15 Jahre Halle 02 Heidelberg

Pfadfinder zwischen Subkultur und Mainstream (plus Video und Fotogalerie)

Hannes Seibold und Felix Grädler, Geschäftsführer der Halle 02, erzählen im RNZ-Interview, wie aus einem Künstlerkollektiv ein Heidelberger Kulturunternehmen wurde

21.04.2017 UPDATE: 22.04.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 19 Sekunden

Felix Grädler und Hannes Seibold vor der neuen Halle im August 2015. Archivfoto: Rothe

Von Alexander R. Wenisch

Seit 15 Jahren besteht die Halle 02 (unser Dossier zum Jubiläum finden Sie unter www.rnz.de/halle02) in der Heidelberger Bahnstadt. Angefangen haben die Jungs als kleines Künstlerkollektiv "Atelier Kontrast" – mittlerweile hat sich die Halle mit Top-Konzerten, Partys, einem urbanen Restaurant und einem Co-Working-Büro zu einem echten Kulturunternehmen gemausert – mit zwölf festen Mitarbeitern, sechs Azubis und 95 Aushilfen. Wir haben uns mit den beiden Geschäftsführern Hannes Seibold (42) und Felix Grädler (33) zum Gespräch getroffen.

15 Jahre Halle 02 – seid Ihr noch Subkultur oder ist das schon lange Mainstream?

Felix (schmunzelt): Wir sind mit unserer Größe eher eine Mischform. Wir versuchen natürlich, mit Konzerten oder Partys Geld zu verdienen. Das geht nur über Mainstream-Veranstaltungen. Gleichzeitig haben wir aber immer noch das Gespür für Nischenthemen, versuchen kontinuierlich internationale Trends nach Heidelberg zu holen. Da sind wir kulturelle Pfadfinder.

Felix, Hannes, Ihr habt zwei, drei harte Jahre hinter Euch, weil sich der Um- und Ausbau der Halle länger gezogen hat, als gedacht. Wie ist Eure Verfassung momentan?

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Felix: Der politische Kampf ums Überleben, die Finanzierung und die Umbauphase, das war schon sehr hart. Wir mussten sogar Leute entlassen, andere auf Kurzarbeit setzen. Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt und wir können uns wieder auf unser Kerngeschäft konzentrieren.

 

Wie hat sich für Euch die Kulturlandschaft in den vergangenen 15 Jahren verändert?

Hannes: Wir merken das vor allem im Musikbereich. Die Bands verdienen heute ihr Geld ja nicht mehr über Plattenverkäufe, sondern mit Auftritten. So ist auch der Bedarf an größeren Hallen entstanden, auf den wir reagiert haben. Und siehe da: Mittlerweile kommen auch tolle Bands zu uns nach Heidelberg, die uns vorher nicht auf der Landkarte hatten.

Merkt Ihr, dass der Schwimmbad-Club geschlossen ist?

Hannes: Bei den Konzerten hatte sich das ja schon lange abgezeichnet; Bands von nationaler und internationaler Bedeutung sind da ja schon lange – aus besagten Gründen – nicht mehr aufgetreten.

Das heißt: Die Konkurrenz ist mittlerweile der Karlstorbahnhof?

Felix: Nein. Die Konkurrenz ist national. Bei den Auftritten angesagter Bands kämpfen wir gegen Clubs in Göppingen, Wiesbaden, Freiburg oder Karlsruhe. Wir versuchen damit zu punkten, dass die Betreuung der Musiker reibungslos klappt, sich die Künstler bei uns wohlfühlen – und sich das herumspricht.

Ihr seid als Künstlergruppe gestartet – aber das Thema kommt in letzter Zeit etwas kurz. Habt Ihr die Lust daran verloren?

Hannes: Das liegt an den fehlenden Möglichkeiten. Es sollte ja eine Bürgerbeteiligung geben, was mit dem letzten Drittel des alten Güterbahnhofs passieren soll. Gleichzeitig wuchs der Bedarf an Kinderbetreuung in der Bahnstadt. Konsequenz: In den Räumen, aus denen wir eigentlich ein Atelier machen wollten, befindet sich nun eine Kita. Wir hatten ja mit unseren Kunstprojekten ein sehr hohes Niveau erreicht, hatten internationale Künstler in der Stadt – denen muss man eine entsprechende Location bieten. Quasi Nebenbei-Ausstellungen im Restaurant "Neo" oder in der Konzerthalle bieten sich da einfach nicht an.

Gerade mit Euren Mainstream-Partys steht Ihr ja immer wieder in der Kritik. Woran liegt das, dass Ihr beim Publikum einen guten Ruf habt, in der Stadt aber nicht?

Hannes: Ich glaube, unser Problem ist, dass wir in keine Schublade gesteckt werden können.

