Deutschland punktet als Wissenschaftsstandort
Die Ungleichheit im deutschen Bildungssystem ist jedoch gleichbleibend hoch. Ein bisschen Hoffnung gibt es für die Mathematik.

Von Mareike Kürschner, RNZ Berlin
Berlin. Dorothee Bär hat Gutes zu vermelden. In Deutschland steigt die Zahl der Hochschulabsolventen. Besonders der naturwissenschaftliche Bereich sticht hervor, was die Forschungs- und Technologieministerin sichtlich freut. "In keinem anderen Land der Welt macht ein höherer Anteil der Absolventen im Tertiärbereich einen Abschluss in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT)", sagt Bär.
Mit dem Tertiärbereich ist die höhere Bildung nach dem Abitur gemeint. "Das heißt, wir können wirklich mit Fug und Recht auch sagen, dass wir MINT-Weltmeister sind", setzt die CSU-Politikerin bei der Vorstellung der OECD-Bildungsstudie am Dienstag in Berlin fort, die dieses Mal den Fokus auf höhere Abschlüsse legte.
35 Prozent aller Absolventen eines Bachelor- oder gleichwertigen Programms schließen der Studie zufolge in Deutschland in einem MINT-Fach ab. Dies sei der höchste Anteil unter den OECD-Ländern (Durchschnitt: 23 Prozent). Auch die Zahlen ausländischer Studenten sind positiv: Knapp 500.000 Menschen aus dem Ausland waren im vergangenen Wintersemester an deutschen Hochschulen eingeschrieben, das sind 17 Prozent aller Studenten.
Damit steht Deutschland auf Platz vier hinter den USA, Großbritannien und Australien und an erster Stelle unter den nicht-englischsprachigen Ländern. Bär sieht den Standortvorteil vorwiegend in den naturwissenschaftlichen Fächern. Hier gäbe es noch zusätzlich Potenzial zu heben, besonders müssten mehr junge Frauen für die MINT-Berufe begeistert werden, sagt sie.
Auch interessant
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Zwar stieg der Anteil der Menschen zwischen 25 und 34 Jahren mit einem Hochschul-, Fachhochschul- oder Berufsakademieabschluss in Deutschland innerhalb von fünf Jahren von 33 auf 40 Prozent.
Zugleich wuchs der Anteil derjenigen, die weder Fachhochschulreife noch Berufsausbildung hatten, von 13 auf 15 Prozent. In der EU sind nur Italien, Spanien und Portugal schlechter. Heißt: Es gibt mehr Uniabschlüsse, aber gleichzeitig mehr Menschen ganz ohne Abschluss.
Für die Vertreterin der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, auf dem Podium, Nicola Brandt, ist das "besorgniserregend". Denn erneut werde deutlich, dass das Bildungsgefälle steigt. Bildungserfolg sei nach wie vor stark vom Elternhaus abhängig.
Seit Jahren schon versucht Deutschland gegen den Trend zu steuern. Immer wieder werden neue Programme aufgelegt, zuletzt von der Ampel-Regierung das Startchancen-Programm, das gezielt Schulen in sozialen Brennpunkten unterstützen und damit Bildungsungleichheiten frühzeitig abbauen soll.
Denn Deutschland kann es sich angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, dass die Gruppe der Menschen ohne Abschluss wächst. Doch darauf deuten die Ergebnisse anderer Studien hin, etwa der PISA-Studie, die die Sprach- und Lesekompetenz, aber auch die Mathekompetenz von Kindern bewertet.
"Jeder junge Mensch, der ohne Abschluss bleibt, ist ein Risiko", sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, Mareike Wulf (CDU), die ihre Chefin Karin Prien krankheitsbedingt vertrat.
Das gelte sowohl für die Menschen selbst als auch "für die Leistungsfähigkeit unseres Landes insgesamt", sagte Wulf weiter. Denn ein höherer Bildungsstand zahlt sich aus – im Durchschnitt verdienen Menschen mit Hochschulabschluss 50 Prozent mehr als die ohne höheren Abschluss.
Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch verwies darauf, dass Deutschland hauptsächlich in der frühkindlichen Bildung aufholen müsse, um die Chancengleichheit zu erhöhen, insbesondere bei der Sprachbildung. "Die Grundschule ist zu spät für Sprachförderung", sagte die CDU-Politikerin.
In diesem Bereich hat sich die schwarz-rote Regierung viel vorgenommen und will investieren – mit dem Ziel, die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss zu senken. Wie genau, das wird sich in den kommenden Haushaltsberatungen herauskristallisieren.