Große Sorgen und großer Sparwille im Land
Laut Umfrage fühlen sich 70 Prozent der Befragten durch die Inflation stark belastet. Das 9-Euro-Ticket begeistert die Jugend.

Von Alexander Rechner
Heidelberg. Benzin, Strom, Lebensmittel – auch in Baden-Württemberg müssen die Menschen derzeit für viele Dinge tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr. Die steigenden Preise und der Krieg in der Ukraine bereiten den Menschen Sorgen. Sieht die Bevölkerung den kommenden zwölf Monaten mit Hoffnung oder Befürchtungen entgegen? Das war eine zentrale Fragestellung beim aktuellen "BaWü-Check" im Auftrag der baden-württembergischen Zeitungsverlage. Zwischen dem 8. und dem 14. Juni 2022 befragte das Institut für Demoskopie Allensbach dazu 1068 Menschen im Land.
> Optimismus nimmt ab: Wer im Südwesten an die Tankstelle fährt oder im Supermarkt einkaufen geht, der muss erstmal tief Luft holen und durchatmen. Die Folge: Die große Mehrheit bleibt tief besorgt. Knapp jeder Dritte blickt mit ausgeprägten Befürchtungen auf die nächsten Monate, ebenso viele mit Skepsis. Damit liegt die Zuversicht in Baden-Württemberg unter dem Durchschnitt im Bundesgebiet: In einer zeitgleich vorgenommenen bundesweiten Befragung waren 28 Prozent der Bevölkerung für die kommenden Monate zuversichtlich gestimmt.
> Spürbarer Preisanstieg: Nach einer ersten Schätzung des Statischen Bundesamtes lagen die Verbraucherpreise im Juni um 7,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats – und im Alltag merken die Befragten, dass sie durch Preissteigerungen belastet werden. Als besonders belastend empfindet die Bevölkerung die Preissteigerungen für Benzin, Strom, Lebensmittel und Heizen. 70 Prozent fühlen sich durch die steigenden Preise sehr stark oder stark belastet. Jeder Vierte empfindet die Preissteigerungen sogar als besonders gravierend.
> Menschen sparen mehr: Teilweise müssen die Verbraucher den Gürtel daher enger schnallen. Ein Großteil versucht, sparsamer zu sein. 53 Prozent schränken sich derzeit beim Autofahren ein – und versuchen, Sprit zu sparen. Während 51 Prozent weniger Essen gehen, setzen 48 Prozent beim Kauf von Kleidung den Rotstift an. Immerhin 44 Prozent sparen bei Urlaub und Reisen.
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> Neun-Euro-Ticket ist bei der Jugend "in": Überfüllte Züge, gestresste Reisende – das Neun-Euro-Ticket hat teils für sehr hohes Fahrgastaufkommen in den Regionalzügen gesorgt. Bis zur Mitte des Monats hatten sich bereits 29 Prozent der Baden-Württemberger ein solches Ticket erworben, weitere 17 Prozent planen den Kauf. Besonders in der jungen Generation ist das Ticket angesagt: Von den unter 30-Jährigen haben es bereits zwei Drittel erworben oder planen den Kauf. Von den 30- bis 44-Jährigen ist es rund jeder Zweite, von den über 60-Jährigen nur gut jeder Dritte.
> Land soll mehr Geld ausgeben: In Stuttgart laufen die Gespräche über den baden-württembergischen Doppelhaushalt 2023/24. Für Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) ein Drahtseilakt. Einerseits muss er sparen, andererseits investieren. Und just bei den staatlichen Ausgaben haben die Menschen zwischen Konstanz und Wertheim klare Vorstellungen, wofür die Landesregierung ihre Kasse weiter öffnen soll: So fordert die große Mehrheit in vielen Bereichen Mehrausgaben. Dies gilt insbesondere für Gesundheitseinrichtungen, Schulen, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Ausstattung der Polizei, die Forschungsförderung, den Klimaschutz sowie für öffentliche Einrichtungen.
> Für Krankenhäuser schlagen die Herzen: Die Baden-Württemberger (94 Prozent) wollen, dass das Land mehr Geld in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser oder Sozialstationen investiert. 91 Prozent fordern größere Investitionen in die Ausstattung von Schulen und 80 Prozent in den Ausbau von Straßen und Bahnstrecken. Und: Jeweils rund drei Viertel wünschen sich außerdem höhere Ausgaben für die Ausstattung der Polizei, für die Förderung von Forschungsvorhaben sowie für Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt.
> Bürokratie als Bremsklotz: Das Thema Bürokratieabbau bewegt die Menschen seit vielen Jahren. Jeder zweite Baden-Württemberger stimmt der Aussage zu, dass die gesetzlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Lediglich 18 Prozent teilen dies ausdrücklich nicht. Knapp jeder Dritte ist in dieser Frage unentschieden.
> Ärger auf dem Amt erlebt: Ihr Urteil über die Bürokratie beruht oft auf persönlichen Erfahrungen. So geben 69 Prozent der Menschen zu Protokoll, dass sie sich in den letzten fünf Jahren über zu viel Bürokratie in einem Amt oder einer Behörde geärgert haben.
> Steuer-Dschungel sorgt für Unmut: Die Bevölkerung weiß eine Vielzahl an Bereichen zu benennen, in denen es aus ihrer Sicht zu viele und zu komplizierte Regelungen gibt – allen voran bei der Steuer. 62 Prozent vertreten diese Auffassung und nennen die Steuer. Für 54 Prozent gibt es auch bei der Gesundheitsversorgung und der Pflege zu viele gesetzliche Vorgaben. 52 Prozent beklagen Anzahl und Komplexität der staatlichen Vorgaben im Baubereich, jeweils knapp vier von zehn auch beim Datenschutz sowie beim Erbrecht und bei Nachlassregelungen.
> Zweifel am Abbau bürokratischer Hürden: Die Möglichkeiten, bürokratische Hürden zu beseitigen, wären aus Sicht der Bevölkerung also vielfältig. Doch: Ob deren Umsetzung tatsächlich gelingt, daran bestehen weit verbreitete Zweifel. Immerhin 46 Prozent der Südwest-Bevölkerung halten es grundsätzlich für möglich, dass in Deutschland Bürokratie in größerem Umfang abgebaut werden kann. Aber: Fast ebenso viele äußern Bedenken. Sie gehen von einer nur schweren Umsetzung aus.
> Gegenwind für schnelleren Ausbau von Windkraft: Die Baden-Württemberger haben erhebliche Vorbehalte gegenüber Abbau staatlicher Vorgaben beim Ausbau der Infrastruktur für die Energieversorgung. Nur 31 Prozent würden es begrüßen, wenn es zugunsten eines schnelleren Ausbaus von Windkraftanlagen oder Stromtrassen beim Klima- und Umweltschutz weniger strenge Auflagen gäbe. 39 Prozent halten dies hingegen für keinen guten Weg.
















