Baden-Württemberg

In zehn Jahren schlossen 30 Krankenhäuser

Trend geht zum Großkrankenhaus - Und der Schwund geht weiter - Auch Corona befeuert den Kampf ums Geld

05.10.2020 UPDATE: 06.10.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 44 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Tatjana Bojic

Stuttgart. Der Krankenhausschwund in Baden-Württemberg dauert an und die Sorge der verbliebenen Kliniken ums Geld lässt nicht nach. Nach Auskunft des Sozialministeriums wurden in den vergangenen zehn Jahren 30 Krankenhäuser geschlossen. Von ehemals 236 (2011) gab es am 1. Januar 2020 noch 206 Kliniken. Und das war vor der Corona-Pandemie, die die Krankenhäuser in neue finanzielle Nöte brachte: Patienten blieben weg, Schutzmaterial musste angeschafft und Betten für Coronapatienten frei gehalten werden.

Dafür erhielten die Kliniken Geld vom Bund: Bis heute sind laut Sozialministerium 936 Millionen an Kliniken in Baden-Württemberg geflossen. Doch dies reichte nicht überall aus, um Schieflagen zu vermeiden – das Land schoss zusätzliche Hilfen von 210 Millionen Euro zu, wie das Ministerium erklärte.

Laut Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat sich der Weg der Schwerpunktbildung in der Coronakrise bewährt. "Benötigt wurden aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern zum einen hoch spezialisierte Intensiv- und Beatmungsplätze. Diese wurden überwiegend an den großen medizinischen und mittelgroßen Krankenhausstandorten vorgehalten und ausgebaut", so Lucha.

Die Gewerkschaft Verdi hält es für richtig, Kompetenzen zu bündeln. In einer alternden Gesellschaft dürften die Patienten nach der Schließung von Kliniken aber nicht allein gelassen werden. Primärversorgungszentren mit vier bis fünf Betten und einer ambulanten Notfallversorgung wären hier eine Lösung.

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Und die Konzentration wird sich laut Ministerium fortsetzen. 2021 soll der Bau eines neuen Zentralklinikums in Lörrach beginnen, das ab 2025 in Betrieb gehen könnte. Vier Standorte werden dann geschlossen. In Böblingen ist bis 2021 die neue "Flugfeldklinik" geplant. Auch im Ortenaukreis steht eine große Umstrukturierung an: In Offenburg und Achern sind große Neubauten in Planung. Dafür sollen Kliniken in Ettenheim, Kehl, Gengenbach und Oberkirch bis 2030 schließen.

In Weingarten bei Ravensburg schloss erst Ende September das "Krankenhaus 14 Nothelfer" seine Pforten. Das ehemals städtische Haus gehört seit 2013 zum Medizincampus Bodensee und soll nach einer Planinsolvenz nur noch ambulante Dienste anbieten. Auch hier schlug die Corona-Pandemie finanziell durch: Zunächst sollte der Standort als Reserve für Corona-Patienten herhalten. Dadurch brachen aber andere Operationen weg – und damit das finanzielle Standbein.

Am Anfang der Pandemie mussten die Krankenhäuser 35 Prozent ihrer Intensiv- und Beatmungsplätze für Covid-19-Fälle frei halten. Die Freihaltequote wurde wegen der aktuell geringen Belegung auf zehn Prozent reduziert, um wieder Platz für andere Patienten zu schaffen. Derzeit sind bundesweit knapp 450 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. In Spitzenzeiten waren es fast 3000.

Der Landkreistag sieht den Südwesten wegen höherer Lohnkosten in einer Sonderlage. "Dies muss endlich bei den bundesrechtlichen Vorgaben für die Krankenhausfinanzierung berücksichtigt werden", sagte Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski. Wenn in dem Land mit der geringsten Bettendichte und einer vorausschauenden Klinikplanung bereits vor der Pandemie mehr als die Hälfte der Kliniken rote Zahlen schrieben, dann liege der Fehler eindeutig im System.

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