Kloster Stift Neuburg

Wirtschaftsbetrieb hat sich Klosterbetrieb unterzuordnen

Stiftsbewohner sind jetzt für Landwirtschaft verantwortlich - Kloster und Gemeinschaft sollen im Mittelpunkt stehen

08.05.2018 UPDATE: 09.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Aus der Ferne ist das Stift Neuburg eine Idylle. Doch große Teile des Areals, vor allem im Klosterhof, gelten als sanierungsreif. Foto: Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Seit gut einer Woche haben die Mönche die Landwirtschaft im Stift Neuburg zurück. Nun planen sie für den Wirtschaftsbetrieb, aber auch für das Kloster einen kompletten Neuanfang. Die RNZ sprach mit Abt Winfried, den beiden Leitern des Wirtschaftsbetriebs, Claudia Rhein und Mathias B., sowie Bauer Karlheinz Rehm, der beim Aufbau des neuen Biobetriebs hilft.

Wie ist die Lage? Ställe und Häuser sind komplett geräumt, es gibt keine Tiere der vorherigen Pächter mehr. Das gesamte Areal, aber auch die umliegenden Streuobstwiesen, wirken völlig verwahrlost. Von der einst so berühmten Efeuzucht ist nichts mehr übrig, die Scheiben des Frühbeetes sind zum großen Teil zerschlagen. Komplett leer auch die große, ortsbildprägende Scheune, in der bisher die Rinder standen. Bisher stemmen B. und Rhein den Wirtschaftsbetrieb weitgehend allein, die elf Mönche gehen ihnen durchaus zur Hand, allerdings liegt deren Altersdurchschnitt bei 73 Jahren. Als einziges geöffnet haben die Brauerei und das Lokal.

Was ist der Plan? Abt Winfried geht es vor allem um den Erhalt des Klosters - und dem hat sich auch der Wirtschaftsbetrieb unterzuordnen. Und "Erhalt" heißt zunächst einmal: mehr und vielleicht auch jüngere Mönche. Die sollen, so verlangt es die Benediktinerregel, nicht nur beten, sondern auch im Kloster arbeiten. In der Landwirtschaft der bisherigen Pächter waren keine Mönche mehr tätig. Zu dieser Neuausrichtung gehört auch, sich gerade Wissenschaftlern zu öffnen, die spirituell auf der Suche sind. Daher ist geplant, im Stift Wohnmöglichkeiten anzubieten, damit auch Externe an der klösterlichen Gemeinschaft Anteil haben können. Kurz: Das Kloster soll attraktiver und offener werden. Dazu müssen aber auch die Einzelzimmer in absehbarer Weise saniert werden, denn eine Dusche auf dem Gang ist für viele Gäste heute unzumutbar. Die dazu notwendigen Gelder sollen vom Wirtschaftsbetrieb - Landwirtschaft, Hofladen und Gastronomie - erwirtschaftet werden: "Wir sind kein Bettelorden und bekommen auch keine Kirchensteuer", sagt Abt Winfried.

Wie geht es mit der Landwirtschaft weiter? Sie soll wiederbelebt (oder besser: völlig neu gestartet) werden - als "Bioland"-Betrieb, die vorherigen Pächter hatten ein "Biokreis"-Siegel. Schwerpunkt soll die Zucht von aussterbenden Haustierrassen sein: Momentan gibt es nur acht Waldschafe vom Donnersberg, bald aber sollen Hühner und Thüringer-Wald-Ziegen folgen. Eier und selbstgemachten Käse soll es dann im Hofladen zu kaufen geben - schließlich war Rhein eine Bioland-Bäuerin, ihr Käse wurde mehrfach ausgezeichnet. Eine Rinderzucht wird es nicht mehr geben. Dafür sollen Esel und Pferde folgen, die sich bei der Beweidung mit den Ziegen ablösen. Auch die Forellenzucht soll B. zufolge "von der Larve an" wieder reaktiviert werden. Mittlerweile sind alle drei Teiche verlandet, sie sollen aber bald saniert und mit Wasser gefüllt werden. Auch wenn unlängst den Imkern gekündigt wurde: Es gibt wieder fünf neue Bienenvölker am Stift.

