Altstadtlärm: Die "harte Linie" greift langsam
Informationsabend: Der Stadt machen jetzt nicht mehr so sehr die Wirte Sorgen, sondern die lauten und trinkenden Massen
Ist die Situation in der Altstadt besser geworden oder nicht? Unlängst erst meinte die Anwohnerinitiative Linda, dass kaum etwas besser geworden sei. Doch nun präsentierten Stadt und Polizei bei einer Informationsveranstaltung im Rathaus Zahlen, die auch Linda nicht unbeeindruckt ließen. Vor allem der Leiter des Polizeireviers Mitte, Christian Zacherle, verwies auf deutlich weniger Anzeigen.
Ja, gegen den Lärm, der von Gaststätten ausgeht, kann man etwas machen, hier geben die gesetzlichen Grundlagen viel her, erklärt Bürgeramtsleiter Bernd Köster. Und das meiste wurde bisher auch umgesetzt: Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) kontrolliert mittlerweile rigide die Sperrzeiten und misst regelmäßig den Lärm, vor allem den der Musikanlagen. Außerdem müssen die Kneipen mittlerweile, wenn sie eine neue Konzession beantragen, ein detailliertes Lärmgutachten samt Musikkonzept beifügen. Die harte Linie, die die Stadt seit gut zwei Jahren verfolgt, zeigt ihre Wirkung: "Die Wirte halten sich weitgehend an die Auflagen, viele setzen zudem Ordnungspersonal ein", lobt Köster, worin ihn auch Zacherle bestätigte.
Köster macht allerdings etwas ganz anderes Sorgen, gegen das kaum ein Kraut gewachsen scheint: Es sind die ganz normalen Geräusche - und nicht notwendigerweise nur das Geschrei -, wenn Tausende Leute in der Altstadt sind. Und wenn dann auch noch Alkohol getrunken wird, steigt der Lärmpegel. Natürlich wird das nächtliche Alkoholverkaufsverbot kontrolliert und eingehalten, aber es gibt noch Graubereiche und Schlupflöcher, wie beispielsweise den "Gassenschank", also wenn ein Gastwirt das Bier zum Mitnehmen verkauft. Großes, ungelöstes Problem ist ein etwaiges Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, wie es gerade die Landespolitik diskutiert (siehe auch die Stellungnahme der Jusos rechts unten). Möglicherweise müsse man nun unkonventionelle Wege gehen, meint Köster: Vielleicht helfe es, wenn die Gäste draußen länger sitzen bleiben könnten, denn dann sei die soziale Kontrolle größer. Oder vielleicht würde sich die Masse der nächtlichen Heimkehrer entzerren, wenn es differenzierte Sperrzeiten für Kneipen/Discos und ein ausgeklügeltes Angebot an Bussen und Bahnen gebe.
Linda goss Wasser in den Wein der Statistiken: "Die Zahlen sehen ja so aus, als herrsche in der Altstadt Totenstille", sagt Karin Werner-Jensen, die die sinkenden Anzeigenziffern eher auf den kühlen Sommer zurückführte. Allerdings konstatiert sie auch: "Wir sind auf dem Weg, aber längst noch nicht am Ziel." Ihr Mitstreiter Franz Dänekamp sieht weiter "ein Vollzugs-, Regelungs- und Planungsdefizit", vor allem die Sperrzeiten gehörten verlängert. Ganz anders Melanie von Görtz vom Hotel- und Gaststättenverband: Die Sperrzeiten sollten eher verkürzt werden, im Übrigen "nehmen die Wirte ihre Verantwortung ernst", fühlten sich aber mittlerweile "wie unter Kreuzfeuer". Pascal Baumgärtner von der Feiernden-Initiative Heiko will das gesellschaftliche Problem des Nachtsaufens nicht mit Repression, sondern mit direkter Ansprache angehen. In ähnliche Richtung weist ein Vorschlag der Bürgerstiftung: Geschulte Jugendliche könnten nachts auf ihre trinkenden Alterskameraden einwirken.
Bürgermeister Wolfgang Erichson gab diese Linie vor: Die derzeitigen Regelungen und Kontrollen werden beibehalten; mit der RNV wird über ein Alkoholverbot im Nahverkehr und eine Neukonzeption der Moonliner geredet; der KOD soll von sechs auf acht Leute verstärkt werden; und schließlich soll es möglichst viele Möglichkeiten geben, die Nachtschwärmer auf die letzten Busse hinzuweisen - vielleicht sogar mit Monitoren in den Kneipen.



