OB-Wahl Heidelberg

Unerwartete Unterstützung für Bauer durch die "Wechselbürger"

Vier kommunalpolitische Urgesteine unterschiedlicher Couleur gründen ein "Bündnis für den Wechsel". Sie üben deutliche Kritik am Amtsinhaber Eckart Würzner.

15.11.2022 UPDATE: 15.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Zum Teil waren sie Kontrahenten von Bauer, nun halten sie sie für die bessere Alternative: Christoph Nestor, Dorothee Hildebrandt, Annette Trabold und Albertus Bujard (v.l.). Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Sie kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern, doch gemeinsam wollen sie ein Bündnis für den Wechsel – und damit gegen Eckart Würzner – schmieden: Dorothee Hildebrandt, die sich als Vertrauensperson beim Bürgerbegehren gegen die Verlagerung des Ankunftszentrums auf die Wolfsgärten einsetzte, Alt-SPD-Stadtrat und "Bürger für Heidelberg" Albertus Bujard, die ehemalige FDP-Stadträtin Annette Trabold und GAL-Gründer und ehemaliger Organisationsleiter des Heidelberger Mietervereins Christoph Nestor.

"Wechselbürger" nennen sie ihr Bündnis, dem sich nach eigenen Angaben schon zig andere Heidelberger angeschlossen haben, und das nun offen Theresia Bauer (Grüne) vor dem zweiten Wahlgang unterstützt.

Sie sprechen von Klimawende, Wohnwende, Verkehrswende und vom Flächenerhalt. "Die nächsten acht Jahre sind entscheidend, um das Steuer rumzureißen", sagt Nestor im Rahmen eines Gesprächs mit der RNZ. Die Wohnungspolitik des amtierenden OB hält er für "gescheitert". Nur das teure Segment auf dem Markt habe sich hervorragend entwickelt.

Bei der Entwicklung der Konversionsflächen hätte Würzner bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem Finanzministerium darauf drängen müssen, das Areal umsonst zu bekommen, um es für bezahlbaren Wohnraum zu nutzen. Nestor: "Doch er kam nicht einmal auf die Idee." Und Dorothee Hildebrandt fügt hinzu: "Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir nicht nur das 1,5-Grad-Ziel reißen, sondern als Stadt erst im Jahr 2100 klimaneutral."

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Annette Trabold, die als Stadträtin sowohl die Oberbürgermeister Reinhold Zundel als auch Beate Weber und Eckart Würzner miterlebte, bringt das Zeitargument auf. Angesichts der großen Machtfülle des OBs seien nach 16 Jahren "Verkrustungen" sichtbar.

Sie ärgert sich über Entscheidungen aus der Vergangenheit. Das "Alte Hallenbad" nennt sie ein "verschandeltes" Kulturgut, Würzner habe es auch versäumt, einen behutsamen Ausbau der Stadthalle zu planen. "Vier Bürgerentscheide in seinen beiden Amtszeiten sprechen eine klare Sprache", so Trabold.

Ein Perspektivwechsel sei nur mit einer anderen Person an der Stadtspitze möglich. Und dieser sei nötig, um Heidelberg zukunftsfähig zu machen.

Trabold sagt all das, obwohl ihre Partei, die Heidelberger FDP – neben der CDU und den "Heidelbergern" – Würzner unterstützt. Sie denke deshalb aber nicht über einen Parteiaustritt nach. "Das hat damit nichts zu tun." Und Trabold sagt dies auch, obwohl sie für die FDP zweimal als Landtagskandidatin gegen Bauer angetreten war: "Ihre Arbeit in den letzten elf Jahren als Wissenschaftsministerin hat mir aber imponiert."

Hildebrandt sieht unter Würzner viele Fehler bei der Stadtentwicklung, zum Beispiel in der "hochversiegelten Bahnstadt". Die Ochsenkopfwiese und die Wolfsgärten hätten beide durch bürgerschaftliches Engagement gerettet werden müssen. Dass auch die Grünen im Gemeinderat zum Teil für die Verlagerung des Ankunftszentrums auf die Wolfsgärten gestimmt hatten, weiß Hildebrandt.

Doch sie meint: "Eine progressive Mehrheit in Heidelberg geht nur mit den Grünen." Sie habe sich mit Bauer für die Alternative entschieden, die zur Wahl antrete. Ihr traut sie eher zu, dass sie als OB die Naturschutzverbände und die Menschen, die sich humanitär und sozial für Heidelberg einsetzen, anhöre und in Entscheidungen einbinde.

"Ich bin ein eingefleischter Rot-Grüner", sagt auch Bujard: "Rot ist weggefallen, dann braucht es Grün." Nach einer gewissen Zeit müsse es in demokratischen Systemen einen Wechsel geben.

Bujard, der einst Würzner in dessen "Think Tank" beriet, kritisiert, dass sich der Amtsinhaber nun wieder für einen Neckarufertunnel einsetzen will: "Das sind Planungen von vorgestern." Die "Bürger für Heidelberg" hätten schon in der Zeit von Beate Weber gegen dieses Betonprojekt gekämpft. "Wir sollten uns besser dafür einsetzen, den Autoverkehr zu reduzieren."

Einst waren die Grünen und die Grün-Alternative Liste (GAL) aufgrund der Spaltung zerstritten. Warum er nun trotzdem Bauer als eine seiner einstigen Widersacherinnen unterstützt, begründet Nestor so: "Vor 16 Jahren haben die Grünen die OB-Wahl verloren, weil sie heillos zerstritten waren. Doch das interessiert jetzt niemanden mehr. Heute steht mein Groll ganz hinten in der Ecke." Trotz des schlechten Ergebnisses von Bauer im ersten Wahlgang von knapp 29 Prozent ist er überzeugt: "Es gibt eine Mehrheit für den Wechsel."

Die "Wechselbürger" versuchen jetzt ihre Kanäle zu nutzen, um Mitstreiter zu gewinnen. "Wir wollen schauen, dass wir was reißen", sagt Hildebrandt. Eine Unterstützeranzeige in der RNZ sei geplant. Und am Dienstag geht die Homepage www.wechselbuergerinnen.de online.

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