Vortrag in Mosbach

Das sind Möglichkeiten und Risiken von LNG und Fracking

Wie kommt das Gas sicher und bezahlbar? Das erklärte Energie-Experte Professor Andreas Seeliger an der DHBW.

28.04.2023 UPDATE: 28.04.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
In Flüssigerdgas, das mit Spezialschiffen transportiert und in großen Tanks gelagert wird, sieht Energiewirtschaftsprofessor Andreas Seeliger, der im Rahmen des Studium Generale an der DHBW referierte, viel Potenzial für die kurzfristige Energieversorgung. Foto: Christina Bock

Von Dr. Christina Bock

Mosbach. Die vergangene Heizkostenabrechnung war wohl für viele ein Schock. Vor allem Erdgas ist sehr viel teurer geworden. Mehr als die Hälfte des deutschen Gasimports kam bisher aus Russland, doch mit dem Krieg in der Ukraine haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Nun braucht es innerhalb kurzer Zeit alternative Quellen.

Wie russisches Pipelinegas ersetzt werden könnte, erfuhren Interessierte am vergangenen Dienstag bei einem Vortrag im Rahmen des "Studium Generale" an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach. Andreas Seeliger, Professor für Energiewirtschaft an der Hochschule Niederrhein, erläuterte unter dem Titel "Gasversorgung der Zukunft – Sind LNG und Fracking Ersatz für Putins Gas?" die Kosten, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit dieser Technologien.

Wie drängend das Thema ist, machte Seeliger deutlich: "Ich rechne nicht damit, dass auf absehbare Zeit wieder Gaslieferungen aus Russland kommen." Die Industrie benötige aber Erdgas als Rohstoff für chemische Produkte und um hohe Temperaturen, etwa für die Glasherstellung, zu erzeugen. Das sei mit erneuerbaren Energien derzeit nicht zu ersetzen. "Der Ausbau von Windkraft und Solarenergie braucht eine gewisse Zeit", gab Seeliger außerdem zu bedenken. "Das schaffen wir nicht bis zum nächsten Winter."

Die erste Option, die der Energiewirtschaftsexperte vorstellte, war LNG (liquefied natural gas): verflüssigtes Erdgas. Um es zu produzieren, werde Erdgas auf unter minus 160 Grad Celcius abgekühlt, was sein Volumen um das 600-fache verringert. Mit Spezialschiffen exportiert man LNG aus Ländern mit hohem Gasvorkommen, etwa den USA oder Katar. In den Zielhäfen kann es in LNG-Terminals gespeichert und wiederverdampft werden.

Auch interessant
Vortrag in Mosbach: So könnte die Zukunft der Gasversorgung aussehen.

Neu ist diese Technologie nicht. "LNG gibt es schon seit mehr als 60 Jahren", stellte Seeliger fest. Bisher habe sich die Nutzung in Deutschland aber wirtschaftlich nicht gelohnt. Das sei nun anders: 20 Euro pro Megawattstunde koste LNG, während der Börsenpreis für Erdgas aktuell bei etwa 50 Euro liege, rechnete er vor. Andere Länder ohne Pipelines importieren Flüssigerdgas bereits seit vielen Jahren, Deutschland sei da ein "voluminöser Nachzügler". Geplant seien mehrere LNG-Terminals an vier Orten in Küstennähe, etwa in Wilhelmshaven, wo Anfang des Jahres das erste deutsche Terminal fertiggestellt wurde.

Eine andere Möglichkeit könnte die Förderung von Schiefergas mittels Fracking sein. Um das in Tongestein "gefangene" Erdgas zu Tage zu bringen, wird eine Flüssigkeit in die Gesteinsschicht eingepresst, teils in bis zu 5.000 Meter Tiefe. So entstehen künstliche Risse (fracs), wodurch das Gas freigesetzt wird.

Diese Technologie habe nicht zu Unrecht einen schlechten Ruf, sagte Seeliger. Beispielsweise könnten die Chemikalien, die in der Fracking-Flüssigkeit enthalten sind, das Grundwasser verschmutzen. Unter anderem auch deshalb sei die Schiefergasförderung in Deutschland verboten. Dennoch plädierte Seeliger für eine rationale Risikobewertung: "Die Zusätze machen weniger als ein Prozent der Flüssigkeit aus, der Großteil sind Wasser und Sand." In Bezug auf die Auswirkungen der Bohrungen sagte er: "Das ist nicht wie im Bergbau, da stürzen keine Häuser ein."

Wenngleich sich die heimische Gasförderung durch Fracking steigern ließe, bezweifelt Seeliger, dass dies die russischen Mengen im großen Stil ersetzen könnte, vor allem nicht kurzfristig. In Deutschland gebe es nur wenige Gebiete mit Schiefergasvorkommen. "Die Frage ist, ob wir dieses Fass wirklich aufmachen wollen."

In seinem Fazit offenbarte sich Seeliger als "LNG-Fan". Für die Infrastruktur des Flüssigerdgases gebe es nach dem Ende der Gaswirtschaft sogar eine "grüne Perspektive": So könnten Teile der Wertschöpfungskette später etwa für Wasserstoff wiederverwendet werden: "LNG ist eine sinnvolle Option. Die Kosten sind akzeptabel, wir könnten damit unabhängig von Russland werden und hätten günstige CO2-Effekte, wenn wir Braunkohle durch LNG ersetzen."

Hinsichtlich Klimaschutz räumte Seeliger jedoch ein, LNG sei "der Einäugige unter den Blinden", aber der "weniger rabiate Weg". Mindestens fünf bis zehn Jahre werde man noch auf fossile Energieträger angewiesen sein, schätzte er. Während Privathaushalte dann bei Strom und Wärme mit erneuerbaren Energien versorgt werden könnten, müsse man sich für die Hochtemperaturprozesse in der Industrie etwas einfallen lassen. Da hoffe Seeliger auf Innovationen: "Ich bin guter Dinge, dass wir Lösungen finden werden."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.