Mosbach

KI und was davon an der DHBW von Bedeutung ist

Über die Voreingenommenheit von Algorithmen, faire und ethische KI.

25.10.2022 UPDATE: 25.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Referat und Diskussion an der DHBW Mosbach drehten sich darum, dass Algorithmen keinesfalls so objektiv und geschlechtergerecht auswerten, wie ihnen oft zugeschrieben wird. Foto: Ursula Brinkmann

Von Ursula Brinkmann

Mosbach. Irren ist menschlich, heißt es (insbesondere dann, wenn Fehler passieren). In der (Arbeits-) Welt sollen Wege gewiesen und dem menschlichen Irren ein Riegel aus vorgeschoben werden, indem von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Systeme rechnen und wirken, um zu scheinbar objektiven Ergebnissen zu kommen, aus denen sich wiederum Maßnahmen oder Entscheidungen ergeben. Zum Beispiel eine Mitarbeiterin einzustellen. Bewirbt die sich zum Beispiel bei einem großen Online-Versandhändler, muss sie damit rechnen, von vorneherein nicht in die engere Auswahl zu kommen, weil der "Algorithmus vorgeschlagen hat, keine Frauen mehr einzustellen".

Dieser provozierende und wahre Satz stand über der hybriden Veranstaltung, mit der sich die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach in die diesjährigen "Frauenwirtschaftstage" einbrachte, die das Wirtschaftsministerium seit vielen Jahren immer im Oktober organisiert.

Was an der Behauptung dran ist, beleuchtete in einem Impulsvortrag Miriam Klöpper, die einem Zuhörerinnenkreis online zugeschaltet war, in dem auch viele Männer saßen. Klöpper beschäftigt sich am Karlsruher Forschungszentrum Informatik (FZI) wissenschaftlich mit sozialen und ethischen Aspekten beim Einsatz von automatisierten Systemen in der Personalführung sowie mit Machtfragen in der Digitalisierung. Aktuell ist ihr Forschungsgebiet "People Analytics". "Das ist der Einsatz von Software-Algorithmen, die Daten über Verhalten, Beziehungen und Eigenschaften von Beschäftigten auswerten."

Womit man wieder beim Versandhändler wäre, der Frauen geringere Chancen einräumt als Männern. "Denn bei Amazon wurden weniger Frauen eingestellt, weil der Algorithmus Datensätze erfolgreicher Bewerbungen vergangener Jahre als Grundlage seiner Bewertung nutzte. Erfolgreicher bewarben sich – Männer." Frauen wurden vom Algorithmus-getriebenen System einfach herausgefiltert. "Zum Glück ist das aufgefallen." Die Einstellungssoftware bei Amazon wurde der Voreingenommenheit Frauen gegenüber entlarvt.

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Ein anderer beliebter Merksatz lautet: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Im Falle KI-gesteuerter Systeme ist allerdings ebenso wichtig, was reinkommt. "Maschinelles Lernen basiert auf und funktioniert mit dem Input", holte Klöpper die vermeintlich unfehlbaren Computer vom Thron. "Ist der Input lückenhaft oder von historisch gewachsenen Datensätzen geprägt, sind die Auswertungen nur bedingt nutzbar".

Falsche Eingabe, falsche Ausgabe. Vorurteile (nicht nur gegen Frauen) setzen sich fort oder verstärken sich gar. Klöpper spricht von "der Voreingenommenheit der Algorithmen", der Frauen etwa einen geringeren Kreditrahmen einräume, auch wenn diese das gleiche Vermögen hätten wie ihre Männer.

Am Ende ihres Vortrags plädierte Klöpper für eine kritische und wache Haltung gegenüber algorithmisch herbeigeführten Entscheidungen, für mehr Transparenz in automatisierten Prozessen, um Diskriminierung vorzubeugen und damit Chancengerechtigkeit (am Arbeitsplatz) zu schaffen. "Es gilt, die Hoheit über die Daten wieder zu erlangen." Eine Art "Digitale Menschenrechte" schwebt ihr vor. Künstliche Intelligenz darf, ja, muss nach Auffassung der Referentin fair und ethisch sein.

Und weil sie erstens an einer Hochschule referierte, betonte sie auf die Frage nach Lösungsansätzen, dass ihr eine "flächendeckende digitale Bildung" vorschwebe, früh einsetzend und niedrigschwellig. "Informatik als Schulfach!" Zweitens und damit im Rahmen der Frauenwirtschaftstage forderte Miriam Klöpper im Sinne der Chancengerechtigkeit "mehr Diversität und Rollenvorbilder".

Vorbilder hat die DHBW durchaus zu bieten und nach dem Vortrag aufs Podium geholt. Prof. Dr. Doris Nitsche-Ruhland, Studiengangleiterin Informatik an der DHBW Stuttgart, ist fasziniert von der Informatik, erdet sie zugleich als Hilfswissenschaft, die in der Anwendung von und mit Menschen zu tun habe. Jaroslava Remeza, Studentin der Informatik am Campus Bad Mergentheim, kam in ihrer Familie schon als kleines Mädchen mit dem Thema in Kontakt und repräsentiert somit, was als Wunsch im Raum stand.

Zwischen Ruhlands und Remezas Studium liegen rund vier Jahrzehnte; der Anteil der Studentinnen der Informatik sei in dieser Zeit aber nur von zehn auf knapp 20 Prozent gestiegen. Was die Duale Hochschule mache, dass Studierende kritisch hinterfragen, was und wie sie studieren, wollte Moderatorin Prof. Dr. Marthe Kaufholz wissen. Die Studiengangleiterin Mechatronik in Mosbach ist die frisch gebackene Gleichstellungsbeauftragte. Da sieht Ruhland auch im speziellen Aufbau des dualen Studiums einen Vorteil, indem die Theorie in der Praxis reflektiert werde. Prof. Dr. Jörg Mielebacher, der den Studiengang Angewandte Informatik in Mosbach leitet, denkt über den Hochschulrand hinaus. "Wir müssen lernen, wirklich zu verstehen, dass Dinge ineinandergreifen, systemisch denken – schon in der Schule."

Da passte, was DHBW-Rektorin Prof. Dr. Gabi Jeck-Schlottmann schon vor dem Vortrag gesagt hatte: "Es gibt immer noch viel zu tun. Von Frauen und Männern!"

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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