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Hintergrund

> Das Stift Neuburg wurde um 1130 als Benediktinerkloster gegründet - was es heute auch wieder ist. Der älteste Gebäudeteil ist die Johanneskapelle, die wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt. In einem der alten Buntglasfenster ist der Patron des Klosters,

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> Das Stift Neuburg wurde um 1130 als Benediktinerkloster gegründet - was es heute auch wieder ist. Der älteste Gebäudeteil ist die Johanneskapelle, die wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt. In einem der alten Buntglasfenster ist der Patron des Klosters, der Heilige Bartholomäus, abgebildet. Große Teile des Klosters stammen, trotz der historischen Anmutung, aus den sechziger Jahren, besonders sehenswert sind die Mosaike des Künstlers Emil Wachter, des "deutschen Chagall".

Der erste große Bruch in der Klostergeschichte kam mit der Reformation, 1562 wurde die Abtei erstmals aufgelöst (und zu einem Stift für adelige Fräulein umgewandelt), 1773 zum zweiten Mal. 1825 erwarb der Schriftsteller Johann "Fritz" Schlosser das Areal als Privatbesitz und machte es zu einem Zentrum der Heidelberger Romantik. Auch die Nachfahren Schlossers, die Familie Bernus, sorgten dafür, dass Künstler und Schriftsteller - darunter Hermann Hesse und Rainer Maria Rilke - sich hier im Salon trafen. 1926 wurde das Stift wieder an die Benediktiner, an die Erzabtei Beuron, verkauft. Seitdem gab es fünf Äbte, seit 2016 amtiert der 53-jährige Winfried Schwab. (hö)

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Wird es wieder einen Hofladen geben? Davon gehen Abt Winfried und seine Mitstreiter aus - aber das wird dauern: "Wir wollen hier ja zunächst unsere eigenen Produkte verkaufen - und nicht so sehr Fremdes", sagt Mathias B.. Insofern wird es noch eine Weile dauern, bis es die ersten Produkte - Eier, Milch oder Fleisch - gibt. Dazu kommen Devotionalien für die Gläubigen. Auch das berühmte Efeu soll es wieder geben - aber auch hier muss die Zucht komplett neu aufgebaut werden.

Was wird aus dem Adventsmarkt? Auch den soll es wieder geben - am liebsten, ginge es nach Braun, auf der Terrasse mit Blick auf den Neckar.

Wie geht es mit der Gastronomie weiter? Noch betreiben die alten Pächter das Lokal, wahrscheinlich wird es erst im nächsten Jahr an die Mönche übergeben. Geplant ist hier eine regionale Küche mit hoher Qualität - und natürlich stehen irgendwann wieder eigene Forellen auf der Karte.

Was wird aus der Brauerei? Sie ist von den Querelen nicht betroffen gewesen. Sie wird also weiter existieren.

Wie geht es mit den Gebäuden weiter? Gerade macht ein Architekt einen Gesamtplan für alle Liegenschaften auf dem Klosterareal. Etliche Gebäude gelten als abrissreif - vor allem das völlig marode ehemalige Kinderheim. Möglicherweise könnte die große Scheune - Ställe werden nicht mehr gebraucht, die Tiere bekommen Schutzhütten auf der Weide - zu einem Ausstellungsraum umgebaut werden. Denn langfristig soll das Stift zu einem geistlich-künstlerischen Zentrum werden.

Wie sieht das Kloster in fünf Jahren aus? "Das wird ein Ort der Ruhe und Schönheit", sagt Rhein. "Wir wollen als Kloster lebensfähig sein", sagt Abt Winfried. "Wir haben jetzt die einzigartige Möglichkeit, etwas ganz neu zu entwickeln."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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