Lärm in Heidelbergs Altstadt: Mit "Linda" wird das Anzeigen leicht gemacht

Altstadt-Initiative entwarf Vordrucke für lärmgeplagte Bürger - Soll die Zahl der Beschwerden bei Ämtern und Polizei erhöht werden?

26.10.2015 UPDATE: 27.10.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden

Probates Mittel gegen Ruhestörer in der Altstadt: Fahnen mit Imperativen aufhängen. Die Bürgerinitiative "Linda" hat jetzt eine neue Idee - und verteilt Vordrucke, die Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen ganz leicht machen sollen. Archiv-Foto: Hoppe

Von Anica Edinger

Im Kampf gegen den Lärm in der Altstadt greift die Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) jetzt zu außergewöhnlichen Mitteln: Im September wurden in der Kernaltstadt Vordrucke für Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen an alle Haushalte verteilt. Praktischerweise kann man das von Linda entworfene Formular auch im Internet herunterladen - so soll den lärmgeplagten Bürgern das Anzeigen ganz leicht gemacht werden. Einfach Tatort, Tatzeit, Sachverhalt und Datum in die entsprechenden Lücken eintragen, ans Bürgeramt schicken - und nachrichtlich gleich noch ans Rechtsamt, an das Polizeirevier Mitte und an das Dezernat 4 von Bürgermeister Wolfgang Erichson - und fertig ist die perfekte Anzeige. Ganz wichtig ist laut Linda-Formular dabei, "eine Zuordnung zu einer Gaststätte/Veranstaltungsort vorzunehmen". Und eine Formulierungshilfe gibt es gleich noch dazu: "Störer kamen aus der Gaststätte x oder gingen hinein", heißt es auf dem Vordruck.

Auch beim Branchentreffen für das lokale Hotel- und Gaststättengewerbe der städtischen Wirtschaftsförderung kam das Thema Linda-Vordrucke zur Sprache. Für Melanie von Görtz, Dehoga-Geschäftsführerin in Heidelberg, ist die Sache eindeutig: "Diese Vordrucke werden verteilt, um die Beschwerdedichte zu fördern." Schließlich werden bald die Folgen der Aufhebung der Sperrzeiten in der Altstadt erhoben.

Das Bürgeramt unter Leitung von Bernd Köster ist gerade dabei, alle Beschwerden auszuwerten, um im kommenden Jahr im Gemeinderat eine Zahl präsentieren zu können. Klar ist für Köster allerdings schon heute: "Gegenüber vergangenem Jahr haben die Beschwerden zugenommen." Einen kausalen Zusammenhang zu den Linda-Vordrucken sieht Köster zwar noch nicht. Er weiß aber, was den Mitgliedern der Bürgerinitiative besonders am Herzen liegt: "Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen sind ihnen wichtig, wenn es konkrete Verstöße von Kneipen gegen Betreiberpflichten gibt. Etwa, wenn eine Kneipe ihre Fenster öffnet, obwohl in der Konzession steht, dass sie geschlossen bleiben müssen."

Bei solchen Verstößen kann die Anzeige dann tatsächlich auch ans Rechtsamt weitergeleitet werden. Im Fall der Fälle wird dann ein Bußgeld fällig oder es wird eine Verwarnung ausgesprochen. Anders verhält sich das mit Anzeigen, die so aussehen: "Betrunkene sitzen grölend am Marktplatz und wecken die Familie auf." Dieses Schreiben erreichte im Wortlaut erst gestern Morgen Christian Zacherle, Leiter des Polizeireviers Mitte.

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Anfangen kann Zacherle damit nichts. Denn es werde nicht möglich sein, diese Personen zu ermitteln. Rein juristisch, erklärt er, gebe es keine "Ordnungswidrigkeiten gegen unbekannt". Zacherle meint: "Sinn und Zweck dieser Geschichte ist, dass alle Beschwerden statistisch erfasst werden. Linda weiß schließlich, dass bald evaluiert wird."

Doch selbst dann gilt: Die Zahlen, die im nächsten Jahr in den Gremien präsentiert werden, werden mit Vorsicht zu genießen sein. Denn da auf dem Linda-Vordruck ausdrücklich empfohlen wird, die Ordnungswidrigkeiten-Anzeige an insgesamt vier Stellen zu senden, "wird eine einzige Ruhestörung im ungünstigsten Fall vier Mal erfasst". Deshalb haben die betroffenen Behörden jetzt reagiert - und beschlossen, dass allein das Bürgeramt für die Beschwerdestatistik verantwortlich ist.

Martin Kölle, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, will auf RNZ-Anfrage zwar nicht bestätigen, dass die Intention der Vordrucke war, die Statistik nach oben zu treiben, aber: "Der Zusammenhang ist der, dass sich der Lärm seit der Veränderung der Sperrzeit in die frühen Morgenstunden verlagert hat. Das Argument der Entzerrung trifft nicht zu", sagt Kölle.

Schlimm seien vor allem Gruppen, die vor Discos stünden und nicht hinein gelassen würden - und die dann "lärmen", so Kölle. Auch für diese hätten die Kneipiers eine Verantwortung. In diesem Fall raten übrigens Köster wie auch Zacherle allen Altstadt-Bewohnern: zum Telefon greifen. Dann können Polizei oder Kommunaler Ordnungsdienst direkt an den Ort des Geschehens kommen, Ruhestörer identifizieren - "und eventuell Platzverweise aussprechen", so Zacherle.

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