Coronavirus

So will Heidelberg die Ausbreitung verzögern und Risikogruppen schützen (Update)

Theater geschlossen, Heidelberger Frühling abgesagt - Besuche bei Ämtern reduzieren

27.02.2020 UPDATE: 12.03.2020 16:52 Uhr 6 Minuten, 49 Sekunden
Im Neubau der Chirurgie richtet das Uniklinikum eine Infektionsambulanz ein, in der Verdachtsfälle isoliert werden können. Foto: Rothe

Heidelberg. (rnz/mare)

Die Stadt Heidelberg ergreift und unterstützt eine Reihe weiterer Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verzögern und insbesondere Risikogruppen zu schützen. Alle Maßnahmen sind zwischen den Städten Mannheim, Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis abgestimmt. Es handelt sich in allen Fällen um vorbeugende Maßnahmen, wie die Stadtverwaltung mitteilt.

> Theater und Orchester Heidelberg: Alle Vorstellungen des Theaters und Orchesters Heidelberg in den kommenden Wochen werden abgesagt. Eine entsprechende Anordnung der Stadt gilt für alle Vorstellungen in allen Spielstätten des Theaters im Zeitraum von Freitag, 13. März, bis Sonntag, 19. April.

> Heidelberger Frühling: Die Leitung des Heidelberger Frühling und die Stadt Heidelberg haben sich verständigt, das gesamte Festival abzusagen. Das Festival hat sowohl unter seinen Künstlern als auch im Publikum einen sehr hohen Anteil internationaler Besucher. Dazu kommt ein hoher Anteil älterer Menschen unter den Besuchern. Veranstalter und Stadt haben sich deshalb gemeinsam entsprechend der Richtlinien des Robert Koch-Instituts entschlossen, aus Verantwortung gegenüber allen Akteuren, Zuschauern und deren Umfeld das Festival abzusagen auf Basis von Überlegungen der Stadt, die Besucherzahlen von Veranstaltungen auf deutlich weniger als 1000 Personen zu begrenzen.

"Das waren für uns alle sehr schwere Entscheidungen", betont Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner. "Wir müssen alles tun, um unser Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. Das dient vor allem dem Schutz von Risikogruppen, die unter dem Virus stärker leiden als junge und gesunde Menschen."

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> Ämterbesuche einschränken: Die Stadt hat eine Reihe von Vorkehrungen getroffen, um trotz zunehmender Coronavirus-Fälle im Land einen zuverlässigen Service aller Ämter für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Aktuell bleiben dadurch alle Dienststellen der Verwaltung regulär geöffnet. Die Stadt bittet aber Bürgerinnen und Bürger, persönliche Besuche und Vorsprachen bei Ämtern und Dienststellen auf das Notwendigste zu beschränken.

Wo immer es möglich ist, sollten Angelegenheiten schriftlich, telefonisch oder auf digitalem Weg erledigt oder besprochen werden und Unterlagen nicht persönlich, sondern per Post oder E-Mail eingereicht werden. Bei allen Bürgerämtern in den Stadtteilen ist auch ein direkter Post-Einwurf möglich. Diese Vorsichtsmaßnahmen dienen dem Schutz von Bürgerinnen und Bürgern und auch den Mitarbeitenden der Verwaltung.

Ein großer Teil der städtischen Dienstleistungen kann bereits über Online-Services in Anspruch genommen werden. Eine Übersicht findet sich online. Bei Fragen hilft der telefonische Bürgerservice unter der Nummer 06221/5810580 oder per E-Mail buergerservice@heidelberg.de weiter. Bürgerinnen und Bürger können sich auch direkt mit ihnen bekannten Sachbearbeitern in Verbindung setzen. Die Telefonnummer ist in der Regel auf allen Benachrichtigungen zu finden. Speziell zum Coronavirus hat die Stadt Heidelberg auch eine Informationshotline eingerichtet. Sie ist unter 06221/321-8212 rund um die Uhr erreichbar.    

"Es ist ganz entscheidend, dass der Staat und besonders die lokalen Behörden in einer kritischen Situation für die Bürgerinnen und Bürger erreichbar bleiben", erklärt Oberbürgermeister Würzner. "Das ist wichtig, damit jeder und jede in der Stadt die Hilfe bekommt, die benötigt wird." Wolfgang Erichson, zuständiger Bürgermeister für die Bürgerdienste, ergänzt: "Damit die Handlungsfähigkeit der Verwaltung jederzeit gewährleistet ist, müssen wir vielleicht auch einmal Öffnungszeiten einschränken, einzelne Einrichtungen schließen oder Dienstleistungen vorübergehend aussetzen. Aktuell sind wir aber im präventiven Bereich."

Ein Arbeitsstab der Stadt Heidelberg zum Coronavirus arbeitet fortwährend an Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Hierbei gibt es einen engen Kontakt zum Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises, das auch für die Stadt Heidelberg zuständig ist. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen reichen von der Gestaltung von Besprechungssituationen über einen besonderen Schutz für Beschäftigte mit gesundheitlichen Belastungen bis zur Absage von Dienstreisen, Veranstaltungen und Arbeitsgruppen. Bereits seit Tagen gelten in städtischen Gebäuden erhöhte Reinigungsstandards – Toiletten, Handläufe und Türklinken werden öfter geputzt und desinfiziert. Städtische Mitarbeiter haben die Möglichkeit, verstärkt von zu Hause aus zu arbeiten.

