Polizei stellte Attacke auf Joggerin nach (plus Video und Fotogalerie)
Ermittler hoffen auf neue Erkenntnisse durch Rekonstruktion am Tatort - 107 Hinweise in vier Wochen - Aber vom Täter fehlt jede Spur

Eine Polizistin "spielte" bei der Tatortrekonstruktion am Neckarkanal in Handschuhsheim gestern die 47-jährige Joggerin, die dort am 7. März von einem Unbekannten attackiert wurde. Der Täter hatte ihr mehrfach mit einem Stein auf den Kopf geschlagen - dann flüchtete er. Foto: Alex
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Die Angst hat sich gelegt, am Leinpfad war am gestrigen Freitagmorgen wieder fast alles wie immer. Gut vier Wochen nach dem brutalen Angriff auf eine Joggerin liefen und spazierten zahlreiche Menschen den Weg am Neckarkanal in Handschuhsheim entlang - auch viele Frauen. In den Tagen unmittelbar nach der Tat war das noch anders gewesen: Da blieb die beliebte Joggingstrecke teilweise stundenlang verwaist.
Doch am Freitagmorgen mussten die zurückgekehrten Sportler einen Umweg nehmen. Polizeiabsperrungen blockierten den Weg. Denn ein Team von zwölf Ermittlern und Kriminaltechnikern stellte das Verbrechen vom 7. März direkt am Tatort nach - und erhofft sich dadurch neue Erkenntnisse. "Zwar sind inzwischen 107 Hinweise bei uns eingegangen", sagte Polizeisprecher Christoph Kunkel vor der sogenannten Tatortrekonstruktion am Leinpfad, "aber eine heiße Spur zum Täter war noch nicht dabei."
Die hinterlistige Attacke auf die 47-Jährige hatte vor einem Monat viele schockiert. An einem sonnigen Mittwoch gegen 12.40 Uhr hatte ein unbekannter Mann in Höhe einer Hundeschule auf dem Leinpfad der Joggerin mit einem Stein mehrfach auf den Kopf geschlagen. Offenbar ließ er nur deshalb von der Frau ab und flüchtete, weil sie sich massiv wehrte und um Hilfe schrie. Passanten brachten das Opfer mit Kopfverletzungen in eine Klinik. "Inzwischen sind ihre körperlichen Wunden weitgehend geheilt", sagte Polizeisprecher Kunkel. Die Frau war gestern nicht anwesend.
Bei der Tatortrekonstruktion schlüpften ein Polizist und eine Polizistin in die Rolle von Täter und Opfer - und stellten verschiedene mögliche Versionen des Geschehens nach. "Das ist ein gängiges Vorgehen bei schweren Gewaltverbrechen", erklärte Kunkel. "Für uns ist das so eine Art ,Kopie der Realität plus’." Das sei einfach etwas anderes, als wenn man die Szene im Büro am Reißbrett aufzeichnen würde. "Die Tatortrekonstruktion wird dabei auch aus mehreren Perspektiven gefilmt." Diese Aufnahmen könnten später vor Gericht verwendet werden.
Auch interessant
Doch verfolgt die Polizei mit der Aktion am Neckarkanal noch ein anderes Ziel: "Wir wollen die Öffentlichkeit noch einmal auf den Fall hinweisen", so Kunkel. Zwar meldeten sich viele Menschen, nachdem die Polizei in der Zeitung, auf Plakaten und auf Flyern ein Phantombild des Täters veröffentlicht hatte. Doch da diese Hinweise keinen Durchbruch bei den Ermittlungen brachten, will die Polizei das Thema nun mit dieser Vor-Ort-Aktion in den Medien halten. Die Rekonstruktion der eigentlichen Tat selbst durften die Journalisten allerdings nicht mit ansehen - oder gar fotografieren. Kunkel erklärte dazu: "Dabei wird auch Täterwissen preisgegeben - und das sollte nicht in der Öffentlichkeit kursieren." Die Hoffnung der Polizisten ist, dass doch noch jemand einen entscheidenden Tipp geben kann. "Es ist durchaus möglich, dass sich der Täter auch Wochen später noch seltsam verhält", so Kunkel. Die Joggerin beschrieb einen 25 bis 30 Jahre alten, hellhäutigen, schlanken Mann.
Die Kriminalpolizei ermittelt wegen versuchten Mordes. "Der Täter hat sich der arglosen Joggerin von hinten genähert und ihr unvermittelt mit dem Stein auf den Kopf geschlagen", so Kunkel. Durch dieses Vorgehen könnte das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sein. Täter und Opfer kannten sich nicht. Die Joggerin hatte den Mann bereits gesehen, bevor sie angegriffen wurde: 300 Meter vorher hatte sie ihn überholt, während dieser sich an einer Parkbank dehnte. Als er sie dann angriff, sie zu Boden ging und sich wehrte, erkannte sie, dass es sich um den Mann handelte, den sie zuvor gesehen hatte.
Zum Motiv des Täters können auch die Ermittler nur spekulieren. Ob er die Frau töten wollte oder etwa eine Vergewaltigung plante, ist unklar. "Es gab keinerlei verbale Kommunikation zwischen Täter und Opfer", so Kunkel, "das macht es so schwierig, die Intention des Unbekannten zu erklären. Auch wenn der Täter noch frei herumläuft: "Angst haben muss beim Joggen keiner", sagt Kunkel. Er rate aber schon dazu, aufmerksam unterwegs zu sein.
Info: Hinweise an die Polizei unter Telefon 0621 / 174.4444. Ein Video sowie Fotos von der Polizeiaktion am Tatort gibt es unter www.rnz.de/leinpfad.