Sinsheim

Die Absage der Großveranstaltungen trifft die Vereine richtig hart

Fohlenmarkt und Baden-Württemberg-Tag hätten jetzt eröffnet werden sollen - Stadtkapelle vermisst gemeinsames Musizieren

19.05.2020 UPDATE: 20.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Kein Rummel: Fohlenmarkt und Baden-Württemberg-Tag hätten jetzt begonnen. Fotos: Christian Beck (2)

Von Tim Kegel

Sinsheim. Es gibt Dinge, die kann man nachholen. Und solche, die wohl einmalig bleiben: In letztere Kategorie fällt der Baden-Württemberg-Tag, der jetzt, zur Zeit des Fohlenmarkts ab Christi Himmelfahrt, vier Tage lang gefeiert worden wäre. Die Veranstalter, darunter neben dem Stadtmarketing und dem Land auch Dutzende Vereine, hätten "richtig einen reißen" wollen und rechneten mit 40.000 Besuchern – was beim Blick auf die Wetterprognosen nicht zu hoch gegriffen sein dürfte.

Was Sinsheim – nach der Absage der Landesheimattage vor dem Hintergrund des Corona-Virus – nun entgeht, zeigen allein schon einige Rahmendaten: Zwischen 130 und 140 Stände hatten sich für die Landesgewerbeschau angemeldet, die eine Art Fixpunkt des Baden-Württemberg-Tags ist. Die Veranstaltung sei "selten größer" geplant gewesen als in Sinsheim, sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht. Bei der Landesgewerbeschau präsentieren sich regionale und überregionale Unternehmen, Dienstleister, Tourismusverbände und Vereine. Sinsheim habe sich hier "auch wegen der touristischen Bemühungen in der Sinsheimer Erlebnisregion" extra ins Zeug legen wollen. Unter anderem geplant war ein gemeinsamer Stand aller Bürgermeister des noch jungen Zusammenschlusses.

Eine Nummer größer als üblich angelegt war auch ein Konzert auf dem neu sanierten Festplatz in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk: War man ursprünglich von 6000 Karten für die Show mit Sänger Laith Al-Deen und der Band "Glasperlenspiel" ausgegangen, so wurde das Kontingent – wenige Tage vor Beginn der Corona-Krise – noch auf 8000 Tickets erhöht, die die Gäste zudem nichts kosteten. Albrecht geht davon aus, dass der Durchschnitts-Besucher der Festtage für "mindestens 30 Euro, eher mehr" in Sinsheim konsumiert hätte.

Keine Eröffnung mit der Stadtkapelle (links oben), kein Rummel (rechts unten), ebenso keine Konzerte von Laith Al-Deen und Glasperlenspiel: Fohlenmarkt und Baden-Württemberg-Tag hätten jetzt begonnen. Fotos: artonsefa/earMusic Chris Gonz, Christian Beck (2)

Können hätte er das bei der örtlichen Gastronomie und an Vereins-Ständen: Speziell die Vereine habe man am Fest beteiligen wollen, schildert Albrecht. Jene hätten sich "nur ums Verkaufen kümmern müssen, Ausrüstung hätten wir bereit gestellt". Zwei große Biergärten sollten am Karlsplatz und am Burgplatz öffnen und Besuchermassen mit deren Kaufkraft ins Zentrum ziehen sollen. "Einen Fohlenmarkt machen wir wieder", sagt der OB, "das aber kommt nie wieder."

