Bürgermeister Erichson will den Heidelberger Migrationsrat reformieren

Berufung statt Wahl - Fraktionen sind offen für Pläne - AMR-Vorsitzender Allimadi greift den Integrationsbürgermeister scharf an

10.04.2016 UPDATE: 11.04.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden

Das Heidelberger Rathaus. Foto: RNZ-Archiv

Von Sebastian Riemer

Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson plant, die Wahl der Mitglieder des Ausländerrats/Migrationsrats (AMR) abzuschaffen. Stattdessen sollen sie künftig zeitgleich zur Kommunalwahl vom Gemeinderat berufen werden. Über eine entsprechende Beschlussvorlage wird am 21. April im AMR und am 10. Juni im Gemeinderat abgestimmt.

Vor dem Hintergrund der seit der Gründung im Jahr 1989 drastisch zurückgegangenen Wahlbeteiligung hatte es im Jahr 2013 ein Partizipationsforum gegeben, bei dem über die künftige Möglichkeit der politischen Teilhabe von Menschen mit ausländischen Wurzeln diskutiert wurde. "Wir haben damals gesagt, dass wir noch einmal eine Urwahl machen, abgekoppelt von der Gemeinderatswahl, so wie es der AMR immer wollte", sagt Erichson gegenüber der RNZ. Dennoch beteiligten sich bei der Wahl im Juni 2015 mit 2,7 Prozent weniger Wähler als je zuvor. "Deshalb hätte ich vom Gemeinderat gerne eine Grundsatzentscheidung."

Die Beschlussvorlage des Integrationsdezernats zählt die Probleme des Gremiums auf. In der laufenden Amtszeit sind konstant nur knapp über 60 Prozent der Mitglieder anwesend, häufig ist der AMR nicht beschlussfähig. Zudem seien viele Mitglieder kaum an die jeweiligen "Communitys" angebunden und könnten ihrer Beratungsfunktion so kaum nachkommen. "Wir versprechen uns von einem Berufungsverfahren eine wirkliche Politikberatung", so Erichson.

In den vergangenen Jahren haben viele Kommunen - etwa Stuttgart und Karlsruhe - ein Berufungsverfahren eingeführt. Auch in Mannheim erfolgt die Auswahl der Kandidaten durch eine Berufungskommission aus Vertretern des amtierenden Migrationsbeirates, der Migrantenvereine und des Gemeinderates. "Ich kann mir ein Verfahren nach dem Mannheimer Modell gut vorstellen, bin da aber nicht festgelegt", sagt Erichson. In Heidelberg könne man das Interkulturelle Zentrum sowie die "Allianz der Vielfalt" als Dachverband der hiesigen Migrantenvereine einbinden.

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Der Integrationsbürgermeister und das Gremium - besonders dessen Vorsitzender Michael Allimadi - liegen schon lange im Clinch. Entsprechend scharf reagiert Allimadi auf Erichsons Vorstoß: "Der Plan, sich ohne substanzielle Diskussion eine Blankovollmacht vom Gemeinderat geben zu lassen, spiegelt, wie sehr Bürgermeister Erichson sich gewandelt hat." Früher habe er Heidelberg zum "Leuchtturm von Integration" machen wollen, diese Pläne seien nun das genaue Gegenteil, "ein gestriger, hierarchischer Ansatz".

Die in der Vorlage genannten Probleme des AMR bezeichnete Allimadi als "verschleierte Selbstanklage des Integrationsbürgermeisters", denn dieser sei für die meisten selbst verantwortlich. So seien die Mittel für die Wahlwerbung kaum eingesetzt worden und viele hätten angeblich die Wahl boykottiert, "als Protest gegen die Art und Weise, wie er die letzte Satzungsänderung gegen den Willen des AMR durchgezogen hat". Zudem verkenne Erichson die Prioritäten des AMR: "Während wir uns um Flüchtlinge, Arbeitsmarkt, Sprach- und Bildungsförderung, bezahlbaren Wohnraum kümmern, konzentriert er sich auf Formalismen." Viele Mitglieder seien in drei oder mehr Migrantenselbstorganisationen, jene mit weniger Bindung seien eben erfolgreich integriert. "Daraus darf man doch keinen Vorwurf konstruieren." Allimadi meint, dass der "ursprüngliche Herr Erichson, der intelligente, aufgeschlossene, sympathische Mann, mit dem wir gerne zusammengearbeitet hätten, verloren gegangen scheint".

Die Mehrheit des Gemeinderats steht der Vorlage offen gegenüber, will sich aber noch nicht auf eine Seite schlagen. Die drei großen Fraktionen CDU, Grüne und SPD betonen auf RNZ-Anfrage einhellig, dass sie den städtischen Vorstoß als Grundlage für einen Diskussionsprozess - gemeinsam mit dem AMR - sehen, an dessen Ende ein Benennungsverfahren stehen könnte.

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