Rugby-Nationalmannschaft

Gewogen und für zu leicht befunden

Deutschlands Rugbyteam musste sich in der WM-Qualifikation den besseren Kanadiern beugen und spielte nur im Sturm überzeugend

17.11.2018 UPDATE: 19.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

Der vorbildlich kämpfende Stürmer Jacobus Otto hängt im Schwitzkasten der harten, aber fairen Kanadier Evan Olmstead aus dem neuseeländischen Auckland und Tyler Ardron, der für die neuseeländischen Chiefs im Super-Rugby spielt. Foto: Jürgen Keßler

Marseille. (CPB) Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft muss vier weitere Jahre warten, um an einer Weltmeisterschaftsendrunde teilnehmen zu dürfen. Das hehre Ziel, 2019 in Japan erstmals im Konzert der 20 Großen die Piccoloflöte spielen zu dürfen, wurde am Samstag in Marseille klar verpasst. Die Mannschaft von Bundestrainer Mike Ford hätte das erste Match in der 91-jährigen deutschen Länderspiel-Geschichte gegen den achtmaligen WM-Teilnehmer Kanada gewinnen müssen, doch am Ende von exakt 80 intensiven Minuten stand eine 10:29 (7:10)-Niederlage, die bewies: Kanada ist trotz einiger schwächerer Resultate in jüngster Vergangenheit noch immer Weltklasse, Deutschland ist es noch nicht.

Der Sieg der "Ahornblätter" ist verdient. Das sagten Kanadas Trainer Kingsley Jones und Deutschlands Teamchef Frederik Kobus Potgieter (Heidelberg) wie aus einem Munde, und auch die deutschen Spieler - ob Dash Barber, Christopher Hilsenbeck oder Carlos Soteras-Merz - erkannten bei aller Enttäuschung über die Niederlage sofort die Überlegenheit des Gegners an und richteten den Blick auf diesen Freitag, wenn im Stade Pierre Delort im dritten und letzten Qualifikationsspiel das bisher sieglose Kenia bezwungen und die Serie mit 2:1 Siegen beendet werden soll. Die Afrikaner verloren nach der 19:65-Niederlage gegen Kanada auch gegen Hongkong mit 17:42 und sind auch gegen die "Schwarzen Adler" Außenseiter.

Spielmacher und Kicker Raynor Parkinson ist nach dem Schlusspfiff sichtlich geknickt. Foto: Jürgen Keßler

"Deutschland hat gut gespielt", fand Chris Thau (England), der Mediendirektor der Weltmeisterschaften von 1987 bis 2011 und frühere Herausgeber der "Rugby World & Post", mit einer vagen Handbewegung und fügte hinzu: "Sie standen aber immer unter Druck, konnten sich nur zwei Mal befreien und haben zu viele kleine Fehler gemacht. Es stand nie in Zweifel, dass Kanada gewinnen würde."

Unter Druck - das kann man wohl sagen. Die deutsche Fünfzehn hat in der ersten Halbzeit ausnahmslos verteidigt und es nur zwei Mal in die gegnerische Hälfte geschafft. Die Ballbesitz-Quote sagt alles: 78 Prozent für Kanada, 22 Prozent für Deutschland. Wie soll man damit ein Spiel gewinnen? Insofern grenzte es an ein - allerdings in dieser Sportart seltenes - Wunder, dass die Kanadier angesichts ihres pausenlosen Powerplays zur Pause nur mit 10:7 Punkten führten und die Deutschen mit bewundernswertem Einsatz tatsächlich nur einen einzigen Gegenversuch zugelassen hatten. Nachdem Verbindungshalb Gordon McRorie aus Saskatchewan die Kanadier in der 14. Minute mit einem Straftritt wegen Destruktion im Gedränge mit 3:0 in Führung gekickt hatte, gelang Flankenstürmer Lucas Rumball aus Ontario nach einem für die tapferen Verteidiger erschöpfenden 16-Phasen-Angriff, einem Fünf-Meter-Gedränge und zwei Rucks in der 23. Minute der Versuch zum 8:0, den McRorie auf 10:0 erhöhte.

