Neues Selbstbewusstsein oder Kleinstaaterei?

SNH-Kennzeichen ist für Sinsheim wohl gestorben

Landrat Stefan Dallinger will keinen Antrag beim Verkehrsministerium stellen

06.11.2017 UPDATE: 07.11.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden

"SNH ist in" hieß es auf einem Flugblatt der Wunschkennzeichen-Befürworter. Nun äußerte sich Landrat Stefan Dallinger ablehnend gegenüber der Einführung einer Wunschnummer. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Das SNH-Kennzeichen, für dessen Wiedereinführung sich seit vergangenem Sommer zahlreiche Sinsheimer Autofahrer und Verkehrsexperten einsetzen, kommt definitiv nicht zurück. Dies geht aus einem Schriftverkehr zwischen Rathaus und Landrat Stefan Dallinger hervor, der der RNZ vorliegt. Dallinger sagt darin, er werde als Vertreter der Zulassungsbehörde keinen Antrag auf die Wiedereinführung des Altkennzeichens beim Verkehrsministerium stellen. Den Wunsch nach dem "Unterscheidungszeichen SNH" hält der Landrat für "stark nostalgisch-emotional geprägt".

Hintergrund

Tim Kegel zum SNH-Kennzeichen

Mal im Ernst - so ein SNH-Kennzeichen ist eine Sache, die man "tragen können muss", wie es so schön heißt. So etwas steht nicht jedem: Wirklich witzig wirkt es nur noch am gelben Lotus oder an Opas altem Deutz-Fahr, der

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Tim Kegel zum SNH-Kennzeichen

Mal im Ernst - so ein SNH-Kennzeichen ist eine Sache, die man "tragen können muss", wie es so schön heißt. So etwas steht nicht jedem: Wirklich witzig wirkt es nur noch am gelben Lotus oder an Opas altem Deutz-Fahr, der schon ewig so daherkommt. Sie können ihr SNH zurecht behalten. Anderswo ist die Grenze zum peinlich Provinziellen schnell überschritten. Und man hört als Hintergrundmusik regelrecht das mit der Hand auf der Brust stehend gesungene Badnerlied mit Eichenkranz. Wo ein bisschen Weltgewandtheit nicht schaden würde - der Wald wird dadurch nicht weniger tief. Das Schreiben aus dem Landratsamt wirkt trotzdem unbefriedigend. Von hohen bürokratischen Hürden über Kosten und Personalaufwand bis hin zur Identitätsstiftung fährt die Behörde so ziemlich jedes Geschütz auf, das als Gegenargument nur irgendwie taugt. Die Reaktion war vorhersehbar. Mit etwas mehr gutem Willen hätte sie anders aussehen können. Zumal zu erwarten ist, dass die Zahl der SNH-Kennzeichen nicht nur überschaubar bleiben würde; sondern dass diejenigen, die es wünschen, bereit sind, Geld dafür zu bezahlen. Es geht um nicht viel mehr als ein bisschen Freude. Ein bisschen Spießigkeit, die eine Metropolregion aushalten kann.

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Um SNH aufs Nummernschild zu heben, fuhren dessen Befürworter zuletzt mehrgleisig. Letzte Aktion waren Hunderte Flugblätter, die beim Sinsheimer Herbst im Oktober verteilt und in die Scheibenwischer parkender Autos geklemmt wurden. Auch auf der Internetseite "Pro SNH" und der Petitionsseite "Open Petition" ist die SNH-Lobby aktiv. Dort, wo bereits Sinsheimer Petitionen gegen das Haifischaquarium "Shark City" und die Unterbringung von Migranten im "Hoffnungshaus" gestartet wurden, zählte die Unterschriftensammlung von Initiator Manfred Knaus gestern Mittag 272 Unterstützer, darunter 208 in Sinsheim. Auch eine Facebook-Gruppe macht sich für das Wunschkennzeichen stark. Der Petition blieben ab heute noch 78 Tage Zeit, um ein "Quorum" zu erreichen, das laut Seitenbetreiber bei 630 Unterschriften liege. Bei Erreichen des Quorums würde von "Openpetition" bei den "zuständigen gewählten Vertretern eine Stellungnahme zur Petition einholt".

