Von Martina Birkelbach
Eberbach. 20 Seelsorger der Feuerwehr waren am Dienstag bei dem Busunglück in der Odenwaldstraße vor Ort. Der stellvertretende Leiter des Feuerwehr-Seelsorge-Teams, Mario Horvath, erzählt von dem Tag.
Herr Horvath, wie lief die Kommunikation innerhalb der Feuerwehr am Dienstag nach dem tragischen Busunfall in Eberbach?
Ich habe eine sehr strukturierte und professionell geführte Einsatzstelle vorgefunden. Alle Kräfte vor Ort - ob Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei, Technisches Hilfswerk, DLRG oder auch die Vertreter der Stadtverwaltung - haben den Einsatz ruhig abgearbeitet. Auch oder trotz der Tatsache, dass viele Kinder betroffen waren, was mit Sicherheit keinen von uns kalt lässt. Im Nachgang zum Einsatz gab es eine Besprechung, um auch aus einsatztaktischer Sicht den Einsatz zu beleuchten, und auch alle Einsatzkräfte auf einen Stand zu bringen, da jeder natürlich nur einen Teilaspekt der Gesamtsituation miterlebt hat.
Wann waren Sie vor Ort, wie lange und wie viele ihrer Kollegen waren dabei?
Die PSNV-Kräfte wurden um 7.22 Uhr alarmiert, ich selbst war um 7.43 Uhr vor Ort. Den Einsatz vor Ort haben wir um 15.30 Uhr beendet. Insgesamt waren 20 Seelsorgerinnen und Seelsorger seitens des Feuerwehr-Seelsorge-Teams und des Notfallnachsorgedienstes im Einsatz. Der Einsatz für uns ist allerdings noch nicht abgeschlossen, wir haben bis Freitag dieser Woche eine gesonderte Bereitschaft eingerichtet, um im Bedarfsfall schnell Hilfe geben oder vermitteln zu können.
Es war ein grausames Bild an der Unfallstelle - verletzte Personen, schreiende Kinder, völlig aufgelöste Eltern. Was haben Sie zuerst gemacht?
Als erste eintreffende Führungskraft des PSNV-Bereichs habe ich mir gemeinsam mit der Einsatzleitung der Feuerwehr und des Rettungsdienstes einen Überblick über die Lage verschafft. Dann war schnell klar, dass eine zentrale Anlaufstelle für Angehörige geschaffen werden muss und dass viele Personen auch ins Krankenhaus Eberbach eingeliefert werden. Ich habe daher auf die Anlaufstelle bei den Stadtwerken und im Krankenhaus mehrere PSNV-Teams verteilt, die dort für die Angehörigen ansprechbar waren. Zusätzlich wurde der Transport der Verletzten ins Krankenhaus begleitet und auch die örtlichen Schulen mit Seelsorgeteams auf Anforderung unterstützt.
Wen haben Sie betreut?
Wir haben insgesamt 80 Personen vor Ort an verschiedenen Stellen betreut. Dies waren neben den Kindern und Jugendlichen natürlich eintreffende Angehörige, Geschwister und Freunde. Hinzu kamen noch Ersthelfer und Unfallzeugen. Ebenso gab und gibt es für die Einsatzkräfte die Möglichkeit, sich mit unseren Seelsorgern zusammenzusetzen.
Wie helfen Sie den Betroffenen?
Die erste Frage ist natürlich "Wo ist mein Kind und wie geht es ihm?". Hier geht es in einer solchen Einsatzlage mit einer hohen Verletztenanzahl zunächst um die Ermittlung und Weitergabe von gesicherten und belastbaren Informationen. Hier gilt es möglichst konkret auch nicht nur positive Informationen weiterzugeben. Falsche Hoffnungen können und wollen wir nicht aufkommen lassen. Nachdem diese Dinge geklärt sind, wird versucht das soziale Netzwerk zu aktivieren. Es wird versucht weitere Familienangehörige oder Freunde hinzuzuziehen, um die Situation zu stabilisieren. Aber auch ein Gespräch vor der Station im Krankenhaus kann gewünscht sein - gemeinsames Warten. Oder ein ruhiger, warmer, trockener Raum um zur Ruhe zu kommen - abgeschirmt von den Eindrücken und Geräuschen der Einsatzstelle. Oder wie in vielen Fällen, da sein und die Situation gemeinsam aushalten. Oft braucht es als Stütze gar keine Worte. Gerade auch wenn dem Notfallseelsorger vielleicht selbst die Worte für das Geschehene oder Erklärungen fehlen. Die Patentlösung gibt es nicht, jede Betreuung ist individuell und muss auf die Bedürfnisse der betreuten Person zugeschnitten werden.
