Explosion bei BASF: "Wir sprechen jeden Tag darüber"

Sechs Wochen nach der Explosion bei der BASF ist die Unglücksstelle freigegeben - Bei den Überlebenden wirkt die Tragödie nach

25.11.2016 UPDATE: 26.11.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Inmitten geborstener Rohrleitungen stehen Experten der BASF-Werksfeuerwehr.

Von Jasper Rothfels

Ludwigshafen. Die dicken Stahlrohre sind verbogen, als ob ein Riese sich an ihnen abreagiert hätte. Die Hitze des Feuers hat die Metallschilder darauf schmelzen lassen, ebenso die Plastikfenster eines nahen Umschlaggebäudes. Es riecht nach Ruß im Landeshafen Nord der BASF in Ludwigshafen, auch knapp sechs Wochen nach der Explosion, die vier Menschenleben gefordert hat.

Der Leiter der Werksfeuerwehr, Rolf Haselhorst, führt Journalisten über das Gelände, auf dem zwei seiner Männer starben. Am Ort des Todes hat das Feuer die Bodensteine geschwärzt. Was empfindet der Feuerwehrchef hier? "Ich bin mit den Gedanken bei meinen Mitarbeitern und ihren Familien", sagt der 58-Jährige mit leiser Stimme.

Vieles ist noch unverändert an diesem Platz, den die Staatsanwaltschaft erst vor kurzem freigegeben hat. Hauptsächlich betroffen von der Zerstörung ist ein etwa 20 Meter breiter Graben, in dem 38 Leitungen liegen - für Dampf, Brunnen- und Abwasser, aber auch für höchst brennbare Chemikalien. Hier soll am 17. Oktober ein Mitarbeiter einer Fremdfirma mit einem Winkelschleifer eine falsche Leitung angeschnitten und so einen Brand verursacht haben, dem die Explosion folgte. Wie es dazu kommen konnte, ist nach wie vor rätselhaft.

Der Mann und ein Kollege waren bereits seit zwei Tagen an einer Nachbarleitung für "Propylen flüssig 95%" im Einsatz. Sie sollten dort einen sogenannten Dehnungsbogen austauschen, eine Ausstülpung im Rohr, die wie ein umgekehrtes U verläuft. Sie soll die von jahreszeitbedingten Temperaturänderungen verursachten Spannungen auffangen, denen eine solche Leitung ausgesetzt ist. "Das sind die Teile, wo besondere Kräfte wirken. Die sollten einer nach dem anderen erneuert werden", erklärt der Betriebsleiter Hafen und Tanklager, Wolfgang Egel-Hess.

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Etwa 20 Zentimeter rechts neben der mit einem gelben Farbfleck gekennzeichneten "Propylen flüssig 95%"-Leitung verläuft ein mit Rot gekennzeichnetes Rohr für "Raffinat I+II", durch das ein brennbares Buten-Gemisch floss. Hier soll der Mann den Schnitt gesetzt haben - mit Folgen. "Am Anfang gab es einen Brand, den die Männer noch per Handlöscher bearbeitet haben", sagt Haselhorst. Das sahen die Wachhabenden in einem mehrere Hundert Meter entfernten Leitstand auf der anderen Seite des Hafenbeckens - und riefen die Feuerwehr.

Sichtlich angespannt erinnert sich der 58-Jährige an die letzten Minuten vor der Katastrophe. Sechs oder sieben Feuerwehrleute seien am Ort gewesen, ein Teil rüstete sich noch aus, die anderen sollten einen Wasserwerfer aufbauen, um aus etwa 60 Meter Entfernung die Rohre an der Brandstelle zu kühlen. Doch dazu kam es nicht. "Während dieser Zeit - es waren noch keine Schläuche an dem Wasserwerfer -- ist es zu dieser großen Explosion gekommen."

Sie entstand vermutlich in der Ethylen-Ferngasleitung, die etwa einen Meter neben dem Rohr für "Raffinat I+II" verläuft. Das Stahlrohr, dessen Wand ein Zentimeter dick ist, barst - beide Hälften schlugen in Richtung Hafen. Zwei der Wehrleute starben noch am Unfallort, ebenso der Matrose eines Tankschiffes, das im Hafen lag. Ein dritter Feuerwehrmann erlag zwölf Tage später seinen Verletzungen im Krankenhaus. Außerdem wurden 29 Menschen verletzt, sieben schwer.

Vier Wehrmänner sind noch im Krankenhaus. Die übrigen versuchten, das Geschehen durch Gespräche zu verarbeiten, sagt Haselhorst. "Wir sprechen sehr oft - jeden Tag - darüber." Nun, wo nach den Gedenkveranstaltungen der Alltag wieder einziehe, kämen die Gedanken an die Kameraden wieder hoch. Die Männer, von denen einige medizinische Hilfe in Anspruch nähmen, reagierten darauf unterschiedlich.

Nachdenklich blickt der Feuerwehrleiter auf das geborstene Rohr der Ethylen-Leitung. "Dass eine Rohrleitung aus der Verankerung herausgerissen und zur Seite geschleudert wird, ist nicht vorhersehbar und für uns etwas völlig Neues, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen", sagt er. Wo die andere Leitung angeschnitten worden war, klafft eine Lücke - die Ermittler haben das Stück zur Beweissicherung ausgebaut.

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