Miete kürzen wegen des Lärms?

Heidelberger Altstadtbewohner wehrt sich vor Gericht gegen einen höheren Preis für seine Wohnung nahe der Unteren Straße. Droht ein Präzedenzfall?

19.01.2012 UPDATE: 19.01.2012 06:41 Uhr 2 Minuten, 1 Sekunde
Von Micha Hörnle

Wenn der junge Heidelberger Anwalt Uwe Lipinski damit durchkommt, könnte das Folgen für viele Mieter in der Altstadt haben - meint der 33-Jährige. Denn er will vor Gericht durchsetzen, dass sein Mandant eine höhere Miete für eine Altstadtwohnung um zehn Prozent nicht hinnehmen muss, weil es nachts so laut ist und er nicht gut schlafen kann.

Der Fall liegt so: Ein Mann wohnt seit über 25 Jahren in einer Wohnung, die direkt an der Feiermeile Untere Straße liegt. "Zur Zeit des Einzugs war die Altstadt noch ein Stadtteil, in dem man nachts gut schlafen konnte", meint Lipinski, doch in den letzten Jahren wurde es eben deutlich lauter. Und als dann sein Vermieter, die städtische Wohnungsgesellschaft GGH, die Miete anhob, platzte dem Mieter der Kragen. Es geht um 92 Euro mehr für eine 97-Quadratmeter-Wohnung, die der Mann wegen des Lärms nicht zahlen will. Eigentlich müsste ein andauernd hoher Lärmpegel ein genereller Mietminderungsgrund sein, wie er eigentlich im Heidelberger Mietspiegel aufgeführt sein sollte, findet Lipinski.

Bisher ist Kneipen- und Passantenlärm als Grund für Abschläge von der Mietspiegel-Basismiete nicht vorgesehen, eher Verkehrslärm. So liegt beispielsweise der östliche, altstadtnahe Teil der noch relativ ruhigen Vangerowstraße in Bergheim in einer teueren Wohnungszone als der weiter westliche verkehrsumtoste Autobahnzubringer gleichen Namens.

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In seiner Klage stützt sich Lipinski auf das Gutachten einer Sachverständigen, die vom Gericht bestellt wurde: Sie ermittelte auf 20 Seiten eine dauerhafte Lärmbelästigung und hielt einen Abschlag von zehn Prozent von der ortsüblichen Vergleichsmiete für angemessen, wie Lipinski sagt. Für ihn wäre es "ein Fortschritt für die ganze Altstadt, wenn das Gericht diese Ansicht billigen würde". Nur: Der Richter ist momentan krank, ein Urteil daher nicht abzusehen.

Doch: Der Mieter, wie die GGH bestätigt, wohnt sehr billig. Einst zahlte er pro Monat 459 Euro (4,73 Euro kalt pro Quadratmeter), dann wurde ihm die Miete um 20 Prozent erhöht (auf dann 551 Euro kalt oder 5,68 pro Quadratmeter). Die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel läge bei 728,50 Euro (7,51 Euro kalt pro Quadratmeter). Selbst wenn das Gericht einen Abschlag von zehn Prozent zubilligen würde, müsste der Mann laut Mietspiegel 656 Euro (6,76 pro Quadratmeter) zahlen. Darum ist es unwahrscheinlich, dass das Gericht dem Abschlag zustimmt.

Möglicherweise größere Folgen hätte zweierlei: Nicht jede Wohnung in der Altstadt ist so billig. Wenn Vermieter, die einen Quadratmeterpreis nehmen, der sich ohnehin schon am oberen Ende des vom Mietspiegel tolerierten Levels orientiert, dann auch noch die Miete erhöhen wollen, könnten sie Probleme mit Mietern bekommen, die das nicht einsehen. Möglicherweise wird sogar irgendwann einmal andauernd hoher Lärm durch Kneipen und Passanten generell als "abschlagswürdig" in den Mietspiegel aufgenommen. Und darauf kann man bei Neuvermietungen pochen. Hier hätte dann womöglich Anwalt Lipinski einen Präzedenzfall geschaffen.

Schwieriger dürfte es allerdings sein, bei existierenden Mietverhältnissen eine Minderung geltend zu machen, also die Miete pauschal wegen des Lärms um zehn Prozent zu kürzen. Denn dann müsste man eventuell beweisen, dass die Altstadt sich von einer einst ruhigen Wohnlage plötzlich in eine lärmgeplagte Gegend verwandelt hat.

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