Heidelberg

Die Stadt braucht mehr Clubs

Das ist das Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie - "Wichtig für den Wirtschaftsstandort" - Stadt müsse sich dafür stark machen

12.09.2018 UPDATE: 13.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Das alteingesessene "Cave 54" in der Krämergasse ist einer der ältesten Clubs in der Altstadt Heidelbergs. Dort spielen regelmäßig Bands, an den Wochenenden legen häufig DJs auf. Foto: Alex

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst des "Clubsterbens". Ob in Berlin, Freiburg oder Heidelberg: Immer wieder berichteten Medien zuletzt über das Phänomen. Aber stimmt das überhaupt? Und woran lässt es sich festmachen? Um diese Fragen für Heidelberg zu klären, hatte das Kulturamt gemeinsam mit dem Amt für Wirtschaftsförderung beim Geographischen Institut der Universität eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind jetzt da.

Stellten der RNZ exklusiv die Studie vor (v.l.): Kulturamtsleiterin Andrea Edel, Marc Massoth vom Amt für Wirtschaftsförderung sowie Johannes Glückler und Claudia Sandoval von der Universität. Foto: Rothe

Was steckt hinter der Studie? "Das Ziel war es, einen möglichst neutralen Blick auf die jüngste Entwicklung der Clubszene in Heidelberg zu werfen", sagt Johannes Glückler, Leiter des Geographischen Instituts, der die Untersuchung gemeinsam mit seiner Kollegin Claudia Sandoval durchgeführt hat. Die Bedeutung von Clubs und Nachtkultur sei Teil einer weltweit geführten Diskussion, die bereits in den 1990er Jahren mit der Entdeckung der "kreativen Klasse" eingesetzt habe.

Wer wurde befragt? Bei einer Online-Umfrage machten insgesamt 1238 Teilnehmer mit, im Durchschnitt waren sie 29 Jahre alt. Sie gaben an, von Juni 2016 bis Mai 2017 im Schnitt vier Mal einen DJ-Auftritt und knapp zwei Mal eine Livemusik-Veranstaltung besucht zu haben. Außerdem führten die Wissenschaftler insgesamt 13 Interviews mit Experten und Clubinhabern.

Gibt es das "Clubsterben" wirklich? Jein. Das Angebot an Musikveranstaltungen und Clubs in Heidelberg ist seit 2007 deutlich gesunken, was vermutlich auch daran liegt, dass sowohl der Schwimmbad-Club 2015 als auch die Nachtschicht 2017 dichtgemacht haben. Die Wissenschaftler fanden heraus: Die Zahl der Veranstaltungen in Heidelberg fiel allein in den letzten zehn Jahren um circa 60 Prozent, die Zahl der Veranstalter sogar um fast 65 Prozent. Besonders drastisch sei die Entwicklung vor dem Hintergrund, dass Heidelbergs Bevölkerung seit 2007 gleichzeitig um zehn Prozent gewachsen ist. Doch nicht nur in Heidelberg haben Club-Fans weniger Optionen. "Auch in anderen Städten sind die Zahlen der Clubs rückläufig", sagt Glückler. Anders als die anderen Städten hat Heidelberg jedoch noch immer mit dem Abzug der Amerikaner zu kämpfen. "Vielen Clubs fehlt seitdem das Publikum", erklärt Sandoval. Von einem Clubsterben wollen die Wissenschaftler allerdings nicht sprechen. Wohl auch, weil einige wenige Clubs, wie die Halle 02 oder der Karlstorbahnhof ihr Angebot zuletzt ausweiten konnten.

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Ist Heidelberg nicht eher Bar- als Clubstadt? Nein. Den Umfrageergebnissen zufolge zieht es zu später Stunde sowohl Studenten als auch Berufstätige in dieselben Clubs. "In Heidelberg gibt es keine alleinige studentische Feierkultur. Das zeigen unsere Ergebnisse deutlich", sagt Glückler.

