Emmertsgrund: "Die meisten waren noch nie hier oben"

Peter Hoffmann und Carsten Noack über den Emmertsgrund

04.11.2014 UPDATE: 04.11.2014 05:00 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Das Bürgerhaus im Forum 1 hat sich zu einem Treffpunkt im Stadtteil entwickelt. Sanierung und Umbau kosteten die Stadt sechs Millionen Euro. Die Geschäftsführung wird nun der Trägerverein des Stadtteilmanagements übernehmen. Foto: Stadtplanung Fries
Von Steffen Blatt

Emmertsgrund. Das sanierte und umgebaute Bürgerhaus im Forum 1 wurde bisher durch das Programm "Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" (Biwaq) des Europäischen Sozialfonds finanziert. Zum 31. Oktober lief diese Hilfe aus, jetzt übernimmt der Trägerverein des Emmertsgrunder Stadtteilmanagements (TES) die Geschäftsführung. Mit Peter Hoffmann vom städtischen Amt für Statistik und Stadtentwicklung, der bisher das Bürgerhaus managte, und Carsten Noack zieht die RNZ Bilanz.

Wie hat sich das Bürgerhaus in den letzten Jahren entwickelt?



Peter Hoffmann: Es ist zu einem lebendigen Treffpunkt im Emmertsgrund geworden. Die Eröffnung des Saales im Oktober 2012 war der erste Baustein. Im Februar 2013 kamen das Medienzentrum und das Café dazu. Im letzten Jahr gab es etwa 150 Veranstaltungen im Saal, dieses Jahr werden es voraussichtlich über 200 sein. Der größte Teil sind Stadtteilveranstaltungen, aber dafür ist das Bürgerhaus auch gedacht. Dazu kommen stadtweite Events, die Menschen auf den Berg locken und den Stadtteil bekannt machen sollen.

Seit 2010 gibt es im Emmertsgrund auch das Stadtteilmanagement. Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Projekt Bürgerhaus?



Hoffmann: Die war ganz intensiv. Ich selbst bin im Vorstand des Stadtteilmanagement-Trägervereins und habe für den Verein die Geschäftsführung des Bürgerhauses übernommen.

Carsten Noack: Als wir angefangen haben, gab es noch kein inhaltliches Konzept für das Bürgerhaus. Das wurde in einem Arbeitskreis unter Führung der Stadt ausgearbeitet, in dem wir uns von Anfang an eingebracht haben. Und schließlich haben wir auch die Trägerschaft übernommen.

Wie bringen Sie die Emmertsgrunder dazu, sich für ihren Stadtteil zu engagieren?



Noack: Wir beraten Privatpersonen, Vereine und Initiativen, die ein Projekt im Stadtteil durchführen möchten. Sie können bei uns auch bis zu 1000 Euro Förderung beantragen. Darüber entscheidet ein Gremium, in dem Stadtteilbewohner sitzen. Auch bei der Abrechnung geben wir Unterstützung, weil die meisten Menschen da wenig Erfahrung mit den Formalien haben. Es muss aber immer ein ehrenamtlicher Anteil dabei sein. Wenn mehr Geld gebraucht wird, können wir helfen, Anträge etwa bei Stiftungen zu formulieren.

Welche Projekte sind so ins Laufen gekommen?



Noack: Im Turnerbund Rohrbach zum Beispiel hat sich eine Wandergruppe formiert, die alle zwei Wochen eine Tour in den Bergstadtteilen oder der Umgebung unternimmt. Anschließend trifft man sich in einer Gastwirtschaft, etwa im Vereinsheim des TBR oder im Bürgerhaus. Wir haben auch die Lernpatenschaften eine Zeit lang unterstützt. Kürzlich haben einige Anwohner Blumen und Erde bei uns beantragt, um die Beete vor ihrem Haus zu verschönern. Da ging es um vielleicht 150 Euro. Wir übernehmen auch die Bürgerbeteiligung, wenn etwa ein Platz neu gestaltet werden soll. Die Ergebnisse fließen dann in die städtischen Planungen ein.

