Bad Rappenau

"Klappstuhl-Frühstück"-Prozess platzt, weil Organisator auf Mallorca weilt

Der angeklagte mutmaßliche Organisator weilt in Spanien. Der Richter verhängt einen Sitzungshaftbefehl.

03.06.2022 UPDATE: 04.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Weil er während der Pandemie ein „Klappstuhl-Frühstück“ vor dem Bad Rappenauer Rathaus organisiert haben soll, hätte sich am Donnerstag ein Mann vor Gericht verantworten müssen. Er ließ die Verhandlung aber platzen. Symbolfoto: Falk-Stéphane Dezort

Von Armin Guzy

Bad Rappenau/Heilbronn. Vom Klappstuhl auf die Anklagebank – so war es vorgesehen, beim Prozess gegen einen Mann, nennen wir ihn Friedhelm, der sich am Donnerstag eigentlich vor dem Amtsgericht Heilbronn verantworten sollte, weil er vor dem Bad Rappenauer Rathaus während der Pandemie ein "Klappstuhlfrühstück" organisiert haben soll. Allein: Friedhelm hat wohl nicht vor, sich in nächster Zeit mit den Behörden seines Heimatlandes auseinanderzusetzen: Er weilt derzeit offenbar auf der Insel Mallorca, was aus Beiträgen auf seinem Telegram-Kanal hervorgeht, den er seit zwei Jahren betreibt.

Weil er damit zwar seine Follower, nicht jedoch das Amtsgericht auf dem Laufenden gehalten hatte und der Verhandlung unentschuldigt fernblieb, wird er nun Probleme bekommen, sollte er wieder einreisen wollen: Richter Michael Reißer erließ gegen Friedhelm einen Sitzungshaftbefehl. Sollt der Angeklagte Deutschland doch wieder betreten und dabei erwischt werden, schmort er unter Umständen bis zum Ende der (neuen) Hauptverhandlung in der Zelle – und wann ein neuer Termin dafür gefunden wird, ist noch offen.

Dass die vorerst geplatzte Hauptverhandlung überhaupt anberaumt wurde, liegt daran, dass Friedhelm Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt hat, was wiederum zu Nachermittlungen und neuen Erkenntnissen geführt hatte. Der Bußgeldbescheid – eine Summe wurde nicht genannt – war dem Mann zugegangen, weil er nach Auffassung der Staatsanwaltschaft am 25. April 2021 einen "Sonntags-Brunch" in Bad Rappenau organisiert hat – mitten in einer der Corona-Hochphasen und, so werten es die Ermittlungsbehörden, unter vorsätzlicher Missachtung der damals geltenden Schutzmaßnahmen. Friedhelms Ziel sei dabei gewesen, gegen die geltenden Regelungen zu demonstrieren und diese für unsinnig zu erklären. Angemeldet hatte er den Brunch nicht, und Masken waren vor den Gesichtern der 30 bis 40 Teilnehmenden auch nicht zu sehen, das belegen auch Videos in den Sozialen Netzwerken. Abstände wurden zwischen den aufgestellten Klappstühlen und -tischen allerdings eingehalten.

Bad Rappenaus Ordnungsamtsleiter Roland Deutschmann war damals zufällig vorbeigekommen und umgehend eingeschritten, was in der Folge zu Ermittlungen gegen mindestens die Hälfte der Beteiligten führte. Deutschmann war am Donnerstag als Zeuge geladen und kommentierte den geplatzten Gerichtstermin mit einem Schulterzucken – genauso sein Amtskollege aus Bretten, der ebenfalls als Zeuge geladen war; vor dem dortigen Amtsgericht sind ebenfalls Verfahren gegen Friedhelm anhängig. Außerdem ist der Mann aus der Region Stuttgart unter anderem bei "Querdenken"-Demonstrationen, auch in Mannheim, als Moderator in Erscheinung getreten, soll eine Party am Katzenbachsee bei Zaberfeld organisiert haben, die der teilnehmenden Schlagersängerin Nena einige negative Schlagzeilen eingebracht hat, und gilt als Verschwörungsideologe und Anhänger der QAnon-Bewegung. Sein Youtube-Kanal war zeitweise gesperrt.

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"Kommt Ihr Mandant?", fragte Richter Reißer nach fast 20 Minuten vergeblichen Wartens den erst dann eintreffenden Strafverteidiger Friedhelms. "Das ist auch meine Frage", antwortete der Kölner, der sich dort in vielen Strafprozessen einen gewissen Kult-Status erarbeitet hat – nicht nur wegen seines markigen Auftretens mit goldenen Totenkopfringen an mehreren Fingern. Er habe mehrfach versucht, seinen Mandanten zu erreichen, auch per Whatsapp, habe aber keine Nachricht erhalten, sagte der Anwalt, der das Vergehen Friedhelms im "relativ unteren Bereich der Strafbarkeit" sieht, wie er sagte.

Nachdem weitere Minuten verstrichen waren, setzte Richter Reißer die Verhandlung aus, kündigte einen neuen Termin an, erließ Sitzungshaftbefehl gegen Friedhelm und entschuldigte sich bei den umsonst Gekommenen. "Ich fahre sehr gerne Zug", verabschiedete sich Friedhelms Verteidiger. Er wird die Strecken nach Heilbronn wohl noch mindestens ein weiteres Mal genießen dürfen. Die Frau und Kanzlei-Sozia des Anwalts verteidigt Friedhelm übrigens in den in Bretten anhängigen Verfahren und dürfte auf eine ähnliche Reisetätigkeit blicken.

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