Hierbei würde es sich dann wahrscheinlich um die zwei eng bedruckten Seiten handeln, die unserer Zeitung vorliegen. Und für deren Argumentation sich Landrat Dallinger "mit den Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen besprochen" habe. Dort halte man die Wiedereinführung "einhellig nicht für wünschenswert". Sie stünde im Widerspruch zu den "mit der Kreisreform 1973 geschaffenen Strukturen". Dallinger räumt ein, dass HD als Unterscheidungszeichen suboptimal sei, da man sich dieses mit der Stadt Heidelberg teile. Ein RNK-Zeichen sei jedoch nicht vereinbar mit der Zulassungsverordnung. Ferner stünden bürokratische Hürden einer Wiedereinführung entgegen, etwa weil das Gebiet des früheren Landkreises Sinsheim inzwischen in den Zuständigkeitsbereich dreier Landratsämter falle. Und weil möglicherweise auch in anderen Kreiskommunen der Wunsch nach einer SNH-Nummer aufkomme, weil dadurch "attraktive Buchstaben-Nummern-Kombinationen frei wären", die beim HD-Kennzeichen bereits vergeben sind, wäre SNH "nicht einmal für die Stadt oder die Region Sinsheim identitätsstiftend", mutmaßt Stefan Dallinger. Die Vielzahl von Anträgen lasse sich nach Ansicht des Landrats "mit zusätzlichem Personal" zwar bewältigen. Der Mehraufwand für die Zulassungsstellen lasse sich jedoch nur rechtfertigen, wenn er Vorteile bringe: "Solche", sagt Dallinger, "vermag ich hier objektiv nicht zu erkennen."

Mit dem Schreiben reagiert die Kreisbehörde auf eine Anfrage der Stadt Sinsheim vom 1. August. Nach einer Anfrage im Gemeinderat hatte sich Oberbürgermeister Jörg Albrecht damals umgehend mit dem Ältestenrat des Gremiums in Verbindung gesetzt und dann Dallinger kontaktiert, wohl wissend, dass "eine eventuell negative Entscheidung" folgen könne, um deren Begründung man in diesem Fall dann bitte. Schon bei ähnlichen Vorstößen im Jahr 2012 hatte der Landrat sich negativ über das SNH-Kennzeichen geäußert. Meist meldeten sich SNH-Befürworter zu Wort. Unter anderem in einer Flut von Leserbriefen in der RNZ.

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Ist der Wunsch nach einem SNH-Kennzeichen tatsächlich so groß? Oder sind die Befürworter nur diejenigen, die am lautesten über das Thema reden? Solche Fragen stellte sich gestern Oberbürgermeister Jörg Albrecht, wie er sagt. Die Diskussion sei vom Start weg "etwas undiplomatisch gelaufen", findet er. Dies sieht Siegfried Daubenschmitt ähnlich. Am 20. Oktober postete der Sinsheimer auf der "Pro SNH"-Seite, dass viele Menschen im Kraichgau "dieses Thema für völlig unwichtig" hielten. Es gebe weit größere Probleme, für die es sich einzusetzen lohne. Die Schilder erinnerten ihn an Kleinstaaterei, es gebe "Schweigende", die ähnlich empfänden. Auch Jörg Albrecht spricht von "etlichen Zuschriften ans Rathaus mit ähnlichem Tenor".

Jens Jochen Roth, Nahverkehrs-Experte und einer der Wortführer der SNH-Unterstützer, zeigte sich gestern unbeeindruckt von der Absage des Landratsamts. Für ihn ist das SNH-Kennzeichen Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins, genährt durch die prosperierende Große Kreisstadt mit Bundesliga und Tourismusambitionen. "Das treiben wir weiter voran", sagte er auf RNZ-Nachfrage. Am 22. November plane der CDU-Ortsverband Steinsfurt eine Veranstaltung zu den SNH-Nummern. "Es geht weiter", sagt Roth.

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