Mit den Schwertwalen im ''Loro Parque'' wird ausschließlich über die ''positive Verstärkung'' gearbeitet - also über Belohnungen. Foto: Thinkstock
Von Arndt Krödel
Der männliche Schwertwal wird zwar viel größer als sein Geschlechts-Pendant, aber sehr viel nützt ihm das auch nicht: "Die Weibchen haben die Hosen an", klärte Claudia Vollhardt ihr Publikum über die eindeutige Rollenverteilung bei dieser faszinierenden Spezies der Meeressäuger auf. Die Biologin muss es wissen, da sie tagtäglich mit sechs Exemplaren der auch "Orca" genannten tonnenschweren Tiere mit der charakteristischen schwarz-weißen Färbung und dem weißen Fleck am Auge zu tun hat.
In Puerto de la Cruz auf der Kanaren-Insel Teneriffa arbeitet sie als Tiertrainerin in der speziell für Schwertwale angelegten Anlage "Orca Ocean", einem Teil des "Loro Parque". Aufschlussreiche Einblicke in die Praxis dieser täglich von mehreren Tausend Menschen besuchten zoologischen Einrichtung gab sie in einem Vortrag bei den Sonntagsmatineen der Universität Heidelberg unter dem Thema "Schwertwale - und was wir von ihnen lernen können".
Das Becken im "Orca Ocean" fasst etwa 22 Millionen Liter Meerwasser, das aus 65 Metern Tiefe aus dem Meer hochgepumpt wird. Dass die Orcas - etwas reißerisch - auch "Killerwale" genannt werden, geht auf die Jagdmethoden dieser Raubtiere zurück, die auch andere Wale töten. Im Training arbeitet Claudia Vollhardt mit einer Technik, die auf Erkenntnissen der Lernpsychologie beruht: Bei der sogenannten "operanten Konditionierung" geht es um das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern. "Es ist ein Lernvorgang, bei dem das Verhalten durch die Konsequenz, die ihm folgt, in der Zukunft verändert wird", erläutert die Biologin.
Dabei arbeitet man mit den Schwertwalen ausschließlich über die "positive Verstärkung", also über Belohnungen. Das können Dinge sein wie Eiswürfel, Spielzeuge, ein spezieller "Wackelpudding" oder auch Gekraultwerden - "das lieben sie", verrät Vollhardt. Sie spricht hier von "sekundären Verstärkern", die erst belohnende Eigenschaften erlangen, indem sie mit "primären Verstärkern", die von sich aus schon belohnend sind, also z.B. Nahrung, gekoppelt werden. Jedes Tier hat nach ihrer Erfahrung seine Vorlieben. "Training ist die Kunst der Anwendung von auf wissenschaftlichen Erkennnissen basierenden Prinzipien", umschreibt die Orca-Spezialistin ihre Arbeit.
Eintönig ist demnach der Tag eines Orca nicht: "Wir versuchen, zwischen allen Trainingskategorien immer eine Balance zu halten, eine Variabilität". Modernes Training sei für die Tiere eine "mentale und körperliche Bereicherung" - auf spielerische Weise werden den Tieren sehr nützliche Dinge beigebracht, und gleichzeitig werden sie beschäftigt, erklärt Claudia Vollhardt.
Beim "Husbandery" etwa werden die Wale auf einer Metallplatte regelmäßig gewogen, um auch sicherzustellen, dass sie an Gewicht zunehmen. Routine ist auch die monatliche Entnahme von Blut- und Urinproben, um bei gesundheitlichen Störungen rechtzeitig eingreifen zu können. Letzteres geht ganz "einfach": "Wir haben ihnen beigebracht, auf Signal in einen Becher zu pinkeln", schildert die Biologin den Vorgang.
Da die Orcas bereits in zweiter oder dritter Generation in Menschenobhut geboren wurden, wissen sie nicht, was ein Ozean überhaupt ist. Deshalb absolvieren sie körperlich anstrengende Übungen, damit sie nicht als "Couch-Potato" enden, so Vollhardt schmunzelnd. Wichtig sei auch, immer wieder die Beziehung zum Tier zu pflegen und zu festigen. Bei den Shows sollen die Zuschauer über biologische Fakten aufgeklärt werden und auch so etwas wie eine emotionale Bindung zu den Walen herstellen.
Bei den Lerneinheiten werden neue Verhaltensweisen trainiert, z.B. das Befolgen von Handsignalen. Man kann aber auch nützliche Dinge für wissenschaftliche Projekte trainieren: So wurde das Orcaweibchen "Morgan", das 2011 völlig entkräftet aus dem niederländischen Wattenmeer gerettet wurde und nach ihrer "Aufpäppelung" nach Teneriffa kam, für einen Hörtest vorbereitet, weil sie nicht auf akustische Reize reagierte. Tatsächlich ergeben die Untersuchungen, bei denen Wissenschaftler aus aller Welt beteiligt waren, einen schweren Hörschaden.
Die Wiederauswilderung der Schwertwale ist natürlich eine Möglichkeit, wie Vollhardt erläuterte, die man auch versuche, wahrzunehmen, aber die Wirklichkeit ist oft eine andere als etwa in dem Hollywood-Streifen "Free Willy": Der Orca Willy hieß in Wirklichkeit Keiko, wurde durch Spendengelder aus einem mexikanischen Vergnügungspark freigekauft und im Atlantik ausgesetzt, wo er jedoch keinen Anschluss an andere Tiere fand und schließlich, geschwächt und krank, in einem norwegischen Fjord starb. Angesichts der zunehmenden Naturentfremdung der Menschheit wird sich nach Überzeugung der Biologin der Mensch-Tier-Konflikt zwangsläufig verschärfen. Die Bedeutung zoologischer Einrichtungen als Erlebnis- und Begegnungsstätten für die Zukunft werde eher noch zunehmen.
Info: In der nächsten Sonntagsmatinee am 16. November befasst sich Prof. Monika Hilker mit "Duftgeflüster: Kommunikation zwischen Pflanzen und Insekten mittels chemischer Signale". Beginn ist um 11 Uhr im Hörsaal 13 der Neuen Universität Heidelberg.