Rädchen sein im Getriebe für den Fortschritt
Im Interview spricht der Eberbacher Anlagenbauer Dilo über seine vom Bund geförderten Forschungsprojekte und Ausbildungsaspekte

Forscher aus Leidenschaft: Anlagenbauer Johann Philipp Dilo. Fotos: Jutta Biener-Drews
Von Jutta Biener-Drews
Herr Dilo, letzten Freitag schaute Bundesforschungsministerin Johanna Wanka in Ihrer Firma vorbei, um sich einen Eindruck davon zu machen, was im Ittertal mit Forschungsgeldern aus Berlin angestellt wird. Dilo arbeitet bis 2020 an zwei Forschungsprojekten - Seite an Seite mit hochrangigen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. Wie sind Sie dazu gekommen?
Hintergrund
Die Oskar Dilo Maschinenfabrik wurde 1902 in Eberbach gegründet und ist in mittlerweile dritter Generation in Familienhand. Geschäftsführer ist Johann Philipp Dilo. Die Dilo Group beschäftigt 450 Mitarbeiter an den Standorten Eberbach, Bremen und Bergisch Gladbach und
Die Oskar Dilo Maschinenfabrik wurde 1902 in Eberbach gegründet und ist in mittlerweile dritter Generation in Familienhand. Geschäftsführer ist Johann Philipp Dilo. Die Dilo Group beschäftigt 450 Mitarbeiter an den Standorten Eberbach, Bremen und Bergisch Gladbach und betreibt Niederlassungen in den USA, China und Russland. In seinen weltweiten Unternehmensaktivitäten in Entwicklung, Bau und Installation von Vliesstoffanlagen hat Dilo 2016 über 113 Millionen Euro Umsatz gemacht und im Durchschnitt der letzten Jahre knapp 8 Prozent vom Umsatz in Forschung und Entwicklung investiert.
Johann Philipp Dilo: Ganz unterschiedlich. Im ersten Projekt hat mich Professor Chokri Cherif vom ITM (Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik) an der TU Dresden angesprochen, weil wir auf unserem Gebiet marktführend sind. Natürlich kennen wir alle deutschen Institutsleiter und auch die im Ausland, wir haben intensive, zum Teil auch enge persönliche Kontakte. Ich bin auch im Vorstand des VDMA (Fachverband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) - die Kontakte gehen also in jede Richtung. Vieles läuft bei uns auch telefonisch, wir sind als innovationsstark bekannt. Dilo hat eine Laboranlage zur Herstellung von Nadelvliesstoff im kleinen Maßstab. Und der Professor wusste das und sagte, ja, das kann ich auch gut brauchen (lacht). Und so kam der Kontakt zustande. Ein Teil dieser Anlage steht in Dresden, die Gesamtanlage in Eberbach.
(Anm.d. Red.: TU Dresden und Maschinenfabrik Dilo bekamen für die Erforschung der Verwertbarkeit recycelter Carbonfasern im Februar den Deutschen Rohstoffeffizienz-Preis 2016 verliehen).
Und im zweiten Projekt?
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Da hat sich die TU Chemnitz an uns gewandt. Es geht um ein Verfahren zur Herstellung von Vliesstoff, der für Autoformteile verwendet wird. Ich hatte dazu aber schon Patente angemeldet, das hat gut zusammengepasst. Die Bundesrepublik ist ein Baukasten, wo alles ineinandergreift: Wissenschaft, Forschung, Anwendung, Praxis. Neu ist das nicht, das ist eine historisch gewachsene Struktur. Aber es wird in der Bewertung jetzt höher gestuft, der Bund möchte das, wie Ministerin Wanka ausgeführt hat, jetzt noch stärker fördern. Die Dilo-Forschung ist aber nur zum geringsten Teil öffentlich gefördert. Als Mittelständler möchten wir unabhängig sein und Projekte lieber selbst entwickeln. Und mehr als zwei Förderprojekte könnten wir administrativ gar nicht bewältigen, das muss alles minutiös dokumentiert werden.
Worin genau sehen Sie für sich dann die Vorteile von mit Bundesmitteln geförderten Entwicklungen?
Wir brauchen die Autoindustrie, um zu sehen, ob unsere Entwicklungen anwendbar sind. Und im Moment will man in der E-Mobilität schnell was erreichen. In der Prozesskette wird zielgerichtet mit allen Beteiligten gearbeitet.
Was genau ist Ihre Aufgabe in diesen Forschungsverbünden?
Wir stellen Maschinen zur Verfügung für diesen Prozess. Im ersten Projekt ist es eine Weiterentwicklung von Vorhandenem, im zweiten eine Neuentwicklung, um eine Technologie zu entwickeln, die für den Leichtbau nötig ist. Das ist nicht nur fürs E-Automobil, sondern generell im Fahrzeugbau wichtig.
Wie muss man sich die Partnerschaft mit Wirtschaftsriesen wie Daimler und VW vorstellen: Ist da echter Wissenstransfer überhaupt möglich?
Ja, weil der Riese VW so fein gegliedert ist, dass wir es nur mit einer Unter-unterunterabteilung zu tun haben. Da geht es nur um Textiltechnologie, und da können wir auf Augenhöhe miteinander kommunizieren.
