EU-Milliarden für Rechenzentren entrüsten SAP-Chef Klein
Er hält die milliardenschweren Infrastruktur-Pläne der EU für falsch. Europa sollte sich auf seine Stärken besinnen.

Von Barbara Klauß
Walldorf. SAP-Chef Christian Klein ist sichtlich aufgebracht: Dass die EU Milliarden in riesige Rechenzentren stecken will, hält er für den falschen Weg. "Brauchen wir wirklich fünf neue Rechenzentren in Europa?", fragt er am Donnerstagsabend im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten. "Ich bezweifle das."
Im Rennen um die Hardware liegt Europa weit hinter den USA und China zurück. "Wir haben ein paar Züge verpasst", sagt Klein. Eine Aufholjagd ergibt hier seiner Ansicht nach keinen Sinn mehr. Stattdessen, meint er, sollte Europa lieber an anderer Stelle versuchen, auf den Spitzenplatz zu gelangen: in Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Industrie. Was es daher aus Kleins Sicht dringender braucht als Rechenzentren sind Investitionen in Bildung, Unterstützung von innovativen Start-ups und weniger Regulierung.
Im April hatte die EU-Kommission in Brüssel eine neue Strategie zur Förderung von Künstlicher Intelligenz vorgelegt. Ihr Ziel ist es, Europas Unternehmen besser zu rüsten für den globalen Wettbewerb. Ein Schwerpunkt der Strategie liegt auf der Infrastruktur: Der Bau eigener Rechenzentren soll in den kommenden Jahren stark vorangetrieben werden. Insgesamt will die Kommission dafür 20 Milliarden Euro mobilisieren.
Geplant sind bis zu fünf solcher Rechenzentren, in denen große KI-Modelle trainiert werden. Sie sollen dazu beitragen, Europa zu einem führenden Standort für leistungsfähige, aber verantwortungsvoll eingesetzte KI zu machen, und die technologische Abhängigkeit insbesondere von US-Plattformen zu reduzieren. Der Plan ist auch eine Reaktion auf das Projekt "Stargate" in den USA, mit dem Technologie-Konzerne 500 Milliarden Dollar in neue KI-Rechenzentren stecken wollen.
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Auch in Deutschland ist der Aufbau einer KI-Gigafactory politisch verankert. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ist festgehalten, dass Deutschland als führender KI-Standort mindestens eine der Gigafactories beherbergen soll. Bis Juni konnten Unternehmen und Forschungseinrichten ihr Interesse an der Entwicklung eines solchen Rechenzentrums bekunden.
Bereits damals erklärte Europas größter Softwarekonzern SAP, man werde sich an diesem Projekt nicht beteiligen. Man sehe sich vorrangig in der Rolle als Softwarelieferant und auch bei der Nutzung der KI-Fabrik habe SAP keinen großen Bedarf, erklärte eine Unternehmens-Sprecherin damals.
Das bekräftigte der Vorstandsvorsitzende Klein nun: Seiner Ansicht nach hängt die digitale Souveränität Europas nicht an der Frage, wo die Rechenzentren stehen – sondern daran, wer die Kontrolle über die Software und die Daten hat. Nicht jedes Byte müsse in Europa verarbeitet werden, sagt Klein am Donnerstag.
Doch bräuchten die Unternehmen "volle Kontrolle über ihre Daten und ihre Infrastruktur". Die Lösungen hierfür gibt es, betont der SAP-Chef. So bieten die Walldorfer, wie andere auch, inzwischen "Sovereign Clouds" an, bei denen die Daten in Europa verbleiben.
Statt Milliarden in Infrastruktur zu stecken, sollte sich Europa Kleins Ansicht nach also lieber auf seine eigentlichen Stärken konzentrieren: auf konkrete Anwendungen von KI in den Schlüsselbranchen wie der Automobil- oder der Chemieindustrie, auf die große Menge an vorhandenen Daten – und auf Talente.
"Uns fehlen nicht Chips oder Rechenzentren – uns fehlen die Talente, die damit umgehen können", meint der SAP-Chef. Zwar gebe es in Europa exzellente Universitäten, doch werde die KI-Wende dort noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Daher wünscht sich Klein eine gezielte Bildungsstrategie: "Die nächste Generation muss wissen, wie man KI in der Lieferkette einsetzt, wie in der Automobil-, der Chemie- oder Finanzbranche. Das ist das Wissen, das wir jetzt brauchen." Nur so könne Europa seine Spitzenposition in diesen Industrien auch in zehn Jahren noch verteidigen.
Mit Blick auf die EU-Vorgaben zu Daten und KI warnt der SAP-Chef vor einer Zersplitterung: "Was wir brauchen, ist ein gemeinsamer Rahmen – keine nationalen Sonderwege", sagt er. Zudem müssten neue Regulierungen in enger Abstimmung mit der Industrie entstehen.
Auch auf das strittige Thema Regulierung kommt Klein zu sprechen. "Ich habe nichts gegen Regulierung." Aber im Gegensatz zu den USA nimmt es ihm in den europäischen Debatten zu viel Raum ein. "Bevor wir regulieren – lasst uns doch erst einmal etwas entwickeln!", sagt er eindringlich und fordert eine bessere Balance.