OB-Wahl Heidelberg

Wie wichtig Eckart Würzner der Neckarufertunnel wirklich ist

Der OB sagt: "Ich bin glaubwürdig, weil ich umsetze, was ich sage. Ich habe gezeigt, dass ich Heidelberg erfolgreich führen kann". Den Neckarufertunnel will er bis 2030 gebaut haben.

17.11.2022 UPDATE: 17.11.2022 06:00 Uhr 5 Minuten, 3 Sekunden
Eckart Würzner sitzt am Neckarufer. Die Pläne für den Neckarufertunnel verfolgt  der OB weiter. Archivfoto: Rothe
Interview
Interview
Eckart Würzner
Oberbürgermeister von Heidelberg

Von Sebastian Riemer und Holger Buchwald

Heidelberg. Oberbürgermeister Eckart Würzner (61), der im zweiten Wahlgang am 27. November eine dritte Amtszeit anstrebt, erklärt im RNZ-Interview, wie wichtig ihm der Neckarufertunnel ist, wie er mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen will – und wieso es bis zur Umsetzung in Heidelberg manchmal länger dauert.

Herr Würzner, Sie haben den ersten Wahlgang mit 45,9 Prozent gewonnen. Aber 54,1 Prozent der Wähler haben Sie nicht gewählt. Woran lag’s?

Das Ergebnis war eindeutig, ich liege mit weitem Abstand vorne. Das freut mich sehr, weil es eine Bestätigung meiner und unserer Arbeit ist. Niemand hat erwartet, dass ich bei neun Kandidierenden bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreiche.

Boris Palmer hat es in Tübingen im ersten Wahlgang geschafft – bei zehn Prozent mehr Wahlbeteiligung. Er scheint also größere Unterstützung in Tübingen zu haben als Sie in Heidelberg.

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Palmer hatte keinen Gegenkandidaten aus dem bürgerlichen Lager. So einer hätte mindestens zehn, zwölf Prozent bekommen. Ich hatte als parteiloser, von bürgerlichen Parteien unterstützter Kandidat Gegenkandidaturen von Grünen und SPD. Da bin ich super zufrieden mit meinem Ergebnis.

"Nach 16 Jahren braucht es in der Demokratie einen Wechsel." Was sagen Sie zu dieser These?

Solange die Menschen mir vertrauen und mir zutrauen, diese Stadt auch in Krisensituationen gut zu führen, sehe ich keinen Bedarf für einen Wechsel. Man kennt mich, ich bin sehr authentisch, habe eine große Empathie für alle Menschen, höre gut zu – und achte auch darauf, dass nicht eine politische Gruppierung andere dominiert. Erfahrung ist viel Wert, gerade in dieser Zeit.

Mit dem Projekt Neckarufertunnel sind Sie in der ersten Amtszeit gescheitert. Wieso holen Sie es jetzt im Wahlkampf für die dritte Amtszeit wieder raus?

Ich bin damit nicht gescheitert. Es gab eine breite politische Mehrheit dafür.

Der Tunnel wurde aber nie gebaut, er scheiterte an der Finanzierung.

Wir hatten eine Bundesförderung – aber die zusätzliche Förderung des Landes, die bei solchen Projekten normal ist, fiel nach dem Regierungswechsel zu Grün-Rot weg. Nur deshalb wurde dieses Projekt gestoppt.

Aber auch die alte Landesregierung hatte nie einen finalen Förderbescheid gegeben. Es wurde ja auch noch vor dem Regierungswechsel geprüft, ob mehr Bundesmittel fließen können, indem man eine Straßenbahnstrecke am Neckarufer entlang – auf dem Tunnel – baut.

Das stimmt, aber da sind wir jetzt sehr in den Details. Ich hatte damals viele Gespräche, und natürlich ging es darum, so viel Förderung wie möglich zu bekommen. Aber es war schon so, dass erst mit Grün-Rot dann die Förderung durch das Land final wegfiel.

Der Tunnel sollte damals 180 Millionen kosten. Ist jetzt die Zeit für so ein Projekt?

Mich interessiert in erster Linie, welchen Anteil die Stadt übernehmen muss.

Aber nicht nur die Stadt, auch die potenziellen Fördergeber Bund und Land, haben ja momentan eher andere Aufgaben als teure Stadtentwicklungsprojekte ...

Na ja, die Landesregierung baut gerade eine Oper in Stuttgart für eine Milliarde Euro ...

Damals war von 60 Millionen Euro Kostenanteil für die Stadt die Rede.

Genau, über so eine Größenordnung kann man diskutieren. Aber klar ist: Wir starten in Krisenzeiten nicht so ein Projekt. Wir müssen uns jetzt um Ukraine-Geflüchtete kümmern, unseren Stadtwerken helfen und die sozialen Härten durch die hohen Energiekosten abfedern. Das geht erstmal vor.

Also ist der Tunnel ein Wahlkampfschlager und hat keine Priorität für Sie?

Nein. Das ist ein Projekt unter vielen – aber für die Entwicklung der Altstadt und auch für ganz Heidelberg von zentraler Bedeutung. Deshalb will ich Mittel im Doppelhaushalt in zwei Jahren einstellen für einen breiten Prozess der Bürgerbeteiligung. Wir müssen dieses Projekt vorbereiten, denn wir kriegen das nicht binnen eines Jahres in die Prioritätenlisten von Bund und Land.

Gibt es im Jahr 2030, wenn Ihre dritte Amtszeit endet, den Tunnel?

Das ist mein Ziel.

