Rehovot

Experimente am Weinberg und Fleisch aus dem Labor

Seit 40 Jahren sind Heidelberg und Rehovot Partnerstädte. Eine Delegation erlebte in Israel spannende Wissenschaft.

04.08.2023 UPDATE: 04.08.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
In Rehovot werden auch Steaks aus dem Labor produziert. Foto: Ilia Yechimovich

Von Alexander Wenisch

Rehovot. Eckart Würzner steht dort, wo alles begann. Mitten auf dem grünen und schattigen Campus des Weizmann-Instituts. Hier startete die Freundschaft zwischen der israelischen Stadt Rehovot und Heidelberg – und zwar schon Jahrzehnte, bevor daraus eine offizielle Städtepartnerschaft wurde.

Das war 1958. Die Wissenschaft schlägt erste Brücken in einer Zeit, "als die Politik noch nicht in der Lage war, miteinander zu sprechen", wie es Heidelbergs Oberbürgermeister Würzner ausdrückt. Wolfgang Gentner vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik und Josef Cohn vom Weizmann-Institut in Rehovot, knüpfen erste Bande. Vor nun genau 40 Jahren wurde daraus eine Städtepartnerschaft, die heute, so Würzner, von "echter, tiefer Freundschaft" geprägt sei. Sein Amtskollege in Rehovot, Rahamim Malul, nennt ihn während des Jubiläumsbesuchs konsequent: "mein guter Freund, Doktor Eckart".

Eckart Würzner ist begeistert von Ohad Barkans (r.) Weinbau-Forschung. Foto: lex

Die Verbindungen zwischen den Städten sind lebendig und werden gepflegt. Durch den aktiven Freundeskreis, auf kultureller Ebene, über einen Schüleraustausch, den es seit 1985 am Bunsen-Gymnasium gibt (und den Jochen Reder vom Freundeskreis mit Begeisterung bewirbt), und im Rahmen der "International Summer Science School" können wissenschaftlich begabte Jugendliche in beiden Städten Forschung erleben. Hier in Rehovot liegen spannende Wissenschaft und ihre Anwendung Tür an Tür.

Nur die Besten der Besten

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Im Gespräch mit Yinon Rudich, Dekan der Fakultät Chemie am Weizmann-Institut, wirbt Würzner denn auch um eine noch intensivere Zusammenarbeit der beiden Elite-Universitäten. Doch Rudich treibt gerade etwas anderes um: die Massenproteste im ganzen Land – auch in Rehovot – gegen die Justizreform der Regierung. Ungewöhnlich deutlich sagt der Dekan, dass er die Freiheit der Wissenschaft bedroht sieht. Denn das schreibt sich seine Uni auf die Fahnen: Hier herrscht "volle Forschungsfreiheit", Neugierde ist die einzige Triebfeder. Mit einem Stiftungsbudget von vier Milliarden Dollar kann sich die Einrichtung das leisten.

Das Weizmann-Institut ist ein Leuchtturm in der Grundlagenforschung, eine der Top-Unis der Welt. 300 Familien aus aller Welt leben auf dem großen, hügeligen und sattgrünen Campus. Nur die Besten der Besten sollen hier forschen – von der Nanotechnologie über Krebstherapie bis zum Quantencomputer. In einem "Green House" können die Ideen schließlich zur Marktreife wachsen. Ähnlich wie im Heidelberger Technologiepark (dessen Chef André Domin war auch Teil der Delegation) geht es hier darum, junge Start-ups bei der Gründung zu unterstützen.

Rudichs Fachgebiet ist der Klimawandel. Mit Künstlicher Intelligenz analysiert er Wetterdaten, will Szenarien wie Smog oder Überschwemmungen vorhersagen.