Hintergrund
Mit fast 350.000 Euro fördert das Bundesforschungsministerium die Beteiligung Dilos an zwei Verbundforschungsprojekten mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Im ersten Projekt "3D ProCar" arbeitet Dilo unter anderem mit Daimler, Dornier und der TU Dresden an der
Mit fast 350.000 Euro fördert das Bundesforschungsministerium die Beteiligung Dilos an zwei Verbundforschungsprojekten mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Im ersten Projekt "3D ProCar" arbeitet Dilo unter anderem mit Daimler, Dornier und der TU Dresden an der Wiederverwertung von Carbonfaserabfällen. In Deutschland fallen davon hauptsächlich in der Luftfahrt rund 2000 Tonnen jährlich an. Ziel ist die Entwicklung eines Recyclingverfahrens, bei dem die teuren Fasern durch Verspinnen und Verweben mit anderen Materialien zur Gewinnung von neuen Leichtbauteilen in der Elektromobilität wiederverwendet werden können.
Im Projekt "optiformTEX" geht es um die Entwicklung von speziellen Vliesstoffen für Autoformteile, die zu einer Massenreduktion führen können: Indem die Fasern sich topologisch so verteilen lassen, dass "sie genau dort sind, wo man sie braucht" (Originalton J.Ph. Dilo). Dilos Aufgabe besteht in der Entwicklung einer entsprechenden Fertigungsanlage, kooperiert wird unter anderem mit VW und der TU Chemnitz. Im Zuge dessen soll die deutsche Textilwirtschaft im Blick auf technische Textilien zukunftsfest gemacht werden.
Wie weit sind Sie mit Ihren Forschungen schon vorangekommen?
Im ersten Projekt (Laufzeit bis Juni 2018) sind wir schon sehr weit. Im zweiten (Mai 2017 bis Januar 2020) sind wir ganz am Anfang, bei ersten Vorversuchen. Das ist vielversprechend, hoch interessant und sehr reizvoll: Wenn es gelingt, im Auto Masse zu sparen, das Gewicht zu reduzieren, was das für die Umwelt bedeutet! Da ein Rädchen zu sein im großen Getriebe für den Fortschritt!
Die Ministerin hat bei ihrem Besuch großes Interesse an der Ausbildungssituation in Ihrem Unternehmen gezeigt. Dass Sie bei 280 Mitarbeitern in Eberbach 61 Auszubildende beschäftigen, fand Wanka bemerkenswert. Wie kommen Sie an die jungen Leute heran?
Wir versuchen zu den Schulleitern in der Region Kontakt zu halten. Wir nehmen an Ausbildungsmessen teil und wollen den jungen Leuten am Stand auch plastisch erklären, was man bei Dilo machen kann. Und wir bieten betriebliche Praktika zur Berufsorientierung in unserer Lehrwerkstatt. Wir sind aber auch sonst auf breiter Front aktiv: in den einschlägigen Foren und Plattformen, in den Medien, im Netz, schalten Anzeigen etwa bei der IHK oder im Jahrbuch des Hohenstaufen Gymnasiums. Wir wollen gezielt auch Gymnasiasten ansprechen, die kein Studium anpeilen.
Im Gespräch wurde deutlich, dass aufgrund ihrer ausgeprägten "Bodenständigkeit" viele Auszubildende wenig Neigung für Einsätze an anderen Dilo-Standorten zeigen, in Bremen zum Beispiel. Wie kommt ein weltweit agierendes Unternehmen mit Mangel an Mobilität zurecht?
Da muss man unterscheiden zwischen kurzfristiger und langfristiger Mobilität. Unsere Stammmitarbeiter sind sehr mobil. Wir fliegen ja auch in der ganzen Weltgeschichte herum, sind in 80 Ländern aktiv. Das ist für die Mitarbeiter, wenn sie hier Familie haben, nicht immer einfach. Letztlich geht es manchmal ja darum, dauerhaft im Ausland zu leben, also auszuwandern: in die USA oder nach China. Aber wenn wir hier niemanden haben, der nach Amerika will, dann müssen wir eben mehr Amerikaner ausbilden. Das geht alles.
Als schmerzlicher Verlust im Betrieb macht sich nach Ihrer Darstellung bemerkbar, dass junge Nachwuchskräfte nach der gewerblichen Lehre in die technische Verwaltung oder sich weiterbilden wollen und dann da fehlen, wofür man sie ausgebildet hat. Was tun Sie dagegen? Mehr ausbilden, als im eigenen Haus gebraucht werden?
Ja, wir bilden über Bedarf aus. Natürlich ist diese Durchlässigkeit im Bildungssystem sehr zu begrüßen. Aber die Kehrseite ist: Wenn 20 Prozent eines Jahrgangs in die Weiterbildung gehen, zum Beispiel Techniker werden wollen, und wir können denen dann keine Stelle bieten, haben wir viel Geld reingesteckt und können sie nicht halten. Und im Betrieb, in Fertigung und Montage, können wir den Bedarf nicht decken. Wir versuchen deshalb, die gewerbliche Ausbildung attraktiv zu machen und auch eine Weiterqualifizierung im eigenen Beruf anzubieten. Zum Baustellen- oder Projektleiter, in eine Vorgesetztenposition, wo es dann auch eine höhere Entlohnung gibt.