Sie haben im Wahlkampf gesagt, Sie wollen Ihre Anstrengungen für bezahlbaren Wohnraum intensivieren. Wie?

Ich will weiter unseren kommunalen Wohnungsbestand ausbauen: Wir halten jetzt fast 18 Prozent der Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 6,70 Euro. Und natürlich bleibt auch Neubau zentral: Wir haben auf den Konversionsflächen Enormes geleistet – und nach Heilbronn den größten Wohnungszuwachs in Baden-Württemberg. In den nächsten Jahren stehen im Fokus die Entwicklung des Hospital-Geländes, neuer Wohnraum auf dem Boxberg – und Patrick-Henry-Village.

Aber wenn PHV irgendwann entwickelt ist, gibt es keine größeren Flächen mehr.

Genau. Und der Grüngürtel um Heidelberg ist für mich tabu. Wir müssen diese Wachstumsgrenze akzeptieren. Deshalb sollten wir in der Stadt Potenziale heben – durch Beratung und Vermittlung. Ich bin nicht für Nachverdichtung – aber für barrierefreien Umbau, Aufstockung, das Beenden von Leerstand. Wir müssen auch ältere Menschen in großen Häusern dabei unterstützen, altersgerecht zu wohnen und auch ihren Wohnraum zu verändern. Viele wollen das, schaffen es aber nicht alleine. Dafür will ich eine vertrauenswürdige Stelle schaffen, etwa eine städtische Gesellschaft, die hilft.

Nochmal zu PHV: Dort stehen viele Häuser seit dem Abzug der Amerikaner leer, wieso leben dort nicht längst Menschen?

Also drei Viertel der Fläche von PHV sind noch mindestens zehn Jahre durch Betrieb plus Neubau des Landesankunftszentrums für Geflüchtete blockiert.

Aber aktuell belegt das Ankunftszentrum laut Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), der PHV gehört, nur 30 Prozent des gesamten Areals. Wieso können in die vielen anderen Häuser, die leer stehen, nicht Studierende ziehen?

Wir können nicht alle Konversionsflächen – die sind zusammen viermal so groß wie die Altstadt – parallel entwickeln. Überall gleichzeitig Straßen zu bauen und Infrastruktur zu schaffen, das schafft die Verwaltung nicht. Und unsere intensive Bürgerbeteiligung wäre auch nicht möglich.

Bräuchte es für eine Wohnzwischennutzung für Studierende überhaupt eine große Bürgerbeteiligung und eine fertige Infrastruktur?

Es gibt dort zum Teil gar keine Infrastruktur. In den Turnhallen, die wir jetzt nutzen, bricht immer wieder das Stromnetz zusammen. So einfach ist das nicht.

Viele haben den Eindruck, es wird viel beschlossen und geplant, was dann aber lange nicht kommt. Hat Heidelberg unter Ihnen als OB ein Umsetzungsproblem?

Es ist einfach und geht schnell, im Gemeinderat neue Ideen zu setzen. Aber wir müssen das auch im Haushalt abbilden. Beim Amt für Mobilität haben wir das Personal jetzt deutlich aufgestockt. Und für den nächsten Doppelhaushalt schlage ich dem Gemeinderat 20 Prozent mehr Personal vor. Das kann ich übrigens nur, weil wir uns das leisten können. Weil wir uns ökonomisch so hervorragend entwickeln.

Ist das der einzige Grund für die Verzögerungen, das Personal?

Nein. Ein kleines Beispiel: Wir haben die Blumenstraße in der Weststadt umgebaut, sie noch stärker verkehrsberuhigt. Aber nicht jeder Anwohner wurde vorab angeschrieben. Das war ein Fehler – und führte zu viel Ärger. Was ich sagen will: Es erfordert einfach Zeit und viel Kommunikation – selbst bei solchen kleineren Maßnahmen.

Und woran hakt es bei den mindestens vier Schnellbuslinien aus dem Umland, die der Gemeinderat 2019 mit dem Klimaschutzaktionsplan beschlossen hat?

Wir haben viele gute Gespräche geführt, aber der Knackpunkt ist die Kostenbeteiligung. Die Bürgermeister im Umland sagen mir: "Das Auto-Einpendler-Problem hast Du, nicht ich." Deshalb müssen wir das zum größten Teil selbst finanzieren – auch das kommt im nächsten Haushalt vor.

Gadamerplatz, Marlene-Dietrich-Platz, Europaplatz am Bahnhof – warum sind neue Plätze in Heidelberg häufig so betonlastig und so versiegelt?

Diese Plätze sind nicht repräsentativ. Die Südstadt ist eines der grünsten Quartiere, das wir je entwickelt haben. Und auf dem Marlene-Dietrich-Platz werden jetzt noch 18 Bäume gepflanzt. In der Bahnstadt stehen in jeder Straße Bäume, die Innenhöfe sind grün. Aber ja, der Gadamerplatz ist viel zu versiegelt: Da pflanzen wir jetzt nach. Auf den Europaplatz kommen sehr große Bäume – trotz Tiefgarage. Wir werden insgesamt mehr entsiegeln in der ganzen Stadt, etwa auf Schulhöfen oder Parkplätzen. Auch dafür werde ich im Haushalt Geld vorsehen.

Herr Würzner, was unterscheidet Theresia Bauer und Sie am meisten?

Ich bin glaubwürdig, weil ich umsetze, was ich sage. Ich habe gezeigt, dass ich diese Stadt mit ihren komplexen Strukturen erfolgreich führen kann.

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