Mljet bietet Ruhe

Auf den Spuren von Odysseus

Wer Ruhe sucht, ist auf Mljet genau richtig. Die kroatische Insel ist ein Geheimtipp

15.08.2019 UPDATE: 17.08.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 59 Sekunden
Blick auf Mljet. Foto: Mljet Tourist Board

Von Alexandra Stahl

Auf Mljet braucht man ein Auto, aber kein Navigationsgerät: Es gibt nur eine Hauptstraße. Rund 50 Kilometer ist die bergige Insel in der kroatischen Adria lang und drei Kilometer breit. Im Westen liegt ein Nationalpark, im Osten Sandstrand, dazwischen 17 kleine Dörfer mit weniger als 1000 Menschen. Manchmal werden die Straßen so eng, dass man rückwärtsfahren muss, wenn ein zweites Auto kommt. Was machen Touristen auf Mljet? Wandern, schwimmen, radeln. Und entspannen.

Hintergrund

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Anreise: Direktflüge nach Dubrovnik gibt es zum Beispiel von Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Hamburg aus. Auf der Insel gibt es am Hafen von Sobra einen Mietwagenverleih. Auch Roller werden verliehen.

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Anreise: Direktflüge nach Dubrovnik gibt es zum Beispiel von Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Hamburg aus. Auf der Insel gibt es am Hafen von Sobra einen Mietwagenverleih. Auch Roller werden verliehen. Online-Reservierungen sind möglich. Ein Auto ist auf Mljet praktisch, viele Touristen reisen mit dem eigenen an. Eine Autofähre verkehrt zwischen Prapratno in Südkroatien und Sobra auf Mljet. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde. Vom südlicher gelegenen Dubrovnik geht eine Personenfähre ab, die Fahrt dauert rund eineinhalb Stunden. Tickets kosten einfach umgerechnet rund 7 Euro.

Übernachtung: Das einzige Hotel auf der Insel liegt in Pomena und gehört zu einer Luxus-Hotelkette. Ein einfaches Zimmer kostet pro Nacht ab rund 95 Euro. Günstiger sind private Unterkünfte zum Beispiel über die Vermittlungsplattform Airbnb.

Währung: Kroatien ist seit 2013 EU-Mitglied, die Euro-Einführung steht noch aus: 1 kroatische Kuna sind etwa 0,13 Euro. Geld abheben funktioniert auf Mljet mit Kreditkarte.

Auskünfte: Kroatische Zentrale für Tourismus, www.visitkroatien.de.

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Auch Odysseus, eine der bekanntesten Figuren der griechischen Mythologie, soll einst nach Mljet gekommen sein. Es war ein Schiffbruch, der ihn ans Ufer gespült haben soll. Man kann davon ausgehen, dass auch er schwimmen und wandern war. Immerhin soll er sieben Jahre auf Mljet geblieben sein. Hauptgrund dafür war Kalypso, eine Meeresnymphe, mit der Odysseus ein paar Kinder gezeugt haben soll, während zuhause in Griechenland Frau, Kind und Hund auf ihn warteten. Dorthin kehrte er am Ende auch zurück.

Das alles ist eine Legende, aufgeschrieben vom griechischen Dichter Homer in der Ilias, die Odysseus’ zehnjährige Irrfahrt beschreibt. Homer schreibt allerdings nicht von Mljet und Griechenland, sondern von Ogygia und Ithaka. Aber auf Mljet sind die Bewohner überzeugt, dass mit Ogygia ihre Insel gemeint ist. Andere Inseln könnten aber auch Ogygia gewesen sein. Dazu später mehr.

"Odysseus cave" steht auf einem Schild an der Hauptstraße unterhalb des Dorfes Babino Polje, das mit rund 200 Einwohnern zu den größten auf Mljet zählt. Ein schmaler Feldweg durch Gräser, Gestrüpp und Spinnweben führt zu einem Küstenweg, den man schnell zurücklegen könnte. Doch man hält an, weil die Aussicht auf das Meer, die Berge, den Wald und den Himmel zu schön ist. Wer stehen bleibt, hört nichts außer summender Natur. Geckos huschen über den Weg.

