Platzangst, Sahnetorten und die Black Eyed Peas – So lief Tag 2 (plus Fotogalerie)
Ski Aggu, Sido und die Black Eyed Peas mit neuer Sängerin: Zum Finale fahren die "Glücksgefühle" nochmal richtig auf.

Von Daniel Schottmülle
Hockenheim. Was soll diesen musikalischen Vollrausch eigentlich noch toppen? Eine berechtigte Frage für die rund 150.000 Glücksgefühle-Jünger, nachdem Apache, Scooter und Co. bereits am Freitag den Hockenheimring gerockt haben. Wer von den Besuchern auf den Campingplätzen genächtigt hat, zieht den Kajalstrich am Samstagmorgen einen Hauch dicker als sonst oder setzt direkt die schnelle Brille auf. Noch ein bisschen Glitzer auf die Backe und das Finale kann starten. Die meisten, die vorbei an Kuscheltiergreifern, Fressbuden, Riesenrad und Free Fall Tower auf die Rennstrecke strömen, spielen in einer ähnlichen Altersklasse wie Lukas Podolski. Aber auch die Gen Z findet am Nachmittag einen Anlaufpunkt. Ausgerechnet auf der Euphoria Stage bietet Paula Hartmann ein hochspannendes Kontrastprogramm zu den Döpp-Döpp-Sounds, die einen zwischen den Bühnen auf Schritt und Tritt verfolgen.

Paula – schwarzer Schlabberpulli, blondes Haar, babyblaue Augen – hat eine dieser Stimmen, die einen nicht so schnell wieder loslässt. Unendlich melancholisch und so poetisch wie konkret beschreibt die 24-Jährige die Großstadt bei Nacht. Die Mädels, die auf der Clubtoilette "Kreide" ziehen und die Männer, die ihnen im U-Bahn-Gedränge an den Arsch grapschen. Paula singt von Angst, Verlust und Todessehnsucht. "Ich will feiern – heißt: Ich fühle mich allein", stimmt das sonst dopsige "Glücksgefühle"-Publikum ein. Auch weil diese junge Frau eine vertrauenswürdige Achterbahnlenkerin ist – mal kracht man mit ihr ins tiefste "Es gibt kein Happy End"-Tal, um sich dann aber wieder umso intensiver hoch zu singen, rappen, rocken ...

Okay, zur Wahrheit gehört auch: Bei Ski Aggu ist direkt danach mehr los. Der Andrang vor der Dopamin Stage ist sogar so stark, dass es fast gefährlich wird. Während kurz vor dem Konzert noch fröhlich-trashig "All I Want For Christmas" in Carl Orffs "In der Halle des Bergkönigs" übergeht, drängt sich nämlich alles so dicht, dass es bald kein vor und zurück mehr gibt. Einige geraten leicht in Panik. Andere versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und singen Aggus Atzen-Hits Schulter an Schulter mit all den anderen Zusammengequetschten mit. Der Berliner Friesenjung braucht sich derweil nichts vorwerfen zu lassen. Als musikgewordenes Meme fackelt er ein wahres Technorap-Feuerwerk ab – inklusiver einer nicht spiel- dafür aber brennbaren E-Gitarre. "Knutscht miteinander rum!", jauchzt Aggu vergnügt.
Ja, auch dank dem Mann im weißen Skiunterhemd ist der Samstag angeheizt. Ein paar Hundert Meter weiter lässt sich Nico Santos auf Händen tragen, wenn er nicht gerade seinem Schlagzeuger beim Trommeln hilft. Für besondere Freude sorgt hier das improvisierte Cover von Vanessa Carltons "A Thousand Miles". Noch besser lässt es sich nur bei Sido mitsingen – von "Astronaut" über "Bilder im Kopf" bis hin zu dem Song mit dem explizitesten Titel und dem fröhlichen "Dap-da-da-da-daah-daah"-Chorus ... Die ersten Reihen ("Wär’s okay, wenn ick mir einen dampfe?") dürfen bei Onkel Siggi sogar ein bisschen mitkiffen.
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Den vorläufigen Exzess-Gipfel besteigt dann aber Steve Aoki auf der Cloud 9 Stage. Der Mann aus Miami "verhoust" den Ärzte-Song "Junge", holt sich Natalie Horler von Cascada auf die Bühne und feuert am Ende – kein Witz – mindestens sechs Sahnetorten in die Gesichter seiner abschussbereiten Fans. Was für ein Auftritt!
Zeit für das große Finale. Die Black Eyed Peas kommen zwar eine Viertelstunde zu spät, spielen nur 45 Minuten und verwechseln Hockenheim zwei Mal mit Frankfurt. Aber, hey, am Ende ist es Wurst. Schließlich haben Will.i.am, apl.de.ap und Taboo genau das mitgebracht, was dieses Publikum liebt: Wummernde Bässe, mitsingbare Hooks und Energie ohne Ende. Das liegt nicht zuletzt an J. Rey Soul. "Fergie? Wer war nochmal Fergie?", fragt man sich fast als die Frau im Latex-Overall losledert. Zweitausender-Hits wie "Boom Boom Pow" jagt die neue leading lady Hits vom tiefen Register bis hinauf in die höchsten Höhen.
Und als wüssten die schwarzäugigen Erbsen, dass ihre Fans noch nicht so schnell nach Hause wollen, singen sie die Partyhymne "Tonight’s Gonna Be A Good Night" im Wechsel mit dem Publikum wieder und wieder und wieder. Es ist der perfekte Abschluss für ein Festival, das auch die kommenden zehn Jahre auf dem Hockenheimring für Glücksgefühle sorgen wird.