Betriebsrats-Serie: "Checkpoint"-Übernahme sorgt für unklare Zukunft

Nach der Übernahme des Hirschhorner Unternehmens weiß auch Betriebsratsvorsitzender Gernot Walter nicht, was die nächsten Monate bringen.

05.09.2016 UPDATE: 06.09.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 9 Sekunden
Der Ersheimer Etikettiersystemhersteller ist mit dem Verkauf seiner US-Dachgesellschaft „Checkpoint“ jetzt Teil des kanadischen Unternehmens CCL Industries. Fotos: Hajo Eckert

Von Hajo Eckert

Hirschhorn. Betriebsratsvorsitzende stehen an der Spitze der Belegschaft und vertreten deren Interessen gegenüber der Geschäftsleitung. Dabei bewältigen sie Konflikte, die den unterschiedlichen Interessen beider Seiten entspringen.

Das zeigt aber nur bruchstückhaft die Konflikte eines Betriebsratsvorsitzenden. Diese sind vielfältiger. Sie betreffen sein Privatleben, berühren seine Emotionen, stören seine Karriere, schüren Zukunftsängste. Da drängt sich die Frage auf: Warum machst Du das?

Hintergrund

Bei "Meto/Checkpoint" gab es in der Vergangenheit einige Eigentümerwechsel, und damit verbundene Veränderungen in der Unternehmenskultur. Bis 1999 waren die Mitarbeiter eine Familie in der Esselte Meto GmbH. Dann ging das Unternehmen an die Checkpoint Gruppe mit der

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Bei "Meto/Checkpoint" gab es in der Vergangenheit einige Eigentümerwechsel, und damit verbundene Veränderungen in der Unternehmenskultur. Bis 1999 waren die Mitarbeiter eine Familie in der Esselte Meto GmbH. Dann ging das Unternehmen an die Checkpoint Gruppe mit der US-Mutter. Jetzt wird das Unternehmen an die kanadische CCL Industries verkauft.

Jede Übernahme stellt den Betriebsratsvorsitzenden Gernot Walter vor eine neue Situation, vor neue Herausforderungen, vor ein erneutes gegenseitiges "Abtasten". Das verlange Fingerspitzengefühl.

Einige größere Themen gab es in den letzten Jahren zu bewältigen. Manches ist eine Win-Win-Situation, wie die Einführung der Prämienvereinbarung, die eine Effizienzsteigerung brachte, so die Geschäftsleitung. Andere Probleme lassen sich mit konstruktivem Kompromiss lösen. Wie während der Finanzkrise 2009: da erteilte die US-Mutter die Anweisung zur Kosteneinsprung aufgrund schwächerer Auftragslage.

Kurzarbeit als Lösung

Jeder Mitarbeiter sollte auf 15 Prozent seines Gehaltes verzichten oder seine Arbeitszeit entsprechend reduzieren. Der Betriebsrat setzte sich für ein Kurzarbeitpaket ein. Das erfüllte die Vorgabe aus USA, und die Belegschaft wurde nicht so stark finanziell belastet.

Die Anpassung der Lohnstrukturen gelang 2008 mit "ERA-Entgeltgruppen". Die Tätigkeiten bzw Berufsgruppen wurden unternehmensspezifisch neu bewertet und eingestuft. Die "Ausreißer nach unten" auf den Lohnstufen wurden durch die Neu-Einstufung ausgeglichen. Die "Ausreißer nach oben" wurden über eine Besitzstandsregelung als Ungleichheit übernommen. "Es waren harte Verhandlungen mit der Geschäftsleitung. Arbeitgeberverband und IG-Metall saßen mit am Tisch. Zum Schluss wurde es intern gelöst", erläutert Walter. Es gab einen Zusatz zum Tarifvertrag für die Besitzstandsregelung.

Das Durchschnittsalter der Belegschaft liegt bei 50 Jahren. Viele seien schon Teil der Meto-Familie gewesen.

Die damalige Stimmung unter den Mitarbeitern und das soziale Miteinander lasse sich nur schwer in Worte fassen. Walter: "Es sei früher besser gewesen, meinen einige".