Was war für Sie persönlich am Dienstag das Schlimmste?
Als Einsatzkraft möchte man gern schnell und zielgerichtet handeln. Schwierig wird es immer dann, wenn man eine gewisse Zeit zum "Nichtstun" verdammt ist und auf weitere Informationen warten muss. Im konkreten Fall war die Zeit, bis man einen kompletten namentlichen Überblick über die betroffenen Personen und deren medizinischen Zustand hat, gefühlt sehr lange. Bei einer derart hohen Anzahl von Verletzen dauert dies natürlich seine Zeit, aber man möchte wartenden Angehörigen schnellstmöglich die Info geben, wo die gesuchte Person ist und wie es dieser auch geht.
Marc Förster. Foto: privatIm Einsatz war auch Marc Förster, der neue Seelsorger der FFW Eberbach. War es sein erster Einsatz in Eberbach?
Marc Förster war nicht als Notfallseelsorger eingesetzt, sondern hat den Einsatz von Beginn an als Mitglied der Feuerwehr Eberbach in der technischen Rettung absolviert. Natürlich steht er z.B. im Nachgang seinen Kameraden als erster Ansprechpartner innerhalb der Wehr zur Verfügung. Ihm geht es wie auch den anderen eingesetzten Feuerwehrleuten gut.
Gab es solch ein tragisches Ereignis schon einmal in Ihrer Dienstzeit?
Jeder Einsatz trägt seine eigene Tragik in sich. Hier eine Bewertung vorzunehmen fällt mir schwer. Wiegt dieser Unfall schwerer als z.B. ein Verkehrs- oder Betriebsunfall, bei dem eine Person zu Tode gekommen ist? Oder wenn nach längerer Reanimation die Bemühungen seitens der Rettungsdienste eingestellt werden und die Angehörigen im häuslichen Bereich zu betreuen sind? Ich möchte hier bewusst keine Bewertung vornehmen. Aber zweifellos haben Einsätze bei denen Kinder betroffen sind, eine besondere Qualität. Ich hoffe, dass alle Personen überleben und vollständig genesen.
Sie betreuen vor Ort, was empfehlen Sie Eltern der betroffenen Kinder für die Zeit danach?
Es ist völlig klar, dass man auf ein so außergewöhnliches Ereignis auch außergewöhnlich - quasi nicht "normal" reagiert. Dass sich z.B. die Gedanken ständig um das Erlebte drehen, Albträume oder auch Schlaflosigkeit können solche Stressreaktionen im Nachgang sein. Körperliche und auch psychische Reaktionen sind völlig normal und auch der Beginn der Verarbeitung des Erlebten. Erst wenn sich diese Reaktionen nach einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen nicht verbessern oder abmildern, sollte eine qualifizierte, professionelle Nachbetreuung oder Therapie in Angriff genommen werden. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche andere Verarbeitungsstrategien haben, als dies bei Erwachsenen der Fall ist. Kinder drücken in vielen Fällen das Erlebte im Spiel, in Zeichnungen oder auch in Gesprächen mit gleichaltrigen Freunden aus - und verarbeiten dies dadurch.
Im Einsatz konzentrieren Sie sich auf Ihre Arbeit. Gibt es auch für Sie persönlich eine "Zeit danach", die es zu verkraften gilt? Wie machen Sie das?
Die persönliche Einsatznachsorge bzw. Psychohygiene muss es geben. Es ist wichtig, die Eindrücke aus den Einsätzen nachhaltig zu verarbeiten. Es darf hier nichts "hängen" bleiben, sonst trägt man im Laufe der Zeit selbst eine zu große Last mit sich. Neben Supervisionen, in denen Einsätze nachbesprochen werden, entwickelt jeder für sich selbst Strategien. Neben der Familie und meinen Kameraden in der Feuerwehr helfen mir meine Hobbys und Sport, um hier für mich selbst einen Ausgleich zu finden.