Am Weinberg 2.0

Um Umweltveränderungen geht es auch bei Ohad Barkan. Der Master-Student hat an der Fakultät für Landwirtschaft einen kleinen Weinberg gepflanzt. Oder besser: gebaut. Denn die Reben aus Frankreich stehen in riesigen Sandbottichen und sind mit Messgeräten verdrahtet. Drei Meter über den Pflanzen sind Solarpaneele angebracht, die sich je nach Sonneneinstrahlung neigen lassen.

Sie schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Photovoltaik-Anlage produziert grünen Strom (der nebenan ironischerweise drei Heizpilze befeuert) und verschattet andererseits die Weinstöcke. Winzer haben nämlich zunehmend das Problem, dass ihnen die wärmeren Sommer die Trauben zu süß werden lassen, was am Ende den Alkoholgehalt im Wein erhöht. Barkan erforscht, wie sich die Pflanzen unter Beschattung entwickeln.

Die Heidelberger Grüne Ursula Röper hat an der Fakultät in Rehovot vor Jahrzehnten als junge Studentin einen Sommer lang gearbeitet und ist ganz erstaunt, wie sich alles verändert hat. Hier werden Agrarwissenschaftler ausgebildet – seit die Kurse und Vorlesungen vor fünf Jahren nur noch auf Englisch stattfinden, kommen die Studenten aus der ganzen Welt hierher. Viel wird an der Außenstelle Uni Jerusalem geforscht, zu modernen Anbaumethoden von Kichererbsen zum Beispiel, Paprika oder Tomaten. Das solle langfristig einen Beitrag leisten, um die Welternährung zu sichern, sagt Yael Helman, die sich um den internationalen Studentenaustausch kümmert. Sie sei stolz, weil ihre Studenten in ihre Heimatländer zurückgehen und dort das Wissen weitertragen würden.

Steaks aus dem Labor

Um Ernährung geht es auch bei Aleph Farms. Nur ein paar Kilometer weit entfernt vom Acker der Uni steht eines der vielen Glas-Hochhäuser der Stadt. Darin wirft die Delegation einen Blick in die Zukunft. Hier wird Fleisch produziert, aber Rinder sieht man keine. Denn die Steaks der Farm wachsen im Labor. Aus der befruchteten Zelle eines Black-Angus-Rindes können die Forscher mithilfe einer Protein-Mischung Tausende Tonnen Steaks kultivieren. So lässt sich sogar die Marmorierung des Stücks beeinflussen.

Wie genau das geht, verraten die modernen Rinderzüchter natürlich nicht. Betriebsgeheimnis. Auch Fotos sind verboten. Dafür verspricht "Aleph Farms", die Fleischproduktion zu revolutionieren. Denn die nötige Energie geht hier direkt ins Nahrungsmittel. Für das Wachstum von Knochen oder Haut, wie beim lebenden Rind, ist kein Futter, kein Wasser nötig. Es müssen keine Wälder für Weiden gerodet werden. Und es müssen keine Tiere gehalten und geschlachtet werden. Ein Steak wächst in drei bis vier Wochen.

Utopie? 2017 wurde "Aleph Farms" von Didier Toubia gegründet. Ein Jahr später wurde der erste Prototyp des neuen Fleischs präsentiert, 2021 das erste Ribeye-Steak aus dem Bioprinter. Noch in diesem Jahr plant die Firma die Markteinführung in Singapur, dann in Israel und möglichst bald auch in den USA. Ein Kilo "Aleph Cut" kostet Tausende Dollar, aber in fünf Jahren soll das kultivierte Steak im Supermarkt so viel kosten wie herkömmlich produziertes Fleisch.

Probieren durfte die Delegation das neue Fleisch nicht. Stattdessen war sie eingeladen ins "Chateau Margo", das liebevoll renovierte älteste Haus Rehovots. Gebaut 1890, beherbergt es heute eines der besten Restaurants des Landes. Und mit einem hervorragenden Wein von den nahen Golanhöhen wurde mit Bürgermeister Malul auf die Freundschaft zwischen Heidelberg und Rehovot angestoßen.

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