Öffentliche Gelder sollen die Szene retten
17 Betreiber, Veranstalter und Kulturschaffende der Metropolregion setzen sich für die Szene ein.

Ende 2015 machte der Schwimmbad Musik Club dicht, im April 2017 wurde das Gebäude abgerissen. Foto: Philipp Rothe
Von Steffen Blatt
Heidelberg. Der Schwimmbad Musik Club ist schon geschlossen, ebenso das Häll, Ende des Jahres folgt die Nachtschicht, 2019 vielleicht das Ziegler – und nicht nur in Heidelberg fragen sich viele, ob die Live-Clubs langsam aussterben. Das treibt auch den Verein "Eventkultur Rhein-Neckar" um. Darum hat der Zusammenschluss von 17 Clubbetreibern, Veranstaltern und Kulturschaffenden der Metropolregion ein Förderkonzept für Live-Clubs ausgearbeitet, das er nun in die politische Debatte einbringen will.
> Die Ausgangslage: "Als Clubbetreiber steht man immer mit einem Bein im Knast, hat 14-Stunden-Tage und nur Ärger." Damit beschreibt Ingrid Wolschin, die zweite Vorsitzende von "Eventkultur" und Geschäftsführerin des Karlstorbahnhofs, etwas überspitzt die Rahmenbedingungen. Was sie damit meint: Die Zeiten, in denen ein Club von selbst lief, sind lange vorbei – und die Vorstellung von Betreibern mit goldenen Uhren und schnellen Autos habe wenn überhaupt auf die Discomanager der 1970er Jahre gepasst. Wer heute einen Club betreibt, der auch Live-Veranstaltungen anbietet, muss Vieles gleichzeitig im Blick haben: Abgaben an die Gema, die in Deutschland die Nutzungsrechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern wahrnimmt, Brand- und Schallschutzauflagen, Arbeitszeiterfassungsgesetz, Zahlungen an die Künstlersozialkasse und die Anforderungen von Künstlern an die Haustechnik sind nur einige davon.
Zudem hat sich das Ausgehverhalten des Publikums verändert. Waren früher Clubs an sieben Tagen der Woche voll, sind heute Öffnungszeiten allenfalls von Donnerstag bis Samstag eher die Regel. "Oft wird es auch erst ab Mitternacht voll, weil die Leute vorher noch Essen gehen oder woanders noch etwas trinken", sagt Wolschin. Die Konsequenz: Die meisten Clubs können ohne öffentliche Subventionen nicht bestehen. Doch die sind sehr unterschiedlich verteilt, und jeder Betreiber, der öffentliche Gelder will, sieht sich der Diskussion ausgesetzt, ob das nun Kultur oder Kommerz ist, was er da macht.
> Das Förderkonzept: Daraus schließt "Eventkultur Rhein-Neckar", dass es gar nicht um eine Bewertung des Angebots gehen darf. Der Vorschlag des Vereins sieht vor, dass auf Ebene der Metropolregion (oder auch in einzelnen Kommunen) ein Fonds mit mindestens 150.000 Euro eingerichtet wird, aus dem Clubs gefördert werden, die Konzerte oder DJ-Veranstaltungen anbieten, bei denen die Künstler eigene Werke aufführen – Abende mit Cover-Bands oder Partys, bei denen einfach nur Musik aus der Konserve abgespielt wird, zählen nicht. Als förderfähige Clubs gelten Betriebe mit einer Kapazität von bis zu 2000 Besuchern und mit mindestens 24 Live-Veranstaltungen im Jahr.
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Die Clubs sollen anhand ihrer Abgaben an die Gema gefördert werden, die sich unter anderem aus der Raumgröße sowie der Anzahl und Art der Veranstaltungen berechnen. "Damit würde man das Geld nach einem rein technischen Schlüssel verteilen und käme weg von der ewigen Diskussion, was Kultur ist und was nicht", sagt Felix Grädler, der Vorsitzende von "Eventkultur" und einer der Geschäftsführer der Halle 02. Langfristiges Ziel sei die vollständige Erstattung der Gema-Abgaben. In Hamburg gibt es ein ähnliches Modell seit Jahren. Für Wolschin hätte der Fonds keinen Einfluss auf die sonstigen Subventionen, die Kulturhäuser wie etwa der Karlstorbahnhof bekommen. Und Grädler sieht den Fördertopf nicht einmal im Kulturressort angesiedelt, sondern eher bei der Wirtschaftsförderung.
> Die Studie: Untermauern will der Verein seine Forderungen mit einer Studie, die jetzt anläuft. Dafür soll zunächst in der ganzen Metropolregion das Publikum zum Angebot der Veranstalter befragt werden. Weiterhin soll eine Online-Umfrage bei den Akteuren der Veranstaltungswirtschaft Erkenntnisse über deren aktuelle Situation und die Wirtschaftskraft der Branche liefern. Zuletzt sollen 20 relevante Arbeitgeber der Region dazu befragt werden, welche Rolle Live-Clubs und ähnliche Betriebe als Standortfaktor etwa für hoch qualifizierte Mitarbeiter spielen. Bei der Studie kooperiert "Eventkultur" mit der Dualen Hochschule und der Popakademie in Mannheim sowie mit der IHK Rhein-Neckar, der Gründungsförderungsgesellschaft "Startup Mannheim" und dem Metropolregion-Verband. Die Ergebnisse sollen im dritten Quartal 2018 präsentiert werden.
Im besten Fall kommt dann heraus, was Grädler und Wolschin schon jetzt sagen: Dass eine lebendige Clubszene ein Standortvorteil für die Metropolregion ist. "Einerseits wird geklagt, dass junge, qualifizierte Leute abwandern – die Städte fragen sich aber selten, was diese Menschen eigentlich erwarten", sagt Wolschin. Und Grädler ergänzt: "Hoch qualifizierte Arbeitnehmer gehen auch ins Theater oder zum Heidelberger Frühling. Sie wollen aber gleichzeitig ein Angebot an Konzerten oder Club-Veranstaltungen."