Studie zum Clubsterben

In der Region ist viel mehr Live-Musik gefragt

"Eventkultur"-Studie belegt: Bewohner wünschen sich mehr Clubs in der Metropolregion - Veranstalter beklagen mangelnde Anerkennung

16.10.2018 UPDATE: 17.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Zum Abschied kamen weit über tausend Besucher: Die Nachtschicht auf dem Landfried-Komplex feierte Ende 2017 die letzte Party, weil ihr Mietvertrag nicht verlängert wurde. Zuvor hatte bereits der Schwimmbad-Club geschlossen. Foto: Rothe

Von Anica Edinger

Heidelberg. Erst die Stadt, jetzt der Verein "Eventkultur Rhein-Neckar": Fast zeitgleich haben beide eine Studie in Auftrag gegeben, die es schwarz auf weiß zeigen sollte: Ist das Phänomen des Clubsterbens hier wirklich angekommen - und wenn ja: Ist das ein Problem? Die Ergebnisse der städtischen Befragung wurden erst kürzlich vorgestellt. Jetzt zieht "Eventkultur" - ein Zusammenschluss von Clubbetreibern, Veranstaltern und Kulturschaffenden in der Metropolregion - nach. Vergangene Woche stellte der erste Vorsitzende des Vereins, Felix Grädler (hier im Interview), gemeinsam mit den beiden Studenten der Popakademie Mannheim, Magdalena Wilhelmstrop und Hendrik Meier, die Studie samt Ergebnissen in der Halle 02 vor. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

> Warum das Ganze? Ende 2015 machte in Heidelberg der Schwimmbad-Club dicht, kurz danach das Häll, Ende letzten Jahres schloss noch dazu die Nachtschicht: Allesamt etablierte Clubs und Diskotheken in Heidelberg, für die sich das Geschäft dennoch nicht mehr rentiert hatte. Das und überhaupt der Trend in ganz Deutschland hin zu dem Phänomen, das landläufig "Clubsterben" genannt wird, rief hier den Verein "Eventkultur" auf den Plan, der prompt ein Förderkonzept für Live-Clubs ausarbeitete. Doch ohne stichhaltige Argumentation kein Geld: Deshalb beauftragte der Verein eine Studie, die seine Forderungen untermauern sollte.

> Wer wurde da befragt? Die Studie des Vereins sind eigentlich zwei Studien, die jetzt zusammengeführt wurden. In einem ersten Schritt befragte die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) unter Leitung von Prof. Carsten Schröer 389 14- bis 49-Jährige in der Metropolregion zu ihrem allgemeinen Freizeit- und Ausgehverhalten. Im zweiten Schritt waren Spielstättenbetreiber und Veranstalter sowie wichtige Akteure aus Wirtschaft, Politik und Bildung gefragt. Sie wurden im Rahmen ihrer Masterarbeit von den beiden Studenten Magdalena Wilhelmstrop und Hendrik Meier, der kürzlich zum ersten Nachtbürgermeister Deutschlands gewählt wurde, interviewt: An der Online-Befragung nahmen 89 Spielstättenbetreiber und Veranstalter teil, persönlich befragt wurden zudem elf Stakeholder.

> Und was kam raus? Die jungen Leute wollen feiern gehen - und sie wollen Live-Musik hören. Im Rahmen der DHBW-Freizeitstudie rangiert das Feiern als viertgrößte Säule der liebsten Freizeitbeschäftigung neben Hochkultur, Sport und dem gemütlichen Ausgehen (Essen und Trinken). Zudem gaben 44 Prozent der 14- bis 19-Jährigen an, dass ihnen das Nachtleben "eher" oder "sehr wichtig" ist, bei den 20- bis 29-Jährigen sind es schon 59 Prozent. Und: Musik-Clubs stehen mit über 42 Prozent an zweiter Stelle auf die Frage, welche Einrichtungen den Befragten für ein attraktives Nachtleben wichtig sind. Nur Kneipen und Bars waren den Befragten noch wichtiger.
Außerdem zeigte sich: Im Vergleich zu anderen Standortfaktoren - etwa Grünflächen oder schnelles Internet - ist die Zufriedenheit mit dem Nachtleben gering. Und so steht auch an erster Stelle der Verbesserungswünsche: mehr Auswahl an Clubs! Einige Zitate der Befragten illustrieren diese Ergebnisse. So sagte etwa Christian Wiens, Geschäftsführer des Heidelberger Startups "Get safe": "Heidelberg hat 40.000 Studenten und die Stadt ist, gerade im Kulturangebot ausgelegt auf Leute über 60. Ein Musikclub-Angebot ist mit Abstand der wichtigste Faktor, gerade für die junge Zielgruppe."

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> Was sagen die Clubs dazu? Bei der Befragung der Spielstättenbetreiber zeigte sich vor allem eines: Sie arbeiten defizitär. Steigende Betriebs- und Personalkosten oder auch Mangel an bezahlbaren Werbeflächen machen den Clubbetreibern laut der Online-Umfrage der Popakademie die meisten Sorgen. Zudem zeigte sich: "Die Veranstalter beklagen eine mangelnde gesellschaftliche und wirtschaftliche Anerkennung", erklärte Magdalena Wilhelmstrop.

> Und nun? Aus den Ergebnissen hat "Eventkultur" Handlungsempfehlungen abgeleitet. So sollten etwa die bürokratischen Hürden abgebaut, mehr Nachtbürgermeister eingesetzt, städtische Flächen für temporäre Clubs bereitgestellt oder auch Werbemöglichkeiten verbessert werden. Ein wichtiges Stichwort ist dabei auch Zwischennutzung. Außerdem legte der Verein "Eventkultur" vor gut einem Jahr ein Clubförderkonzept zur finanziellen Unterstützung - insbesondere von Live-Veranstaltungen - vor. Auch das könnte schnell Abhilfe schaffen.

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