Hintergrund

WM-Qualifikation in Marseille, Deutschland - Kanada 10:29 (7:10)

Deutschland: Hilsenbeck (RC Vannes/26 Jahre/19 Länderspiele) - Coetzee (TSV Handschuhsheim/22/16), Cameron-Dow (SC Frankfurt 1880/29/6, 50. Schulte/CSM Bukarest/25/4), Murphy (Bridgend Ravens/28/9),

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WM-Qualifikation in Marseille, Deutschland - Kanada 10:29 (7:10)

Deutschland: Hilsenbeck (RC Vannes/26 Jahre/19 Länderspiele) - Coetzee (TSV Handschuhsheim/22/16), Cameron-Dow (SC Frankfurt 1880/29/6, 50. Schulte/CSM Bukarest/25/4), Murphy (Bridgend Ravens/28/9), Soteras-Merz (SG Pforzheim/28/17) - Parkinson (SC Frankfurt 1880/30/32), Armstrong (Heidelberger RK/32/38, 77. Menzel/RC Vannes/26/32) - Otto (TSV Handschuhsheim/28/22, 59. Schramm/Houston Sabercats/23/6), Els (CSM Bukarest/30/20), Ferreira (SO Chambéry/24/15) - Marks (Stade Rochellais-Atlantique/30/29, 74. Vollenkemper/Heidelberger RK/27/22), Poppmeier (Kapitän/SC Frankfurt 1880/36/26) - Füchsel (SC Frankfurt 1880/26/37, 59. Schösser/Aberdeen Grammar RC/27/9), Haupt (ohne Verein/29/2, 27. - 37. und 74. Barber/Heidelberger RK/30/12), Nostadt (Stade Aurillac/26/22, 59. Schröder/Heidelberger RK/26/20).

Kanada: Sauder (British Columbia Bears) - Evans (Cornish Pirates), Lesage (University of British Columbia, 74. Blevins/Prairie Wolf Pack), Hearn (London Scottish, 72. Trainor/USON Nevers), Van der Merwe (Glasgow Warriors, 77. Mackenzie/ohne Verein) - McRorie (Prairie Wolf Pack), Mack (Kapitän/British Columbia Bears) - Rumball (Ontario Arrows, 60. Heaton/Darlington Mowden Park), Ardron (Chiefs Super 14), Baillie (Atlantic Rock) - Olmstead (Auckland RFC), Sheppard (Ontario Arrows, 62. Beukeboom/Cornish Pirates) - Tierney (Section Paloise, 53. Ilnicki/Yorkshire Carnegie), Barkwill (ohne Verein, 77. Howard/New Orleans Gold), Buydens (New Orleans Gold, 53. Sears-Duru/Ontario Arrows).

Schiedsrichter: Pearce (England); Seitenrichter: Charabas (Frankreich) und Gallagher (Irland); Zuschauer: 1500; Punkte: 0:3 (14.) Straftritt McRorie; 0:10 (23.) Versuch Rumball + Erhöhung McRorie; 7:10 (28.) V Barber + E Parkinson; 7:17 (43.) V Ardron + E McRorie; 10:17 (47.) S Parkinson; 10:22 (69.) V Evans; 10:29 (72.) V + E McRorie.

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Bis dahin hatte sich gezeigt, dass die deutsche Verteidigung fast perfekt spielte, jeder Akteur vollen Einsatz zeigte und das Sturmspiel höchsten Ansprüchen genügt. Allein: Es war zu ahnen, dass eine "Materialschlacht" solchen Ausmaßes nur die Kanadier würden gewinnen können, da die deutschen Innendreiviertel so schlecht spielten, dass sie nicht ein einzige Lücke öffneten und es über 80 Minuten nicht einmal fertig brachten, die beiden ebenso schnellen wie wuchtigen Außendreiviertel anzuspielen. "Wir haben taktisch schlecht gespielt und die Breite des Feldes nicht genutzt", sagte Kobus Potgieter.

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Das Gassenspiel war gut, Deutschland eroberte durch Kapitän Michael Poppmeier und den alle überragenden Sebastian Ferreira alle eigenen Einwürfe. Mit dem "Hendsemer Trick" (Gasse, Paket, Anschieben, Versuch) glückte dem temporär eingewechselten Dash Barber nach 28 Minuten ein Versuch. Raynor Parkinson traf mit der Erhöhung ebenso sicher wie mit einem Straftritt in der 47. Minute. Da aber hatten die Kanadier schon ihren zweiten Versuch durch den Sturmführer Tyler Ardron (43.) gelegt, zwei weitere sollten folgen.

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