Der gute Ton mit Florian Herkert am Mischpult
Grammy-Gewinner, Pop- und Rockstars und Bill Gates: Florian Herkert sorgt bei Stars rund um den Globus dafür, dass sie gut klingen

"The greatest monitor dude in the world" nennt Barry l’Affair Florian Herkert (r.).
Von Christofer Menges
Eberbach. Da sitzt du auf einer Bierbank in Düsseldorf auf der Rheinterrasse, genießt die Abendsonne, Ricky Z läuft Arm in Arm mit seiner Frau Katy vorbei, lächelt, winkt dir freundlich zu - Grammy-Gewinner, Gitarrist von Lauryn Hill, Gloria Estefan und Michael Bublé. Gerade hat der Bassist von Gwen Stefani erzählt, wie er vor kurzem bei 43 Grad in Tucson (Arizona) auf der Bühne schwitzte.
Ein paar Meter weiter, im Rheingoldsaal - ein prunkvoller Traum aus den Wilden Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts, edles Parkett, schwere rote Vorhänge, muschelförmige Kuppel in Bronze und Mattgold - steht alles bereit: Schlagzeug, Gitarren, Trompete, Posaune. Gleich werden hier 16 Musiker auf der Bühne stehen, "Loud‘n’Proud" prangt über dem Set, mehrere Grammy-Gewinner sind dabei, neben Ricky Z auch Mark Hudson, der für Aerosmith "Living on the Edge" geschrieben hat, und Travis Gibb, Sohn von Bee-Gees-Legende Barry Gibb. Rechts neben der Bühne schiebt Florian Herkert ein paar Regler hoch. Die Musiker kommen aus den USA, der Sound kommt aus Eberbach.
Schon als Kind lief Herkert, das hat er von seinem Vater, zu jedem Mischpult, ließ sich Knöpfe und Regler erklären. Jetzt ist er 28 und hat sich nach seinem Studium als Toningenieur seinen Traum erfüllt: Er sorgt bei Musikern und Veranstaltungen rund um den Globus für den guten Ton.
In Polen, Frankreich und England mit Welshly Arms ("Legendary"), auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos unter anderem für Microsoft-Gründer Bill Gates, in Italien am Lago d’Orta für Opernstar Desire Capaldo.
Bei Ute Lemper saß er schon am Mischpult, bei Bodycount, Kim Wilde und Sasha, bei Jazz-Größen wie Chick Corea und Béla Fleck betreute er die Techniker. Mal eben zu Shows in Montreal und Toronto in Kanada, mit Fünf Sterne Deluxe im Millerntor-Stadion in St. Pauli, auf dem Southside-Festival in Neuhausen ob Eck und beim Hurricane in Scheeßel. Bei Billie Eilish, die 17-Jährige ist aktuell einer der angesagtesten Popstars der Welt, hat er vor kurzem in Hamburg das Monitor-Team betreut. Bei der CD-Release-Party von Barry l’Affair in Düsseldorf saß er selbst am Monitor. Barry aus Wiesbaden am Mikrofon, Flo aus Eberbach am Mischpult - da haben sich zwei gefunden.
Für Barry war es ein besonderer Auftritt: 2016 erlitt Marco Wagener, wie der Sänger mit bürgerlichem Namen heißt, im Alter von 23 Jahren einen Schlaganfall. Seine Stimme war weg, sprechen und singen musste er in der Reha in Düsseldorf neu lernen. Dass er drei Jahre danach wieder auf der Bühne steht, kann er selbst kaum fassen.
Mit Mark Hudson hat er in den USA sein neues Album "Loud‘n’Proud" aufgenommen. Im Rheingoldsaal werden Barrys neue Songs gefeiert, unter den rund 400 Zuschauern sind neben Freunden und Bekannten auch Ärzte und Pfleger aus der Reha und Vertreter aus dem Musikbiz. Barry singt Popsongs, Rock, Balladen, mit Hudson im Duett "Living on the Edge". Mit "Hashtag Rock‘n’Roll" haut die Band zum Schluss nochmal alles raus. Eine der großen globalen Musikfirmen will Barry l’Affair gleich am Tag nach der Show unter Vertrag nehmen. Für Herkert ist der Abend Schwerstarbeit: Bei 16 Musikern muss er über 20 verschiedene Mixes gleichzeitig im Auge und im Ohr behalten.
Musikbiz und Odenwald, heute Rockshow, Tourbus, Dezibel, morgen verschlafene Kleinstadt: zwei völlig unterschiedliche Welten. Aber hier im Odenwald nahm es seinen Anfang, hierher kehrt Herkert immer wieder zurück. Hier hat ihm sein Vater Klaus Peter die Grundlagen der Tontechnik beigebracht. "In der Musikschule mit Bernhard Sperrfechter, da hat es dann angefangen mit den ersten Aufnahmen, das war der Ursprung", sagt er. "Chris Wegner von der Klangfarm hat mich auch extrem viel ausprobieren lassen mit 61inch. Bei ihm hatte ich die neueste Technik. Wenn es blöd wurde, gab es konstruktive Kritik - ein cooler Lerneffekt. Das ist auch nicht selbstverständlich."
Herkert hat selbst Gitarre gespielt, bei Sperrfechter in der Musikschule und in lokalen Bands wie Colorblind und Cash on Delivery. Doch dazu kommt er kaum noch: "Ab und zu nehm’ ich die Gitarre noch in die Hand, aber ich hab’ halt keine Band mehr. Früher hatte ich noch Zeit, da konnte ich noch jeden Tag spielen."
Eberbach ist für ihn inzwischen vor allem Heimat und Rückzugsort. "Ich könnte nicht in der Großstadt leben", sagt der 29-Jährige, der viele Großstädte kennt. "Wenn du so viel unterwegs bist wie ich und den Stress mit den ganzen Reisen hast, ist es schön hier. Das entschleunigt."
Oft sind es nur ein, zwei Tage am Neckar, dann geht es weiter. Nächsten Samstag wieder mit Welshly Arms. Die Show mit dem Sound made in Eberbach wird auf wdr2.de gestreamt. Barry l’Affair ist für die Silvester-Party vorm Brandenburger Tor gebucht und wird im Fernsehen zu sehen und zu hören sein.
Der gute Ton wird auch dort aus Eberbach kommen: Am Mischpult steht Florian Herkert.

Große Bühne, 20 000 feiern auf der Expo Plaza in Hannover, der Sound kommt aus Eberbach: Florian Herkerts Arbeitsplatz beim Auftritt von Welshly Arms Ende August. Fotos: privat