Noch vor zwei Jahren rechnete der Vorstand damit, dass das Großkraftwerk Mannheim auch noch im Jahr 2050 am Netz sein werde. Nun müssen die Kosten für den neuen Block 9 schon bis zum Jahr 2038 verdient werden. Foto: Alfred Gerold
Von Harald Berlinghof
Mannheim. Das Umweltforum Mannheim hatte bereits vor zehn Jahren gewarnt, dass der Bau von Block 9 im Großkraftwerk Mannheim (GKM) ein hohes wirtschaftliches Risiko birgt. Dieses Risiko ist seit dem Beschluss der Kohlekommission, bis 2038 aus der Verstromung von Kohle auszusteigen - den die Bundesregierung allerdings erst noch umsetzen muss - noch größer geworden. Üblicherweise werden solche neuen Kraftwerke für eine technische Laufzeit von 40 Jahren geplant, so ein Sprecher des Mannheimer GKM.
Der Block 9 in Mannheim ging 2015 ans Netz. Erst 2055 wäre so also seine zu erwartende Laufzeit beendet. Doch wenn der Beschluss der Kohlekommission umgesetzt wird, dann ist spätestens in 19 Jahren, also 2038, Schluss. Wobei man in Mannheim davon ausgeht, dass der Block 9 als eines der letzten Kohlekraftwerke vom Netz geht, weil der Kraftwerksblock zu den saubersten in ganz Europa gehört.
Niemand kann oder will im Moment genau sagen, bis wann man die Kosten des Kraftwerksblockes erwirtschaftet haben könnte. Ob das bis 2038 gelingt, scheint im Moment ein großes Geheimnis zu sein. Gelingt das nämlich nicht, stehen die drei Gesellschafter des GKM in der Pflicht. Größter Anteilseigner ist RWE mit 40 Prozent, es folgt die EnBW mit 32 Prozent und der MVV RHE AG mit 28 Prozent.
Letztere ist eine 100-prozentige Tochter der MVV-Energie AG, die zu rund 50 Prozent der Stadt Mannheim gehört. Letztlich wäre also auch die Stadt Mannheim mittelbar mit 14 Prozent Anteil und Kosten im Boot. Schwer ermittelbar ist der Zeitpunkt, wann der Kraftwerksblock die Wirtschaftlichkeit erreicht, allerdings auch aufgrund schwankender Strompreise an der Strombörse. Und ob die regionalen Kraftwerksbetreiber auf den Kosten sitzen bleiben, hängt auch davon ab, ob im künftigen Ausstiegsgesetz "Abwrackprämien" vom Staat festgelegt werden. "Für die Zeit nach 2025 liegen keine verbindlichen Preisprognosen für Strom, CO2 und Importsteinkohle vor. Wir sind jedoch zuversichtlich und gehen davon aus, dass sich die Kosten für Block 9 bis spätestens 2038 amortisiert haben werden", meint man beim GKM.
2017 blieben die Erlöse im GKM noch unter den Gestehungskosten. "Wenn der Block 9 einmal abgeschrieben ist, kommen wir in die Nähe der Großhandelspreise für Strom", hatte der damals noch neue kaufmännische Vorstand Holger Becker prognostiziert. Zwei Jahre zuvor hatte sein Vorgänger im Amt Markus Binder gesagt: "Das GKM und auch Block 9 werden noch nach 2050 am Netz sein". Und weiter: "In dieser Zeit wird das Kraftwerk auch wieder andere politische Rahmenbedingungen erleben". Was stimmte. Aber damit, dass sich die Rahmenbedingungen so drastisch verschlechtern, hatte er wohl nicht gerechnet.
Auch die Kohleimporteure fühlen sich ungerecht behandelt. Dort behauptet man, dass man in der Vergangenheit den Hauptbeitrag bei der CO2-Emissionsminderung erbracht habe. Der Brennstoffeinsatz zur Stromerzeugung habe sich zwischen 1990 und 2018 halbiert. Man zweifelt an der rechtzeitigen Fertigstellung der erforderlichen Gaskraftwerks-Kapazität, die nötig wäre, um die nicht konstant zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien im Bedarfsfall zu ersetzen. Natürlich fehlt auch nicht der Verweis auf politische Risiken beim Bezug von Erdgas aus Russland.
Doch jenseits aller Wirtschaftlichkeitserwägungen spielt in der Geschäftsleitung des GKM vor allem auch die Versorgungssicherheit eine Rolle. "Für uns steht die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und der Wirtschaft im Fokus", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des GKM. Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass das GKM als so genannte "Kaltreserve" bei hohem Strombedarf eingesetzt wird, wenn die erneuerbaren Energieträger aufgrund klimatischer Bedingungen ausfallen.