"So lange die Kneipen geöffnet haben, ist in der Altstadt immer Lärm"

Viele reden über Dreck und Randale, doch das Ehepaar Jansen kämpft ganz allein um die Nachtruhe

03.12.2014 UPDATE: 03.12.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Götz Jansen hat keine Lust mehr auf einen neuen Rechtsstreit: 'Wenn das nur für uns zwei sein soll, macht das keinen Sinn.' Foto: Hentschel
Von Holger Buchwald

Seit Jahren kämpfen Sabine und Götz Jansen aus der Kettengasse für ihre Nachtruhe. Ihre privaten Lärmmessungen belegen, dass die Richtwerte der Technischen Anleitung Lärm (TA Lärm) auch am frühen Morgen noch deutlich überschritten werden. Götz Jansen (75) erklärt im RNZ-Interview, warum er seit fünfeinhalb Jahren gegen die Stadt einen Rechtsstreit führt.

Man könnte Sie fast beglückwünschen. Sie haben die Stadt in die Knie gezwungen und diese muss nun die Sperrzeitverordnung für die Altstadt auf der Basis eines von Ihnen gerichtlich erstrittenen Lärmgutachtens neu regeln.

Für uns war von Anfang an klar, dass es eine neue Sperrzeitverordnung geben muss, weil die Stadt mit der alten Regelung gegen die bestehenden Richtwerte der TA Lärm verstößt. Das Glück und der Erfolg waren insofern auf unserer Seite, dass dies vom Verwaltungsgerichtshof so bestätigt wurde. Das heißt, wenn die Stadt eine Sperrzeitverordnung erlässt, darf sie dies nicht willkürlich tun, sondern nur auf der Grundlage bestehender Gesetze.

Trotzdem geht der Schuss für Sie nun nach hinten los. Der Gemeinderat will die Sperrzeitverordnung nämlich ganz abschaffen.

Auch wenn dies so kommen sollte, haben wir trotzdem erreicht, dass sich alle Beteiligten - die Gastronomen, die Anwohner, die Stadt und die Polizei - über die TA Lärm Gedanken machen. Das bleibt, egal wie der Gemeinderat letztendlich entscheidet. Außerdem glaube ich nicht, dass die gänzliche Abschaffung der Sperrzeitverordnung vor Gericht Bestand haben wird.

Wenn die Kneipen länger öffnen dürfen, wird auch das Lärmproblem entzerrt, weil nicht alle Gäste pünktlich um 2 Uhr auf die Straße gehen, so lautet eines der Argumente für eine Sperrzeitverkürzung. Glauben Sie daran?

Nein. Bei dieser Sichtweise kann ich nur die Hände vors Gesicht schlagen, denn sie widerspricht unseren Erfahrungen. Für die Lärmproblematik ist es egal, ob sich ungehobelte, in die Ecke kotzende Altstadtbesucher oder zivilisierte Gäste vor unserem Schlafzimmerfenster lautstark unterhalten. Es ist die Anzahl der Leute, die den Lärmpegel steigen lässt. Und so lange die Kneipen geöffnet haben, ist in der Altstadt immer Bewegung und immer Lärm.

Beschreiben Sie doch einmal, wie es Ihnen nachts ergeht.

Wir haben unser Schlafzimmer zur Kettengasse raus. Nachts, um 1 Uhr, wenn wir gerade eingeschlafen sind, ruft auf einmal jemand längs der Straße laut "Hallo". Ein anderes Mal ist es eine Rangelei. So etwas kommt wie aus dem Nichts, auf einmal bricht das Chaos los. Es reichen doch zwei Leute, um einen aus dem Schlaf zu reißen. Es ist nicht vorhersehbar, wann das geschieht. Klar ist aber, dass es sehr wohl etwas mit den Kneipenöffnungszeiten zu tun hat. Denn in der Nacht von Sonntag auf Montag, wenn die Tangente geschlossen ist, gibt es bei uns kaum Publikumsverkehr und es herrscht Totenstille.

Was wäre denn Ihr persönlicher Wunsch für eine neue Sperrzeitverordnung?

Dass die Kneipen werktags um 1 Uhr und am Wochenende um 2 Uhr schließen müssen. Und wir glauben, dass dies uns nach unseren Lärmmessungen und dem Gutachten auch zusteht. Zudem sollten die Ausnahmegenehmigungen für die Discos gestrichen werden.

Ist das nicht das eigentliche Hauptproblem? Würde es nicht reichen, die Ausnahmegenehmigungen zu streichen?

Das wäre in meinen Augen die einfachste Lösung für den Konflikt gewesen. Es wäre doch auch interessant, wie sich das auf die Lärmberechnung auswirken würde, wenn die Discos am Wochenende schon um 3 Uhr statt wie bisher um 5 Uhr schließen müssten. Jedermann weiß, dass niemand die Vorgaben der TA Lärm in Gänze erfüllen kann. Alle müssen Kompromisse schließen. Wir können ja nicht um 22 Uhr die Altstadt dicht machen. Aber eines ist auch klar: Je später die Stunde, desto wertvoller ist sie für den Schlaf der Anwohner.

Wie sind die Reaktionen Ihrer Nachbarn in der Altstadt auf die Klage gegen die Stadt. Stoßen Sie eher auf Zustimmung oder Ablehnung?

Man hält sich bei diesem Thema zurück. Das finden wir sehr kurios. Einerseits beklagen viele Altstädter die Zustände, andererseits ist es ihnen offenbar suspekt, dass wir mit der Stadt einen Rechtsstreit führen, jetzt schon seit fünf Jahren. Die Bürgerinitiative "Linda" (Leben in der Altstadt) hat die Kurven unserer privaten Lärmmessungen benutzt, genau dazu sind sie ja auch da. Wir haben jedoch keine offiziellen Unterstützer.

Gesetzt den Fall, die Sperrzeitverordnung fällt. Was werden Sie dann tun?

Ich glaube, uns reicht es irgendwann einmal. Wenn das alles nur für uns zwei sein soll, macht das keinen Sinn.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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