Bei Veranstaltungen im Stadtgebiet ist seit 11. März ein Erlass des baden-württembergischen Sozialministeriums maßgeblich. Demnach sind Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen nicht mehr möglich. Bei Formaten mit weniger Personen wird weiterhin jeder Einzelfall im engen Einvernehmen zwischen dem jeweiligen Veranstalter, dem Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises und dem städtischen Bürgeramt betrachtet und geprüft. Bürgerinnen und Bürger sollten sich vorab beim jeweiligen Veranstalter informieren, ob ein Event wie geplant stattfindet. Die Stadt behält sich eine weitere Begrenzung der Teilnehmerzahl von Veranstaltungen vor.

Update: Donnerstag, 12. März 2020, 16.48 Uhr


Heidelberg. (dns) Nun gibt es auch im Ankunftszentrum für Geflüchtete im Heidelberger Patrick-Henry-Village den ersten Covid-19-Fall. Wie das Landesinnenministerium in einer Mitteilung am Mittwochnachmittag erklärte, handelt es sich um einen 48-jährigen chinesischen Asylbewerber, der am Montag mit seinem zweijährigen Kind im Zentrum ankam.

Bei seiner Ankunft habe er keine Anzeichen für eine Erkrankung gezeigt. Da viele Geflüchtete über betroffene Gebiete wie Italien nach Deutschland kommen, wird derzeit jedoch sowieso bei allen Neuankömmlingen ein Corona-Test durchgeführt. Erst durch diesen sei bei dem Mann der Virus festgestellt worden. Er wurde nun innerhalb des Ankunftszentrums in ein dafür vorbereitetes Quarantäne-Gebäude verlegt.

Wie ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwochabend auf RNZ-Anfrage erklärte, gehen die Behörden derzeit davon aus, dass es sich bei der Infektion um einen Einzelfall handelt. Denn nach seiner Ankunft sei der Betroffene mit seinem Kind alleine in einem Zimmer untergebracht worden und hatte nach derzeitigen Information wohl keinen längeren Kontakt zu den anderen Bewohnern der Einrichtung.

Weil es 48 Stunden dauert, bis die Ergebnisse des Corona-Testes vorliegen, werden Neuankömmlinge derzeit ohnehin immer "tageweise" gemeinsam untergebracht, so der Sprecher. Damit ist im Falle einer Covid-19-Diagnose der Kreis der möglichen Kontaktpersonen überschaubar. Zudem erlaube es die derzeit relativ geringe Auslastung des Ankunftszentrums, Eltern mit kleinen Kindern in eigenen Zimmern einzuquartieren.

Bis zu seiner Heilung wird der 48-Jährige nun vermutlich in der Quarantäne-Station in Patrick-Henry-Village medizinisch betreut. "Stand heute (Mittwoch) gibt es keinen Grund für einen Klinikaufenthalt", betonte der Pressesprecher des Ministeriums gegenüber der RNZ.

Update: Mittwoch, 11. März 2020, 19.30 Uhr


Von Anica Edinger, Birgit Sommer, Denis Schnur und Jonas Labrenz

Heidelberg. Im Rhein-Neckar-Kreis gibt es seit Freitag den ersten Coronavirus-Fall, der in der Heidelberger Uniklinik behandelt wird. Die Stadt hat sich aber schon vorher auf den Ernstfall vorbereitet. Ein Überblick:

> Was das Universitätsklinikum tut: Die Uniklinik richtet heute – ab 7 Uhr – in einem kleinen Teil des Neubaus der Chirurgie eine Infektionsambulanz ein. Dort könnten Verdachtsfälle isoliert voneinander getestet werden – und auf das Ergebnis warten. In den letzten beiden Wochen wurden täglich zwischen fünf und neun Personen getestet – bislang waren alle negativ. Würde sich ein Fall bestätigen, stehen in dem Neubau 20 Betten zur stationären Aufnahme bereit. "Eine Anpassung der Kapazitäten an eine veränderte Situation ist möglich", so das Uniklinikum.

Welches Risiko tatsächlich von "Sars-CoV-2" ausgeht, ist aus Sicht der Heidelberger Virologen noch nicht abschätzbar. Deshalb beschäftigen sich am Uniklinikum eine Task Force sowie ein Krisenstab aus Vorstand, Krankenhaushygienikern, Virologen und weiteren Spezialisten mit dem Thema. Nachts und am Wochenende sollen sich Erwachsene mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion anmelden unter Telefon: 06221 / 56-8626.

> Was das Gesundheitsamt rät: Das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises, das auch für Heidelberg zuständig ist, warnt davor, bei Krankheitszeichen wie Fieber oder Schnupfen die Hausarztpraxis oder das Amt aufzusuchen. Lieber anrufen. Die Telefon-Hotline-Zeiten wurden ausgeweitet: Unter 06221 / 522-1881 werden sieben Tage die Woche von 7.30 bis 18 Uhr Verdachtsmomente abgeklärt.