Hat sich die allgemeine Stimmung im Stadtteil verändert, seit Sie mit Ihrer Arbeit begonnen haben?



Noack: Ich höre von vielen Akteuren im Stadtteil, dass sie unsere Arbeit positiv sehen. Aus der Stadtverwaltung haben mir Mitarbeiter gesagt, dass sie spüren, dass es eine Veränderung im Emmertsgrund gibt - nicht nur durch uns, sondern auch durch die Bewohner.

Hoffmann: Da ist ein Pflänzchen gewachsen, das man aber weiter pflegen muss. Es ist aber noch eine Strecke zu gehen, denn eine Imageverbesserung ist nur langfristig möglich.

Woran liegt es denn, dass der Emmertsgrund - wie der Boxberg - nicht gerade den besten Ruf hat?



Noack: Jedem Betrachter fällt als erstes die Hochhausbebauung auf, und die hat fast nirgends auf der Welt ein so schlechtes Image wie in Mitteleuropa. Ein weiterer Grund ist die Stigmatisierung: Die meisten Menschen waren noch nie oben und bilden sich ihre Meinung aufgrund der Sicht aus dem Tal oder nach Hörensagen. Dann gibt es im Emmertsgrund weit über 100 Ethnien - und damit kommen manche Leute nicht klar oder wollen nicht damit klarkommen.

Hoffmann: Das ist die große Diskrepanz zur Innenansicht der Bewohner selbst - von denen fühlen sich die meisten nämlich sehr wohl auf dem Berg. Und da kann das Bürgerhaus einen Beitrag leisten, um das Image zu verbessern, weil es durch große Veranstaltungen in die gesamte Stadt ausstrahlen kann. Es hat schließlich nach der Stadthalle den zweitgrößten städtischen Saal Heidelbergs. Viele waren vielleicht vor zehn, 15, Jahren das letzte Mal im Emmertsgrund und bekommen jetzt ein neues Bild vom Stadtteil.

Was hat Sie bei ihrer Arbeit am meisten überrascht?



Noack: Dass es nicht "den Emmertsgrund" gibt. Er besteht aus vielen verschiedenen Quartieren, die baulich und sozial sehr unterschiedlich sind. Die Großbebauung, die man vom Tal aus sieht, ist nur ein Teil. Was man nicht sieht, sind die Grundstücke mit Eigentumswohnungen mit einem herrlichen Blick nach Westen, der zum besten in Heidelberg gehört.

Hoffmann: Die Arbeit im Bürgerhaus hat unheimlich viel Freude gemacht - vor allem, wenn man sieht, wie Menschen plötzlich eine Perspektive bekommen wie im Café oder im Medienzentrum, in dem Langzeitarbeitslose und Jugendliche sich schulisch und beruflich weiterqualifizieren können. Für die Teilnehmer hat das einen großen Gewinn gebracht, und einige haben sich sehr positiv entwickelt.

Was gibt es noch zu tun?



Noack: Es wurde mit Beteiligung der Bürger ein Handlungskonzept mit einem Zehn-Jahres-Horizont erarbeitet, in dem ein allgemeines Ziel für den Stadtteil formuliert wurde und ganz konkrete Projekte, die das erreichen sollen. In dem Konzept stehen über 50 Vorhaben, die von der Stadt, von Vereinen vor Ort und von uns nach und nach umgesetzt werden. Die große Aufgabe ist, die Bevölkerung weiter auf diesem Weg einzubinden. Bei einigen Menschen klappt das sehr gut, bei anderen ist es eine große Herausforderung. Das Bürgerhaus wollen wir noch besser auslasten, da gibt es noch etwas Luft nach oben. Und das Medienzentrum muss im Stadtteil noch bekannter gemacht werden.

Was gefällt Ihnen am besten am Emmertsgrund?



Hoffmann: Die Multikulturalität.

Noack: Das Engagement der Menschen.

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