Pkws und Radfahrer fahren über die Straßenbahnschienen an der Kreuzung von Rohrbacher Straße und Kurfürstenanlage. Alle drei Verkehrsarten verursachen Kosten für die Stadt, dabei gibt es jedoch riesige Unterschiede, wie eine Studie der Uni Kassel zeigt. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Für jeden Euro, den die Stadt Heidelberg in den Radverkehr steckt, fließen 40 Euro in den Pkw-Verkehr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Kassel, die kürzlich im Verkehrsausschuss vorgestellt wurde. "Damit geht der mit Abstand größte Zuschuss an den Autoverkehr", erklärte Prof. Carsten Sommer per Skype-Schalte.
Seine Arbeitsgruppe hatte systematisch alle Kosten, die der Stadt jeweils durch Pkws, Lkws, den Nahverkehr, Radfahrer und Fußgänger jährlich entstehen, ermittelt. Da geht es einmal um direkte Zuschüsse – beispielsweise in das Nahverkehrsunternehmen RNV –, aber vor allem um Ausgaben für Bau und Instandhaltung von Straßen, Brücken und Parkplätzen. Dem haben die Wissenschaftler die jährlichen Erträge gegenübergestellt – wie Parkgebühren oder Ticketeinnahmen im ÖPNV.
Netto investierte die Stadt dann in den Jahren 2016 bis 2018 noch durchschnittlich 78 Millionen Euro in den Verkehr. Und der Löwenanteil von 36 Millionen wurde für die Auto-Infrastruktur gebraucht – pro Heidelberger 240 Euro jährlich: "Jeder zweite Zuschuss-Euro fließt in den Pkw-Verkehr", so Sommer. Auf Rang zwei folgt der ÖPNV mit einem Defizit von 25,7 Millionen Euro (171 Euro pro Kopf). Für den Radverkehr wird unter dem Strich nur rund eine Million Euro investiert – das entspricht sechs Euro pro Kopf.
Da der Nahverkehr jedoch mit 42 Millionen Euro jährlich mit Abstand die größten Erträge generiert, kommt er auf eine deutlich höhere Kostendeckung: ÖPNV-Nutzer kommen für 62 Prozent der entstehenden Kosten auf, Autofahrer nur für 24 Prozent. Am schlechtesten schneidet dort laut der Uni Kassel jedoch der Lkw-Verkehr mit gerade einmal zehn Prozent ab.
Und nicht nur auf dieser rein betriebswirtschaftlichen Ebene wiesen Pkw und Lkw die schlechtesten Werte auf. Denn die Kasseler Wissenschaftler sind noch einen Schritt weitergegangen und haben zusätzlich eine Rechnung erstellt, bei der sie sogenannte "externe Kosten" miteinbezogen haben. "Das sind Kosten, für die nicht der Verkehrsteilnehmer selbst aufkommt, sondern etwa die Gesellschaft, andere Generationen oder Versicherungen", so Verkehrsforscher Sommer. Konkret hat sein Team die Kosten für Klimaschäden, Unfälle, Luftverschmutzung und Lärm abgeschätzt und dem Verkehrssystem zugeordnet. Auf der anderen Seite haben die Forscher dagegen auch gesundheitliche Nutzen bei Fußgängern und Radfahrern eingerechnet – da diese statistisch gesehen später sterben. "Die Aufwendungen und Erträge haben wir verursachergerecht zugeordnet", wie Sommer erläuterte.
Diese externen Faktoren machen die Ergebnisse der Studie noch deutlicher: "Wenn Sie alles zusammennehmen, erzeugt der Pkw-Verkehr mit Abstand die größten ungedeckten Kosten." Dort müssen Stadt und Gesellschaft in Heidelberg rund 121,3 Millionen Euro jährlich tragen – 808 Euro pro Einwohner. Gleichzeitig erzeugt der Radverkehr, der immer mehr an Bedeutung zunimmt, laut der Uni einen Nutzen von 94 Millionen Euro jährlich – 626 Euro pro Einwohner.
Es ist das erste Mal, dass die Stadt Heidelberg diese Zahlen nun schwarz auf weiß vorliegen hat. "Überrascht haben sie mich nicht", erklärte Verkehrsbürgermeister Jürgen Odszuck. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren habe man bereits eine Verkehrspolitik gemacht, die dem Rechnung trage und vor allem auf neue Rad- und ÖPNV-Strecken gesetzt. In derselben Sitzung hatte etwa auch der Verkehrsausschuss einen Vorschlag der RNV abgesegnet, nachdem ab 2021 für rund 1,23 Millionen Euro jährlich die Takte für Bahnen und Busse verdichtet werden.
Einigen Stadträten geht das nicht weit genug. "Der Pkw-Verkehr kostet uns sehr viel Geld und hat einen miserablen Deckungsgrad", ärgerte sich Christoph Rothfuß von den Grünen. "Da müssen wir uns fragen, wie wir Kosten reduzieren und die Erträge erhöhen können." Denn im nächsten Haushalt müsse man wegen der Corona-Krise ohnehin sparen. Zuschüsse, die dennoch in die Mobilität fließen, müssten dort ganz gezielt eingesetzt werden: "Geld im Verkehrsbereich ist am wirkungsvollsten im Radverkehr ausgegeben”, so Rothfuß.