Hintergrund

Was ist eigentlich ein Club? Laut städtischem Gewerberecht eine Gaststätte mit der Erlaubnis, regelmäßig Veranstaltungen durchzuführen - das heißt mehr als zwölf pro Jahr. "LiveKomm", der Verband der Musikspielstätten in Deutschland, definiert einen Musikclub als Ort

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Was ist eigentlich ein Club? Laut städtischem Gewerberecht eine Gaststätte mit der Erlaubnis, regelmäßig Veranstaltungen durchzuführen - das heißt mehr als zwölf pro Jahr. "LiveKomm", der Verband der Musikspielstätten in Deutschland, definiert einen Musikclub als Ort musikalischer Prägung mit mindestens 24 Konzerten pro Jahr - für maximal 2000 Gäste auf höchstens 1000 Quadratmetern. Die Heidelberger Studie hat nun drei Typen ausgemacht:

Musikclubs (über 24 Konzerte pro Jahr): Halle 02, Karlstorbahnhof, Villa Nachttanz, Cave 54, Breidenbach-Studios, Jazzhaus.

Clubs (über 12 Konzerte pro Jahr): Billy Blues/Zieglers, Ginsburg, Leitstelle, DAI, Kulturfenster, Jazzclub, Canoa, Karl, Bräustadl, Friedrich.

Musikspielstätten (gelegentlich Livemusik, regelmäßig DJ-Auftritte): Tangente, Jinx, Mel’s, Kaiser, Boho, Häll, Club 1900, The Saint, Mohr, Reichsapfel/Lager, Destille, Palmbräugasse, Joe’s Rock-Café, Grüner Engel, O’Reillys, Weinloch.

Info: Eine Karte mit allen Clubs gibt es auf www.rnz.de/heidelberg.

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Was wünschen sich die Clubgänger? Zwei Drittel der Befragten halten das "noch" bestehende Feier-Angebot für unverzichtbar. "Gerade die Untere Straße ist den meisten sehr wichtig", so Glückler. Zwei Drittel der Befragten wünschen sich außerdem ein größeres und breiteres Angebot. Insgesamt 60 Prozent befürworten längere Öffnungszeiten. Jeder fünfte Studienteilnehmer wünscht sich außerdem eine bessere Anbindung von Clubs sowie anderen Ausgehzielen.

Was wünschen sich die Clubbetreiber? Steigende Künstlergagen, steigende Gebühren, sinkende Besucherzahlen: Clubbetreiber hatten es in den letzten Jahren nicht leicht. Daher wünschen sie sich vor allem eines: mehr Unterstützung durch die Stadt, das heißt mehr Förderung für bestimmte kulturelle Veranstaltungen und weniger bürokratische Hürden. "Die Regelung der Sperrzeiten ist realitätsfremd und geschäftsschädigend", äußerte etwa ein Clubbetreiber. "Der Club bemüht sich ohne Erfolg seit 20 Jahren um eine Ausnahmegenehmigung für eine Gaststätte", berichtete ein anderer.

Braucht Heidelberg mehr Clubs? Ja, meinen die Experten. "Die Stadt könnte ein größeres Angebot vertragen", sagt Glückler. Denn Clubs seien die Geburtsstätten neuer Stile und Genres, Orte, wo gerade junge Künstler heranreifen könnten. "Clubs nehmen eine wichtige Rolle für den Wirtschaftsstandort Heidelberg ein", so Glückler. Daher müsse sich auch die Stadt um das Thema kümmern: "Eine lebendige Clubszene gibt es nur dort, wo sich die Verwaltung für Clubs stark macht."

Wie lässt sich das Clubsterben aufhalten? Die Wissenschaftler machen vier konkrete Vorschläge: Städte sollten für Livemusik-Veranstaltungen mehr Geld bereitstellen. Eine weitere Möglichkeit wäre, Gebühren für Plakatwerbungen zu senken. Zugute käme der Clubszene zudem, mehr städtische Flächen für neue Clubs bereitzustellen. Gleichzeitig machen die Wissenschaftler klar: Ohne einen besseren Dialog zwischen Clubbetreibern, Anwohnern und anderen Interessensgruppen geht es vermutlich nicht.

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