Hafendirektor Hörner über den Güterverkehr auf dem Wasser
Roland Hörner über die Bedeutung des Güterverkehrs auf Wasserstraßen in Zeiten der Klimadebatte und die Kapazitäten im Mannheimer Hafen

Mannheim. (boo) Das Binnenschiff ist pünktlich, verlässlich, umweltschonend. Aber stimmt es, dass auf den Wasserstraßen noch lange nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft sind? Darüber und über die Zukunft des Mannheimer Hafens sprach die RNZ mit Hafendirektor Roldan Hörner, der Ende des Jahres in den Ruhestand verabschiedet wird.
>>>Lesen Sie hier ein Portrait des Mannheimer Hafens<<<
Angesichts der Klimadebatte, der Forderung nach CO2-Einsparungen sowie der vielen Staus und Unfälle in der Metropolregion wird immer wieder gefordert, mehr Güter von der Straße weg auf die Wasserwege zu verlagern. Halten Sie das für sinnvoll und machbar?
Ja. Ein modernes Binnenschiff ersetzt 150 Lastwagen. Vor diesem Hintergrund ist die Wasserstraße, also das Binnenschiff insbesondere für lange Strecken und Massengüter eine umweltfreundliche und effiziente Alternative. Deutschland verfügt über rund 100 gut ausgestattete Binnenhäfen, die fast alle großen Ballungszentren anbinden. Das Besondere der Binnenhäfen ist, dass sie trimodal sind, also eine Schnittstelle für Schiff-, Bahn- und Lkw-Verkehre sind.
Binnenhäfen haben eine wichtige Versorgungsfunktion für die ganze Region. Während in den letzten 50 Jahren der Containerverkehr in der Binnenschifffahrt stark ausgebaut wurde, sehe ich insbesondere im Schwergutumschlag noch Verlagerungspotenzial. Hier könnten meiner Ansicht nach mehr Transporte über den Wasserweg laufen.
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Könnte der Mannheimer Hafen überhaupt noch mehr Umschlag verkraften? Und wenn ja, wo?
Die offiziellen Prognosen gehen von steigenden Güterverkehrszahlen aus. Dies betrifft speziell auch den Containerumschlag. Die meisten Container werden in den sogenannten "Nordrange"-Häfen umgeschlagen, also in Rotterdam, Antwerpen, Amsterdam und Hamburg. Durch den Rhein ist der Hafen Mannheim direkt mit den großen holländischen und belgischen Seehäfen verbunden. Diese Verkehrs- und damit auch Handelsverbindung hat eine alte Tradition. Der Hafen Hamburg ist über die Bahn erreichbar. Binnenhäfen wie Mannheim haben als sogenannte Hinterlandhäfen die Aufgabe, Güter zu und von den Seehäfen aufzunehmen und regional zu verteilen.
Der Hafen Mannheim nimmt diese Aufgabe seit 1968 wahr, denn er verfügte als erster deutscher Binnenhafen über einen Containerkran. Das Terminal haben wir vor zwei Jahren erneut erweitert. Somit sind wir gut aufgestellt und verfügen über ausreichende Kapazitäten. Die Roll-on-/Roll-off-Anlage hat sich bewährt: Zwei Ro-Ro-Schiffe fahren auf festen Liniendiensten zwischen Rotterdam/Antwerpen und Mannheim/Wörth. Bei steigender Nachfrage könnten theoretisch zusätzliche Leichter an das Schiff gekoppelt oder die Taktung erhöht werden.
Und in welchem Umfang könnte der Umschlag erhöht werden? Gibt es eine Obergrenze?
Im Hafen Mannheim werden an mehr als 40 Umschlagstellen jährlich rund acht Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Die Güter kommen als Flüssig-, als Massen- oder als Schwergut an; im Container, auf der Palette oder im Big Pack. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig zu beurteilen, wo die Kapazitätsgrenzen genau liegen. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren es auch mal bis zu zehn Millionen Tonnen Güter Umschlag.
Warum werden nicht mehr Anstrengungen unternommen, damit die Forderungen nach Verlagerung auf die Wasserstraßen keine Theorie bleiben? An welcher Stelle hakt es?
Der Bund und die Länder unterstützen die Verlagerung mit ihren Möglichkeiten und im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten. In den Wasser- und Schifffahrtsämtern fehlt es aber leider immer noch an ausreichendem Personal wie Ingenieuren. Insgesamt gibt es bei dieser Aufgabe viele Themenbereiche, die berücksichtigt werden müssen wie zum Beispiel der Ausbau der Wasserstraßen, Modernisierung der Flotte, attraktive Arbeitsbedingungen, Ausbildungsinhalte in der Binnenschifffahrt und in den Logistikberufen, europäische Zielvorgaben, staatliche Förderung et cetera. Das ist alles sehr komplex, aber in anderen europäischen Ländern funktioniert es ja auch!
Auch auf den Wasserstraßen kann es Probleme geben. Was passiert bei Niedrig- oder Hochwasser?
Hoch- und Niedrigwasser sind grundsätzlich normale Phänomene. Auf Hoch- und Niedrigwasserperioden ist man seitens der Häfen, der Verlader und der Reeder regelmäßig eingestellt. Vor zwei Jahren gab es aber eine sehr lange Niedrigwasserperiode, die beispielsweise zu den Versorgungsengpässen an den deutschen Tankstellen führte. Alle Beteiligten haben hierauf ihre Risikoplanung angepasst, um in einem solchen Fall über alternative Transportkapazitäten zu verfügen.
Aus meiner Sicht ein Grund mehr, die Verkehrsträger noch besser zu verknüpfen. Wünschenswert wäre es, wenn Güter reibungslos vom Schiff auf den Zug verlagert werden könnten. Dies setzt auf Seiten der Güterbahnen und der Zugstreckenbetreiber entsprechende Kapazitäten voraus. In Richtung Seehäfen sind diese aber leider nicht immer vollumfänglich verfügbar.
Sind die Schleusen überhaupt längeren Binnenschiffen gewachsen?
Der Rhein ist praktisch schleusenfrei. Am Neckar sieht das anders aus. Die Neckarschleusen sind in die Jahre gekommen und müssen saniert werden. Dass man dabei auch jeweils eine Kammer an die heute gängigen Schiffsgrößen anpasst, halte ich für eine sinnvolle Investition.
Ist das Schiff wirklich umweltfreundlicher als Straße oder die Schiene?
In der Binnenschifffahrt wird in der Regel Schiffsdiesel eingesetzt, dessen Art und Zusammensetzung dem allgemeinen handelsüblichen Diesel entspricht. Der in der politischen Diskussion häufig erwähnte "schwere" Diesel ist in der Binnenschifffahrt verboten. In Mannheim werden auch Binnenschiffe betankt, die mit umweltfreundlichem Flüssigerdgas angetrieben werden. Mit dieser Art der Versorgung waren wir als Binnenhafen im Übrigen Vorreiter in Deutschland.
Herr Hörner, Sie gehen zum Jahresende nach 22 Jahren als Hafendirektor in den Ruhestand und übergeben Ihr Amt an Uwe Köhn, den Kehler Hafendirektor. Wo sehen Sie die Zukunft des Mannheimer Hafens?
Der Hafen Mannheim wird auch in Zukunft für das Land Baden-Württemberg, für die Metropolregion Rhein-Neckar und für die Stadt Mannheim von zentraler Bedeutung sein. Ich wünsche mir, dass der Hafen von den Bürgern nicht nur als Industriegebiet wahrgenommen wird, sondern als ein Hafen, der Tradition und Moderne verbindet und damit ein Teil unserer Kultur ist.
