Also doch: Heidelberg will das Alkoholverbot

Anwohner kritisieren, dass sich die Stadt nicht offensiv genug für ein solches Verbot einsetzt. Dabei gelten laut einem Polizei-Bericht Teile der Altstadt als Brennpunkt

26.03.2012 UPDATE: 26.03.2012 09:21 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden
Von Micha Hörnle

Wie sich die Wochenenden - vor allem bei milder Witterung - in Heidelberg gleichen: Die Altstadt übervoll, der Alkohol fließt in Strömen - und es kommt immer wieder zu größeren Prügeleien, fast alle Beteiligten sind betrunken. Möglicherweise genügend Gründe für ein Alkoholverbot auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Befürwortet die Stadt ein solches Verbot? Schließlich steht die Aussage von Bürgermeister Wolfgang Erichson (Grüne) im Raum, der ein solches Vorgehen eher skeptisch sieht. Der RNZ sagte er vor einem Vierteljahr: "Ich habe nichts gegen ein solches Verbot, wenn es hilft. Aber ich verspreche mir mehr vom ,Heidelberger Weg'." Der "Heidelberger Weg" ist der relativ erfolgreiche Versuch, die Wirte stärker in die Pflicht zu nehmen, um "Lärm, Dreck und Randale" in der Altstadt einzudämmen. Das habe die Situation doch merklich entspannt. Doch mittlerweile preschen immer mal wieder die Oberbürgermeister von Freiburg und Tübingen vor und machen sich für ein Alkoholverbot stark, sogar aus dem Heidelberger Umland, wie Sandhausen, gibt es ähnliche Forderungen. Nur aus Heidelberg hörte man dazu nicht viel.

Mittlerweile fragt sich auch die Altstadtbewohnerinitiative "Linda" ("Leben in der Altstadt"), ob Heidelberg ein solches Verbot wirklich will und alles unternommen hat, um in einen Bericht aufgenommen zu werden, der als eine der wichtigsten Grundlagen für ein gesetzliches Alkoholverbot an sogenannten Brennpunkten gilt. Diesen Bericht hat die Polizeidirektion Freiburg bereits 2010 erstellt, sie hatte alle Polizeidirektionen in Baden-Württemberg angeschrieben: Sie sollten ihre Brennpunkte melden. 30 Kommunen meldeten dann 53 Orte. Und Heidelberg, so meint "Linda", tauche da nirgendwo auf. Haben also Stadtverwaltung und Polizeidirektion (PD) Heidelberg geschlafen oder forcieren sie dieses Alkoholverbot nicht mehr?

Stadt und Polizei wehren sich vehement: "Die PD Heidelberg befürwortet seit langen Jahren die Aufnahme von Regelungen ins Polizeigesetz Baden-Württemberg, die es den Städten und Gemeinden ermöglichen, Alkoholverbote für bestimmte Brennpunkte auszusprechen", sagt PD-Chef Bernd Fuchs. Und vonseiten der Stadt heißt es: "Die Stadt Heidelberg begrüßt es, wenn den Kommunen durch eine Änderung des Polizeigesetzes die rechtliche Möglichkeit gegeben wird, an öffentlichen Plätzen ein Alkoholverbot auszusprechen." OB Eckart Würzner habe sich Ende Juli 2011 "an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewandt und darum gebeten, mit den Städten in Dialog zu treten, da eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Polizeigesetz dringend benötigt wird". Also, der Wille ist da.

Eine andere Frage ist, ob und in welcher Form Heidelberg im Bericht der Polizeidirektion Freiburg auftaucht. "Linda" ärgert sich darüber, dass nirgendwo von Heidelberg die Rede ist - und dass die Stadtverwaltung Heidelberg offenbar keine Daten zu Brennpunkten nach Freiburg geliefert hat. Tatsächlich ist es so, dass Heidelberg, wenn auch verklausuliert, in diesem wichtigen Bericht auftaucht, allerdings unter den gesammelten Daten der "Landespolizeidirektion Karlsruhe", zu der Heidelberg gehört. Das bestätigt auch Reinhard Eble von der PD Freiburg, der die ganzen Daten zusammengetragen hat: "Ich wundere mich über die Frage, wieso Heidelberg nicht im Bericht aufgeführt sein soll. Natürlich ist die Stadt drin und gilt als Brennpunkt." Die Heidelberger Polizei lieferte Zahlen zur Altstadt und zur Neckarwiese, brauchte aber dafür keine städtische Hilfe, "da die aus Heidelberg einzubringenden Daten in einem für den Untersuchungszweck ausreichenden Maß bei der Polizei selbst vorhanden waren."

Allerdings gibt es da einen Haken: Ein Brennpunkt muss klar definiert sein. Deswegen errechnete Ebel die sogenannte relative Belastung, also sozusagen Personen und Delikte pro Quadratmeter. Die schiere Zahl von Delikten sei dabei "nicht ausschlaggebend". Ein Brennpunkt wäre demnach für Ebel eine größere Menschenmasse (mindestens 50, besser noch 100 Leute), die es für die Polizei besonders unübersichtlich macht; und hier müssten mindestens 50 Straftaten oder 50 Ordnungswidrigkeiten begangen werden, wobei die Kriminalität viel stärker gewichtet wird als reine Regelverstöße (wie Grölen oder wildes Pinkeln). Als Ebel diese Messlatte bei den 53 gemeldeten Brennpunkten anlegte, blieben am Ende nur zwölf "Richtige" übrig. Nur: In Heidelberg machen den Altstädtern aber eher die nervigen Ordnungswidrigkeiten zu schaffen als die "schlimmen" Delikte wie Körperverletzungen. Heißt das nun, dass Heidelberg kein Brennpunkt sein soll, nur weil hier mehr gegrölt als geprügelt wird? Nein, sagt Ebel, man müsse die Brennpunkte nur klarer definieren, die gesamte Altstadt sei einfach zu groß - oder vielmehr: Hier ist die relative Kriminalitätsbelastung zu gering. Würde man beispielsweise nur die Untere Straße oder die Hauptstraße samt Bismarckplatz erfassen, dann spräche viel dafür, dass hier ein Brennpunkt vorliegt und ein Alkoholverbot angemessen wäre.

Der Stadt ist das allerdings noch nicht genug: Sie will erreichen, so sagt eine Sprecherin, "dass die Möglichkeit für ein zeitlich und örtlich begrenztes Alkoholverbot nicht nur bei Straftaten, sondern auch bei Ordnungsstörungen geschaffen wird". So schnell wird es aber nichts mit dem Verbot. Das dafür nötige Gesetz soll nach Angaben von Innenminister Reinhold Gall (SPD) erst im November vom Landtag verabschiedet werden. Vorher befinden aber noch Parteitage von SPD und Grünen darüber, weil es gerade in ihren Jugendorganisationen dagegen erheblichen Widerstand gibt.

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