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Gernot Walter ist 42 Jahre alt. Er ist gelernter Industriemechaniker und seit 2008 Betriebsratsvorsitzender bei Checkpoint Systems GmbH in Hirschhorn, einem Hersteller von Etikettiersystemen und Etiketten.

Walter ist eher ein tiefgründiger Mensch. Sein Sternzeichen: Skorpion. Er hinterfragt die Dinge, macht sich seine eigenen Gedanken, identifiziert sich mit seiner Aufgabe. Er ist ehrgeizig. Gernot Walter wurde Betriebsrat, um etwas zu bewirken. Und aus Interesse an der Gewerkschaftsarbeit. Als nicht frei gestellter Betriebsratsvorsitzender belegt die Betriebsratsarbeit 70 Prozent seiner Sollarbeitszeit. Die restlichen 30 Prozent ist er an seinem regulären Arbeitsplatz in der Instandhaltung.

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Dieses Zeitenverhältnis spiegelt eines wider: Die Chancen, die Erfolgsleiter rauf zu klettern, sind in dieser Konstellation eher gering. Betriebsratsvorsitzender sein sei auch eine Art Karriere, meint Walter. "Mittlerweile würde mir was fehlen, wenn ich das nicht wäre". Außerdem sei er zufrieden mit der Position in der Abteilung. Er beschränkt sich auf die Arbeitsposition, die er inne hat. Und auf das damit verbundene Gehalt.

Wichtig ist Gernot Walter, dass seine Partnerin mit seinem Engagement einverstanden ist und ihn stützt. "Sie ist ein ruhender Pol und gibt mir Rückhalt", betont er. "Besonders bei emotionalen Belastungen".

Sorgen und Mitgefühl bleiben nicht am Unternehmenstor hängen. Manches trägt er nach Hause, auch wenn er es nicht will. Walter: "Wenn ein gestandener Mann bei mir im Betriebsratszimmer sitzt und weint, weil ihm gekündigt wurde, das bewegt mich. Das lässt mich nachts nicht schlafen."

Käme er als Betriebsratsvorsitzender in diese Situation, dann würde Walter nicht so leicht eine neue Stelle finden. Das ist ihm bewusst. "Da darf man nicht dran denken, sonst brauch’ ich es nicht zu machen", meint er. "Es würde mich total blockieren." Das ist die eine Seite, die andere ist der Arbeitsalltag als Betriebsratsvorsitzender. Walter vertritt die Anliegen der Kollegen standhaft gegenüber der Geschäftsleitung. Der Umgang auf Augenhöhe sei wichtig.

Und der gegenseitige Respekt, den man sich irgendwann verschaffen müsse. Im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung werde es immer Kompromisse geben. Er versuche, den Kompromiss immer so weit als möglich auf die Seite der Mitarbeiter zu ziehen. "Manchmal muss man aber auch zurückstecken. Es ist ein Geben und Nehmen".

Bei den Verhandlungen müsse er auch die Belange und Schwierigkeiten des Unternehmens und der Geschäftsleitung verstehen und bedenken. Ein sachliches Abwägen des Für und Wider.

Die Zeiten haben sich geändert. "Wir haben auch heute ein gutes zwischenmenschliches Klima. Vielleicht braucht es manchmal nur ein wohlwollendes Wort, eine Kleinigkeit", meint Walter.

Streitigkeiten unter Kollegen habe er nicht zu schlichten. Mitarbeiter kämen eher mal mit einem privaten Problem. Privates und Arbeit ließe sich eben nicht so scharf trennen. Walter kennt die meisten Kollegen schon seit 26 Jahren. Da weiß er, wo der Schuh drückt.

An seinem Arbeitsplatz in der Instandhaltung sieht er am Ende des Tages, was er gefertigt hat. "Das ist handfest, das gibt eine Befriedigung", sagt Gernot Walter. Die geleistete Betriebsratsarbeit aber lässt sich nicht in Stückzahlen messen. "Wenn von einem Kollegen mal ein Lob oder Dank kommt, ist das ein super Gefühl".

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