Damit es für alle ein Genuss wird
Kleiner Knigge für einen entspannten Konzertbesuch beim "Frühling"

ith. Kürzlich im Sinfoniekonzert. Ärger über Ärger - ausgerechnet in Venedig, im Teatro La Fenice, dem angeblich schönsten Opernhaus der Welt. Da knallt der junge Chinese neben mir seinen Rucksack auf den freien Sitz (hinter der Säule), liest die ganze Zeit in ausgedruckten Informationsblättern, schläft dann irgendwann schnarchend ein. In der Reihe vor uns reichen sich die jungen Herren die Handys über die Sitzreihe, auf den Gängen ist Getrampel zu hören und die Frau zwei Sitze weiter, springt hie und da begeistert auf - offenbar spielte ihre Freundin im Orchester mit. So nervig habe ich bei uns in der Region noch keinen Konzertabend erlebt. Zu Beginn der "Frühlingssaison" präsentieren wir einen kleinen Konzert-Knigge für alle Neu-Einsteiger.
Was ziehe ich an? - fragt sich nicht nur die Damenwelt, sondern auch der männliche Konzertbesucher. Noch vor einigen Jahren galt: dunkler Anzug, Krawatte und Abendkleid oder kleines Schwarzes. "Mir ist es hundert Mal lieber, jemand kommt in Jeans und Pulli als gar nicht - einigermaßen gewaschen wäre ganz nett", sagte kürzlich der Hamburger Operndirektor. So kommt auch der größte Teil des Publikums heutzutage leger bis bequem gekleidet. Und dennoch: Aus Respekt vor den Künstlern ist eine elegantere Garderobe niemals verkehrt.
Wann bin ich da? - am besten zeitig, so 30 Minuten vor Konzertbeginn. Dann hat man noch genügend Zeit, die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Zu Beginn der Veranstaltung werden die Türen gnadenlos geschlossen und ein späterer Einlass ist erst nach geraumer Zeit möglich. Wer einen Platz in der Mitte der Zuhörerreihe einnimmt, sollte überpünktlich sein, damit er sich nicht an allen anderen Gästen vorbeischlängeln muss. Falls doch, bitte immer mit dem Gesicht zum Sitzenden. Randplatz-Besucher erweisen sich als äußerst höflich, wenn sie stehend im Gang auf "Nachzügler" warten, so lange, bis sich die Türen schließen.
Wohin mit Rucksäcken oder Mänteln? - Dafür ist die Garderobe da. Hier können auch große Taschen, Regenschirme usw. abgegeben werden. In den schmalen Durchgängen sind sie störend.
Essen und Trinken - ist grundsätzlich während des Konzerts untersagt, ein leichter Imbiss vor der Veranstaltung ist empfehlenswert, damit der Magen in seiner Tonvielfalt nicht den Musikern Konkurrenz macht.
Rücksicht - eine Selbstverständlichkeit: Handys nicht nur auf stumm, sondern gänzlich ausstellen. Konzertsäle sollten handyfreie Zonen sein.
In der Tasche (dabei sollte auf Handtaschen mit Reiß- oder Schnappverschluss verzichtet werden) hustendämpfende Bonbons parat haben, die nicht erst noch geräuschvoll ausgepackt werden müssen. Das hilft auch gegen das Geräuspere, eine beliebte Unart in den Pausen zwischen den einzelnen Sätzen. Bei Erkältungskrankheiten lieber den Konzertbesuch verschieben - auch wenn es schwerfällt. Das Filmen und Fotografieren ist in der Regel aus Gründen des Urheberrechts ausdrücklich untersagt.
Parfüm bitte dezent einsetzen und Unterhaltungen mit dem Nachbarn auf die Pause verschieben.
Es darf geklatscht werden - die Frage ist nur wann. Die Regel für ein klassisches Konzert lautet: Zwischen den Sätzen einer Symphonie wird nicht geklatscht, um die Konzentration der Musiker auf der Bühne und die der Zuschauer im Saal nicht zu brechen. Im Programmheft können die Besucher nachlesen, wie viele Sätze sie zu erwarten haben. Einfacher ist es, mit dem Klatschen zu warten, bis der Dirigent sich umdreht und verbeugt. Oder noch einfacher: Mit dem Strom schwimmen und nicht als Erster applaudieren.
Der Lohn des Künstlers - ist neben der Gage der Applaus. Deshalb: Reichlich geben und bis zum Ende des Applauses bleiben - den Künstlern und ihrer Arbeit zuliebe. Die Garderobe läuft nicht weg und die Ausfahrt aus dem Parkhaus gelingt bei späterer Ausfahrt sowieso stressfreier.
Info: Übrigens der weltbekannte Geiger Daniel Hope, auch schon öfter Gast beim "Heidelberger Frühling", hat vor einigen Jahren ein nettes, kleines Buch verfasst mit dem Titel: "Wann darf ich klatschen?" Es lohnt sich, mal reinzuschauen - nicht nur für Novizen. ISBN: 978-3-498-00665-5.