> Wie sich die Stadt vorbereitet: Auch die Stadtverwaltung will zeitnah eine eigene Info-Hotline einrichten. Man sei zudem in permanentem Kontakt mit dem Gesundheitsamt. "Die Verwaltung hat einen Arbeitsstab eingerichtet, um im Bedarfsfall sehr schnell Empfehlungen oder Anweisungen an betroffene Einrichtungen geben zu können", so eine Stadtsprecherin. Als Arbeitgeberin beschäftige sich die Stadt seit Wochen mit dem Thema und sei in engem Austausch mit Uniklinik und Universität präventiv tätig. Auch auf den Ernstfall bereite man sich vor: "Für den Fall einer Pandemie gibt es einen detaillierten Notfallplan, der die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs zur Sicherstellung der elementaren Daseinsfürsorge der Bevölkerung bei größtmöglichem Schutz der Mitarbeiter regelt."

> Wie die Situation in Kindergärten und Schulen ist: Die Kitas sind regulär geöffnet, und auch in den Schulen soll nach den Ferien ab Montag wieder Alltag herrschen. "Derzeit besteht nach Einschätzung der Gesundheitsbehörden kein Anlass, den Schul- und Kitabetrieb einzuschränken", so eine Stadtsprecherin. Das habe auch das Kultusministerium so mitgeteilt. Gebe es in Schulen oder Kitas jedoch Verdachtsfälle, müsse die Leitung sofort das Gesundheitsamt informieren. Dieses werde dann notwendige Maßnahmen veranlassen.

> Wie Altenheime reagieren: Die Alten- und Pflegeheime Agaplesion Bethanien Lindenhof und Maria von Graimberg sind in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Die Mitarbeiter achten auf die Einhaltung der allgemeinen Hygienemaßnahmen, die bei Influenza gelten, besonders auf verstärkte Händehygiene – und verzichten auf Händeschütteln. Zudem halte man ausreichend Schutzkleidung vor, so eine Sprecherin: "Je nach Entwicklung der Situation behalten wir uns vor, weitere Maßnahmen zu ergreifen."

> Was die Kirchen tun: Die Weihwasserbecken in den katholischen Kirchen sind noch gefüllt. Doch die Diözese Freiburg, die für Heidelberg zuständig ist, empfiehlt nun "Zurückhaltung bei der Nutzung". Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hatte gestern ihre Pfarrer angehalten, die Weihwasserbecken zu entleeren und die Hostie bei der Kommunion auf die Hand zu legen. Das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg meinte gestern: "Priester und Kommunionhelfer sollen vor ihrem Dienst die Hände waschen. Die Benutzung eines Desinfektionsmittels ist empfehlenswert." Für Priester und Laien heißt es zudem: Bei Erkrankungssymptomen ja nicht in die Kirche gehen!

> Wie Konzerthäuser reagieren: Aktuell sagen weder Karlstorbahnhof noch Halle 02 Konzerte ab. "Wir verfallen nicht in Panik, nehmen die Lage aber ernst", so ein Karlstorbahnhof-Sprecher. Die Halle 02 lässt mitteilen: "Alle Veranstaltungen werden wie geplant durchgeführt." Man sei in engem Kontakt mit den Behörden – und habe in den Toiletten Desinfektionsmittel aufgestellt. Eine Stadtsprecherin ergänzt: "Schließungen von Einrichtungen oder Verbote von Veranstaltungen sind derzeit nicht geplant."

> Wie sich das Virus auf den Heidelberg-Tourismus auswirkt: Es gebe bereits Stornierungen, erklärt Heidelberg-Marketing-Chef Mathias Schiemer. Die Menschen würden es sich zur Zeit drei Mal überlegen, ob sie unter diesen Bedingungen reisen wollten, "und das ist auch gut so", findet Schiemer. Schon seit das Coronavirus erstmals aufgetaucht sei, würden in den Touristen-Informationen Desinfektionsmittel eingesetzt und Handkontakt vermieden. Jetzt besorge man sich noch Gesichtsmasken.

> Wie sich die Universität vorbereitet: Die Uni hat eine Arbeitsgruppe – eine Art Risikostab – eingerichtet, berichtet Uni-Pressesprecherin Marietta Fuhrmann-Koch. In zentralen Einrichtungen wie der Unibibliothek wurden Hygienemaßnahmen eingeleitet – etwa durch den Einsatz von Desinfektionsmitteln. In den letzten Tagen war im Gespräch, einen vorbereitenden Deutschkurs für ausländische Studierende, die im Sommer ihr Studium beginnen, abzusagen. Das hat man nun verworfen. Allerdings dürfen 160 Teilnehmer, die aus Risikogebieten kommen, nicht teilnehmen – es sei denn, sie lassen sich bei der Einreise und nach 14 Tagen noch einmal testen und halten sich in der Zwischenzeit in "Quarantäne" in ihrer Unterkunft auf.

Update: Freitag, 28. Februar 2020, 13.48 Uhr

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