Felix: Ich weiß gar nicht, ob das Image wirklich so schlecht ist "in der Stadt". Aber natürlich wird eine Gruppe, die Neues bringt, die Dinge anders anpackt, auch kritisch beäugt. Damit mussten wir lernen umzugehen.

Oder wenn Ihr Hip-Hop-Künstler auftreten lasst, die wegen sexistischer Texte bekannt sind.

Felix: Soll ich die dann draußen lassen, sollen wir unser Programm zensieren? Das will ich nicht. Ich will, dass sich das Publikum aktiv auch mit solchen kritischen Inhalten auseinandersetzt. Und: Wahrscheinlich würden wir auch etwas falsch machen, wenn wir in der Stadt komplett außerhalb von Kritik laufen würden. Im Gegenteil: Ich würde mir wünschen, es gäbe noch mehr kulturelle Vielfalt in Heidelberg.

Inwiefern?

Felix: Wir haben hier fast 40.000 Studenten - aber eine Kulturszene, die das junge Potenzial nicht widerspiegelt. Ich glaube, da wäre mehr drin – und wir suchen die Nischen und versuchen, sie zu füllen.

Die Kulturförderung der Stadt wurde gerade umgestellt. Ihr müsstet euch mit Einzelprojekten bewerben. Habt Ihr da überhaupt Lust zu oder lebt es sich ohne Förderung freier?

Hannes: Wir hätten die Clusterförderung, wie sie andere Städte machen, superfair gefunden: Die verschiedenen Häuser bekommen aus dem Topf Gelder entsprechend der Menge ihrer Veranstaltungen. Dass jetzt nur noch Einzelprojekte und kein laufendes Programm unterstützt werden sollen, finde ich schade. Wir werden uns natürlich mit ein paar Projekten wie dem "Alternativen Frühling" bewerben, aber so richtig passend ist die neue Förderstruktur für uns nicht.

Felix, Du bist selbst Stadtrat, standest da auch öfter in der Kritik. Bereust Du den Schritt, Dich politisch zu engagieren?

Felix: Nein, auch wenn mein Engagement für die Halle 02 nicht eben förderlich war, zugegeben. Aber ich will Stimme sein für meine Generation im Gemeinderat und will meine Kompetenz in Sachen Kultur einbringen. Wenn Entscheidungen anstehen, bei denen es um die Halle 02 geht, da bin ich befangen, das ist klar. Darum werde ich mich dann auch an entsprechenden Debatten und Abstimmungen nicht beteiligen.

Hannes, ich habe im Archiv ein Zitat von Dir gefunden: "Es wird mir für meinen Lebensweg nichts bringen, einmal 15 Jahre Chef der Halle 02 gewesen zu sein." Hast Du Dich mit deinem Schicksal abgefunden?

Hannes: Sagen wir: Man wächst ja mit seinen Aufgaben. Und zum Glück ist unser Job so abwechslungsreich, dass mir da nicht langweilig wird. Im Moment konzentriere ich mich zum Beispiel auf Veranstaltungen für Firmen, die unser Haus für ihre internen Treffen buchen können. Ich bin damit ganz happy.

Welche Rolle spielen solche Firmenevents für Euer Unternehmen?

Felix: Die Business-Veranstaltungen und die Mainstream-Partys sind sozusagen unsere eigenen Subventionen. Da können wir Geld verdienen, um uns auf der anderen Seite schöne, aber eher unrentable Kulturveranstaltungen leisten zu können. Andere Häuser machen das so nicht, aber für uns ist das ein passendes Modell.

Hannes: Wir brauchen ein stabiles wirtschaftliches Standbein. Da sehe ich für die Zukunft drei Projekte. Erstens werden wir Anfang Juni unseren Biergarten eröffnen. Dann suchen wir die Zusammenarbeit mit dem neuen Kongresszentrum und dem neuen Großkino. Und drittens freuen wir uns auf die neue Großsporthalle. Da können wir Bands – wie zuletzt zum Beispiel Wanda – in Heidelberg halten, die jetzt noch nach Mannheim abwandern, weil es dort die etwas größeren Konzert-Räume gibt.

Und wie lange dauert es, bis Ihr als Geschäftsführer Eure erste Million gemacht habt?

Felix: Die haben wir schon: Wir haben in 15 Jahren zwei Millionen Besucher gemacht (lacht). Aber im Ernst: Der Kulturbereich ist kein Job, in dem man reich wird. Das war vor 30 Jahren als Disco-Betreiber mal so. Wenn wir wirklich Kohle machen wollten, müssten wir sagen: Wir machen nur noch Firmen-Events und lassen die Kultur komplett bleiben. Aber da haben wir keine Lust drauf, weil an der Kultur natürlich unser Herz hängt.

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