Nach einer Weile taucht wieder ein Schild auf, nochmal "Odysseus cave", dahinter ist unten die Meereshöhle zu sehen, in der Odysseus und Kalypso sich vergnügt haben sollen. Der Zugang vom Land aus ist nur über Geröll und Gestein möglich, dazwischen ein paar improvisierte Steintreppen. Der Abstieg ist nichts für Senioren und Kinder, festes Schuhwerk sollte man haben. Ein junger Mann überholt allerdings in Flip Flops. Im Meer hinter der Höhle sind Köpfe im Wasser zu sehen, Baden ist dort beliebt.

Kurz vor dem Meer, auf einem Plateau, liegt eine winzige Bar, es läuft Reggae-Musik. Ein Mann mit sonnengegerbter Haut sitzt auf einem Stein, als säße er schon sein ganzes Leben dort. Er lächelt.

Vielleicht Odysseus? Wie sah der überhaupt aus? Man hat einen älteren Mann mit weißem Rauschebart im Kopf, aber das wäre vielleicht eher Zeus, der Obergott der griechischen Götter. "Cold Drinks, Warm Souls" steht auf Holzbrettern und darüber in der Steinwand "Hotel Penelopa" - ein kleiner Witz, Odysseus’ Frau hieß Penelope. Der Schreibfehler ist vielleicht den "Cold Drinks" geschuldet. Nach der Mini-Bar kommt nur noch das türkisblaue Meer. Manche springen vom Felsen hinein, andere klettern hinunter. Schwimmschuhe sollte man wegen der steinigen Küsten Kroatiens dabei haben.

Der Eingang zur Höhle ist knapp fünf Meter breit, viele kommen mit dem Boot direkt vom Meer, dazu gibt es Touren, etwa vom Nationalpark im Westen der Insel aus. Niemand auf Mljet bezweifle, dass Odysseus da war, erzählt Frano Hazdovac am Hafen von Sobra, wo die Fähren anlegen, die die Menschen auf die Insel bringen und wieder weg. Die Fahrt zum Festland dauert je nach Route zwischen einer und eineinhalb Stunden. Der 39-Jährige holt Touristen ab, bringt sie zu ihren Unterkünften, erklärt ihnen die Insel. "Mit der Odysseus-Geschichte wächst man hier auf", sagt Hazdovac. Jeder kenne den Mythos. Schon als Kind sei er in der Höhle geschwommen, die sie auf Kroatisch "Jama" nennen.

Aber wo ist der Beweis, dass Homer Mljet meinte? Hazdovac holt aus. Seine Großmutter habe ihm von den Knäueln aus Schlangen erzählt, die die Berge hinuntergerollt seien, erzählt er. Auf der Insel habe eine Plage geherrscht, Apostel Paulus sei von einer gebissen worden. "Das steht in der Bibel", sagt er.

Okay, aber was hat das mit Odysseus zu tun? Beide, Paulus und Odysseus, antwortet Hazdovac, seien aus derselben Richtung gestartet, erlitten Schiffbruch und strandeten auf einer Insel. Bei Paulus hieß sie Melita, bei Odysseus Ogygia. Und beides soll Mljet sein. Der Müll, der heute an die Küsten gespült werde, sei oft griechischer Müll, ergänzt Hazdovac.

Die Strömung könnte also dafür sprechen. Auf der Homepage der touristischen Gemeinschaft von Mljet werden Homers Beschreibungen zitiert und mit der Flora und Fauna der Insel abgeglichen. Auch Sternbilder werden herangezogen.

Ogygia wurde unter anderem auch in der Nähe von Kreta vermutet, in Italien, auch von Madeira ist im Internet zu lesen. In einem Vortrag der Humboldt-Gesellschaft aus dem Jahr 2006 ist keine Rede von Mljet. Aber von Malta. Homer habe vom "Nabel des Meeres" geschrieben, dazu passe die Lage der Insel unterhalb von Sizilien, gleich weit weg von Gibraltar im Westen und Zypern im Osten.

