Hoffenheims Traum von Europa ist so gut wie ausgeträumt

Desolate Hoffenheimer werden von Eintracht Frankfurt beim 1:3 bestraft

10.05.2015 UPDATE: 11.05.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden

Hatte das Nachsehen: Torhüter Oliver Baumann. Seine Hoffenheimer Teamkollegen nahmen das zwischenzeitliche 3:0 für die Eintracht durch Chandler stoisch zur Kenntnis. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Frankfurt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Am Samstag kam es entgegen aller Befürchtungen zwar nicht zum Verkehrschaos wegen des Lokführerstreiks rund um die Bankenmetropole "Mainhattan", doch zumindest bei Hoffenheims Profifußballern musste ein Ausstand notiert werden. Pirmin Schwegler hatte sich jedenfalls seine Rückkehr nach Frankfurt ganz anders vorgestellt. Ein "intensives Spiel", wie es der Schweizer im Stadionmagazin prognostiziert hatte, zeigten nur die Angestellten seines ehemaligen Arbeitgebers. "Wir sind erst um 16.30 Uhr in Frankfurt angekommen", flüchtete Schwegler auf Grund der verschlafenen ersten Hälfte in Ironie, "und davor haben wir auf die Bahn gewartet …"

Eintracht Frankfurt beseitigte mit dem hoch verdienten 3:1 (3:0) gegen die TSG 1899 Hoffenheim die letzten Zweifel am Klassenerhalt, während der Kraichgauklub einmal mehr an einem entscheidenden Punkt der Saison scheiterte. TSG-Manager Alexander Rosen versuchte nach dem Debakel seine Gefühlswelt in passende Worte zu kleiden. "Sauer - ernüchtert - enttäuscht - verständnislos", sei er, sagte Rosen in der Mixed Zone. Er musste spürbar an sich halten, die "Wiederholungstäter" nicht abzuwatschen. Rosen erzürnt: "Wir stehen vor einer Hürde - und wir laufen dagegen. Nach ein, zwei Situationen brechen wir total weg und verlieren jegliche Konsequenz in unserem Spiel."

In der Tat: Schon nach zehn Minuten hatte sich das Thema Aggressivität und Pressing vor 50 600 Augenzeugen in der Commerzbank-Arena erledigt. Binnen 16 Minuten ließen sich die Blauen von einer wild entschlossenen Eintracht den Schneid abkaufen. Bastian Oczipka zirkelte den Freistoß zur Führung (18.) ins lange Eck, dabei sah TSG-Torhüter Oliver Baumann unglücklich aus, weil er einen fatalen Schritt Richtung Tormitte machte, ehe er sich nach dem Ball warf. "Der Freistoß war nicht mal besonders gut geschossen, mein Fehler", so Baumann selbstkritisch. Danach ließ Haris Seferovic, freilich zunächst in Abseitsstellung, Ermin Bicakcic wie einen Schulbuben stehen und erhöhte auf 2:0 (27.) per Außenrist. Dem nicht genug: Nach einer Oczipka-Flanke verlängerte Timothy Chandler mit dem Kopf zum 3:0 (34.) - die Wiese war gemäht, die Partie somit frühzeitig entschieden und die Eintracht-Party mit Pogotänzen in der Nordwestkurve konnte beginnen.

Und "Hoffe"? Die erste Halbzeit fügte sich das gesamte Kollektiv in sein Schicksal - bis auf Kevin Volland, dem später mit seinem Super-Freistoßtreffer (51.) zumindest die kleine Ehrenrettung gelang. TSG-Cheftrainer Markus Gisdol grollte: "Wir haben so gut wie nichts von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Ich habe die Mannschaft selten so viel quer spielen sehen. Deshalb bin ich an der Seitenlinie schier wahnsinnig geworden."

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Trotz dreier Wechsel zur Pause blieb es ein blutleerer, weitgehend lethargischer Auftritt. Mit der Hereinnahme von Strobl, Elyounoussi und Zuber wollte Gisdol ein paar Akzente setzen. Auf leicht scherzhafte RNZ-Nachfrage in der Pressekonferenz, ob er eigentlich nicht alle elf Spieler hätte rausnehmen "müssen", konstatierte Gisdol: "Es hätte auch andere Spieler treffen können, das ist schon richtig." So mussten eben Anthony Modeste, Eugen Polanski und Ermin Bicakcic dran glauben.

Kein Spielfluss, keine zwingenden Chancen, kein echtes Aufbäumen - an der Dramaturgie änderte sich erschreckend wenig. Im Gegenteil: Beinahe wäre Takashi Inui (86.) und Seferovic (90./Innenpfosten) zumindest noch das 4:1 gelungen. "Das kann man nicht in Worte fassen - desolat!", sagte Volland wütend, "jeder Einzelne muss sich hinterfragen. Das ist eine Einstellungssache."

Ob mangelhafte Einstellung oder eingeschränkte Qualität, "Hoffe" droht wiederum vor den letzten beiden Spielen in Leverkusen und zu Hause gegen Hertha BSC im Niemandsland der Tabelle abzuschließen. "Es verbietet sich, über die Europa League zu reden", redete Schwegler nach dem ärgerlichen Ausflug Klartext. Man habe einen internationalen Platz "nicht verdient", ergänzte Baumann. Bevor Alexander Rosen die riesigen Katakomben der WM-Arena verließ, rief ihm ein Kollege der schreibenden Zunft hinterher: "Die einzige Europareise geht nach Norwegen!" Damit war das Trainingslager vom 20. bis 29. Juli in Lilleström bei Oslo gemeint. Rosen lächelte gequält, nickte sogar und hob den Finger als Zeichen der Zustimmung. Er wusste: Es ist nach Frankfurt zu spät, um an Europa denken zu dürfen …

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