ESG-Chor Heidelberg

Zwischen Unbeschwertheit und Sünde

Händels "Messiah" in der Peterskirche - Für die geballte Energie der Sänger gab es Standing Ovations -

08.02.2018 UPDATE: 09.02.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 15 Sekunden

Die Heidelberger Peterskirche. Symbolfoto: Philipp Rothe

Von Simon Scherer

Heidelberg. Händels "Messiah" beginnt zu der Zeit, als der Messias-Gedanke der Menschheit noch unbekannt war. Xaver Detzels Dirigat beschrieb diese als Zustand der Verzweiflung und Tragik, indem er mit orchestraler Schwere bedrückende Grabesstimmung heraufbeschwor. Ein authentisch reagierendes Orchester der Peterskirche verankerte diesen Gemütszustand tief in den Gewölben. Aus allen Blickwinkeln setzte sich Xaver mit dieser Thematik auseinander. Ein Glücksfall, dass für dieses Oratorium zudem exzellente Solisten parat standen. Mit immenser dynamischer Spannweite entlockte Michael Connair seinem einfühlsamen Tenor unterschiedlichste Stimmcharakteristika: Grundlage für eine persönliche Textausdeutung, die jedem Wort andere Nuancen verliehen.

Ein komplett neues Kapitel schlug der ESG-Chor auf, als er von der Offenbarung Gottes Herrlichkeit kündete. Bei hell aufleuchtendem Klang und unglaublichem Bewegungspotenzial war nun ein Ziel zu spüren, für das man in vollem Tempo nach vorne preschte. Die grenzenlose Agilität ihres Chorleiters schaffte es sogar, noch rhythmische Pointierung in den vokalen Strom einzubauen. Grandios einprägsam, wie euphorisch Wörter wie "wonderful" bei Christi Geburt emporschossen. Unmittelbar und höchst plastisch. Sehr feinfühlig bekamen sie auch nahtlose Übergänge zu den Solisten hin, zum Beispiel der Altistin Katharina Magiera, die mit geschmeidiger Melodieführung ein zauberhaft atmosphärisches Timbre offerierte.

Über eine prachtvolle Stimme verfügt ebenso Michael Roman mit herrlich geerdetem Bass, der gewaltiges Fundament und ausgereifte Tiefen mit innerer Erregtheit paarte. Besang er die Finsternis, kleidete er seine Arien in malerische Lyrik ein, die das Orchester wunderbar fortsetzte. Als Vierte gesellte sich Sopranistin Julika Birke hinzu: glühend vor Intensität, bestechend scharf, leicht grell in der Färbung, dafür mit wirkungsvoller Emphase.

Eindruck machte auch Teil 2, wo alle Unbeschwertheit wie weggeblasen war, der Chor stattdessen die "Sünde" wie Blöcke in den Boden rammte. Mit filigranster Sensibilität trat hieraus die Altistin hervor. Selten löst ein Imperativ solche Impulse aus wie das "Auf, zerreißet ihre Bande" des Männer-Registers. Wurde über Tod und Auferstehung gesungen, standen sich konträrste Vokalstile gegenüber. Standing Ovations für zweieinhalb Stunden geballte Energie.

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