Sieben Jahre pures Glück scheinen es für Odysseus demnach nicht gewesen zu sein: "Meist aber hockt der hier festsitzende Seefahrer weinend am Strand und blickt sehnsüchtig über das weite Meer in Richtung Ithaka, seiner fernen Heimat."

Babino Polje, das größte Dorf, ist drei Kilometer lang. Ziegen meckern, Katzen streunen herum, ein Mann zieht einen Esel hinter sich her. Es gibt kein Restaurant, aber Post, Grundschule, Kiosk, einen kleinen Bäcker und eine Bar. Die Bar heißt übersetzt Moskito. Nach einer Nacht bei offenem Fenster weiß man, warum.

Ein Mann, der mit anderen Männern auf einer Terrasse sitzt und den Abend genießt, erzählt wieder von den Schlangen. Wegen der Plage seien Anfang des 20. Jahrhunderts - damals gehörte Mljet zu Österreich - Mungos aus Indien auf die Insel gebracht worden, gefräßige kleine Raubtiere, die aussehen, als hätte man ein Erdmännchen mit einem Frettchen gekreuzt. Heute gibt es auf Mljet sehr viele Mungos und kaum noch Schlangen. Die Mungos fressen jetzt auch manchmal Hühner, was nicht alle Inselbewohner gut finden. Und was ist mit Odysseus? Der Mann lacht. Das stimme doch nicht, Mljet wolle Touristen anlocken. Seinen Namen will er nicht nennen. "Ich komme ja nicht von hier." Er pendele zwischen der Insel und der Hauptstadt Zagreb, wo er arbeite, sagt er.

Vielleicht ist das aber gar nicht so wichtig. Als Aushängeschild braucht Mljet Odysseus nicht, Kroatiens achtgrößte Insel steht für sich. Wer entspannen will, mietet ein Auto am Hafen von Sobra und fährt über Serpentinen durch Wälder, fast immer mit dem Blick aufs Meer. Wer am Sandstrand baden will, fährt in den Osten.

Wer Seen mag, den zieht es nach Westen. Dort liegt ein knapp 5400 Hektar großer Nationalpark, darin mehr als 100 Vogelarten und fast 650 Pflanzenarten, Steinmarder und Igel, ein Kloster und zwei Seen. Sie heißen großer See und kleiner See. Beide sind salzhaltig, weil sie mit dem Meer verbunden sind. An vielen Stellen kann man Fahrräder leihen, der große See ist in einer knappen Stunde umrundet.

Die Natur hat man auf Mljet im Grunde für sich. Touristen kommen zwar, aber man tritt sich nicht auf die Füße. Restaurants und Cafés gibt es exakt so viele, dass kein Mangel herrscht, vor allem aber kein Überfluss. Souvenirshops sind rar, fast alle Unterkünfte privat. Es gibt ein einziges Hotel in Pomena im Westen: "Odisej".

Vicko Strazicic-Biskup hat dort seit der Eröffnung im Jahr 1978 gearbeitet, erzählt er, zuletzt als Restaurantmanager. Vor zwei Jahren hat er aufgehört. Jetzt verkauft er im Sommer jeden Abend, was er mit seiner Familie auf seinem Grundstück anbaut. Kräuter, Olivenöl, Feigen, Ziegenkäse liegen an einem Stand an der Hauptstraße unterhalb von Babino Polje. Die Odysseus-Höhle ist in der Nähe.

Auch Strazicic-Biskup ist ist mit dem Mythos aufgewachsen. Jeder auf Mljet kenne die Geschichte von dem Seefahrer und Kalypso, sagt er wie schon Hazdovac. Ob es stimmt, weiß aber auch der 64-Jährige nicht. Einen Beweis gebe es jedenfalls nicht, sagt er.