur: Wo ist der Standbetreiber, mit wem muss ich handeln? Ich finde niemanden. Ich bin verwirrt und frage die Rothaarige neben mir, die gerade einen Osterhasen begutachtet. Sie lacht: "Es gibt hier keinen Standbetreiber!" Wenn ich etwas dabei habe, soll ich es einfach auf die Tische legen und mir nehmen, was mir gefällt. "Und wenn Sie nichts dabei haben, ist es auch nicht schlimm", sagt sie und stellt den Osterhasen doch wieder hin.

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Warentauschtag in Bammental: Lust aufs Tauschen wird immer größer

Denn in erster Linie geht es beim Warentauschtag um eines: "Müll vermeiden", erklärt mir Organisatorin Beate Friedetzki später. Jeder habe Dinge zu Hause, die man vielleicht selbst nicht mehr brauche, die aber anderen noch eine Freude bereiten. Vorhin habe sie ein junges Pärchen gesehen, das sich seinen Hausstand zusammengesucht habe.

"Die Idee ist nicht von uns", sagt Friedetzki. "Ich habe in den 90ern darüber gelesen." Und das fand offenbar nicht nur sie gut: Das jetzt war schon der 28. Warentauschtag in Wiesenbach. Inzwischen hat sich einiges eingespielt: etwa das mit Andreas Konop. Der Leimener verlädt all das, was keine Abnehmer findet, in einen Sprinter. "Ich fahre alle drei Wochen mit einem Sattelzug nach Ungarn", erzählt er.

Normalerweise mit Sachen von Haushaltsauflösungen an Bord - und eben einmal im Jahr mit den Resten des Tauschtags. Was in der deutschen Wohlstandsgesellschaft nämlich nicht mehr gut genug ist, wird im Osten Europas sehnsüchtig erwartet. "Von dem Haushaltszeug bleibt nichts über", berichtet Konop. "Und von drei Tonnen Kleidern höchstens 100 Kilo." Vom Warentauschtag profitiert also jeder: Diejenigen, die ihr "Zeug" loswerden wollen, und diejenigen, die es gebrauchen können.

Ort des Geschehens

Nachdem ich übrigens anfangs jeden Gegenstand peu à peu gegen etwas Besseres getauscht habe, gebe ich am Schluss die Zurückhaltung auf. Zu viel liegt am Ende noch herum. Wozu also der Geiz? So werden aus dem Kugelschreiber und den Bonbons drei wunderschöne Bilderrahmen, Plastikblumen für ein Elfenkostüm und ein italienisches Schimpfwörterbuch für den nächsten Urlaub. Alles Dinge, die mir noch viel Freude bereiten werden. Gut, dass sie jemand nicht weggeworfen hat!

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