Auch interessant
Ende mit Schrecken: Die Heimattage 2020 in Sinsheim sind abgesagt
"Für unseren Berufsstand tödlich": Schausteller-Branche ist von Corona-Krise besonders stark betroffen
Bad Rappenau-Bonfeld: Das "Blacksheep"-Festival muss wohl abgesagt werden
Corona-Absagen rund um Sinsheim: Highland-Games und Ritterfest Angelbachtal fallen aus (Update)
Corona-Ticker Sinsheim: Wenig Veränderung bei Corona-Zahlen (ARCHIV)

Eine zentrale Rolle gespielt hätten wohl auch die Sinsheimer Musikvereine, etwa die Stadtkapelle, deren Vorsitzende Dr. Juliane Becker sich jetzt äußerte, was allein schon ein Fohlenmarkt-Ausfall bedeutet, wenn die Elsenzhalle am Vatertagsmorgen leer bleibt: Einen derart ruhigen Mai hätten die Verantwortlichen inklusive des Bauhofs und der Fleischerinnung "in den letzten 50 Jahren" wohl nicht erlebt. Für die Musiker der Stadtkapelle, die das Volksfest seit Jahrzehnten mit Blasmusik verschiedenster Stile eröffnen, sei es "ein ganz ungewohntes Gefühl", am Himmelfahrtstag frei zu haben. Der Fohlenmarkt sei für den Verein die erste größere Veranstaltung des Jahres und so etwas wie "der Beginn einer Sommertour". Einige der Bläser seien seit einem halben Jahrhundert immer dabei gewesen, sagt Becker. Die "lieb gewordene Gewohnheit" und die "wunderbare Stimmung" werde ihnen im Corona-Jahr genauso fehlen wie "die Perspektive von der Bühne herunter", die eine "ganz Besondere" sei. "Dann die Spannung, ob der Fassanstich gelingt", schwärmt Becker: Vor einigen Jahren hätten einige Musiker "eine Bierdusche umsonst bekommen".

In der Corona-Zeit ruht der Probenbetrieb, alle Auftritte hat die Stadtkapelle abgesagt. "Das ist besonders in diesem Heimattagejahr sehr schade", spricht Becker auch für etliche andere Musik- und Gesangvereine, zumal "ganz besondere Konzerte und Veranstaltungen geplant" gewesen seien, darunter ein "Gesamt-Konzert" aller Sinsheimer Musikvereine, bei dem, wie schon berichtet, über 120 Musiker auf der Bühne gestanden hätten und in dem zwei Jahre Vorbereitung stecken.

Etwas sehr Spezielles war beim Konzert der Stadtkapelle mit dem Männergesangsverein Konzertchor Reihen geplant gewesen: Die beiden Vereine hätten "eine Sinsheim-Hymne uraufgeführt", geschrieben von Christoph Ogiermann, dem bekannten Avantgarde-Komponisten aus Bremen, der bekanntlich an Sinsheim einen Narren gefressen hat.

Beide Konzerte sollen nun nachgeholt werden, das Gesamtkonzert im Oktober 2020, das Konzert mit dem MGV im nächsten Frühjahr. Bei den meisten der vielen Veranstaltungen ist jedoch ungewiss, ob sie überhaupt nachgeholt werden. Finanziell gehe die Stadtkapelle, wie viele Vereine, schwierigen Zeiten entgegen, weiß Becker: "Wir leben von den Auftritten und den Erträgen der Feste – Stadtfest und Weißwurstfrühstück. Fällt ja alles weg."

Wie es weitergeht, könne noch niemand sagen: Gemeinsames Musizieren mit Blasinstrumenten ist nicht erlaubt; Lockerungen seien keine in Sicht. Kontakt hielten die Mitglieder der Stadtkapelle nur über Telefon und soziale Medien: Auch an virtuellen Veranstaltungen habe man teilgenommen: "Klopapier-Challenge, Musik aus dem Fenster, Online-Orchester. Facebook, Instagram, Zoom-Meetings" könnten aber nicht das gemeinsame Musizieren ersetzen.

Bis zu den Sommerferien bleibe der Probebetrieb "auf jeden Fall ausgesetzt". Ob danach Proben erlaubt sind, "ohne Plexiglasscheiben zwischen den Musikern aufbauen zu müssen", müsse man sehen, sagt Becker. Der Verein wolle die Corona-Verordnung jedoch auf jeden Fall befolgen "und nicht zu früh wieder anfangen". Die Gesundheit von Musikern und Zuhörern wolle man "nicht leichtsinnig aufs Spiel setzen".

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.