Wiesloch

Holocaust-Ausstellung "Gegen das Vergessen"

Luigi Toscano zeigt Überlebende des Holocaust im Porträt. Er will ihre Geschichten festhalten und kommunizieren. Bis 1. Juli ist sie im Schulzentrum Wiesloch.

23.06.2022 UPDATE: 24.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Interessiert betrachteten die Ausstellungsbesucher bei der Vernissage am Mittwoch die großformatigen Porträts. Foto: Helmut Pfeifer

Von Hans-Dieter Siegfried

Wiesloch. Luigi Toscano ist mit seiner Ausstellung "Gegen das Vergessen" weltweit unterwegs. Jetzt gastiert er mit 40 seiner Werke – von insgesamt mehr als 400 – bis zum 1. Juli auf dem Campus im Schulzentrum. Der Fotograf und Filmemacher, der in Mannheim wohnt und arbeitet, hatte in den zurückliegenden Jahren Holocaust-Überlebende persönlich getroffen, sie mit der Kamera porträtiert und die Fotos ausgestellt.

Bei der Eröffnung in der Aula der Bertha-Benz-Realschule im Beisein des Künstlers betonte Oberbürgermeister Dirk Elkemann, Zahlen über die schrecklichen Ereignisse während des Holocaust seien abstrakt. "Es liegt an uns, aufzustehen und dafür zu sorgen, dass sich solche Dinge nicht wiederholen", sagte er gegenüber vielen Schülerinnen und Schülern sowie den Schulleitungen der Esther-Bejarano-Gemeinschaftsschule, des Ottheinrich-Gymnasiums und der Bertha-Benz-Realschule. "Genau in diese Richtung geht diese Ausstellung", betonte er und erinnerte an die "Taufe" der Esther-Bejarano-Schule, an der die Namensgeberin, selbst Verfolgte und in Auschwitz inhaftiert, persönlich anwesend war.

"Jetzt ist sie nicht mehr unter uns, umso wichtiger ist es, die Vergangenheit nicht zu verdrängen." Bejarano hatte, so erinnerte Elkemann, ihr Überleben ihrer Stimme zu verdanken. Mit dem Lied "Bel Ami" sei es ihr gelungen, in den Chor in Auschwitz aufgenommen zu werden, und sie überlebte.

Elkemann bedankte sich bei allen Beteiligten für alle vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere bei der "Partnerschaft für Demokratie Wiesloch". Diese wird durch die Stadt und den Verein "Bündnis für Demokratie und Toleranz Wiesloch" getragen. Bereits im Vorjahr war Luigi Toscano Gast bei der Demokratiekonferenz in Wiesloch und dort entstand auch die Idee, Teile seiner Werke in die Weinstadt zu holen.

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Thorsten Krings, der bei der Vernissage für das Bündnis sprach, betonte, man lebe in einer Zeit, in der die Zeitzeugen des Holocaust immer weniger würden. "Umso wichtiger ist es, ihre Geschichten festzuhalten und zu kommunizieren und dies speziell für die junge Generation." Demzufolge sei es folgerichtig, Schulen für eine solche Ausstellung zu gewinnen. Denn das Grauen sei nicht abstrakt, es könne nur durch individuelle Geschichten erlebbar gemacht werden.

Durch seine Arbeit gebe Luigi Toscano den Überlebenden ein Gesicht. Er lasse nicht zu, dass sie zu Opfern reduziert würden, "sondern gibt jedem Persönlichkeit", sagte Krings. Es sei natürlich für die Überlebenden oft nicht leicht, über ihre furchtbaren Erfahrungen zu sprechen. Daher sei Toscanos Arbeit für ihn auch immer mit dem Aufbau von persönlichen Beziehungen verbunden. "Wir halten dieses Projekt für sehr wichtig, weil es gerade für junge Menschen erlebbar macht, welche Schicksale sich hinter den Zahlen, Daten und Fakten aus dem Geschichtsunterricht verbergen." Vor allem bedeute die Nutzung des öffentlichen Raums auch, dass nun die Überlebenden im Mittelpunkt stünden.

Toscano selbst hob in seiner Ansprache hervor, sein Ziel sei es, nicht nur in großen Städten seine mahnenden Werke zu zeigen, sondern speziell mit Schulen zu kooperieren. "Wir haben als Team dazu ein spezielles Programm entwickelt." Als er vor etwa acht Jahren mit seinem Projekt angefangen habe, sei er zunächst mit "Gegenwind" konfrontiert worden. "Ich habe viele Absagen in der Anfangsphase erleben müssen." Diese gipfelten in der Aussage, man wolle sich doch eher mit der Zukunft als mit der Vergangenheit beschäftigen. Das habe sich glücklicherweise längst geändert.

Er hob hervor, dass in seinen Fotos und Geschichten nicht nur verfolgte Jüdinnen und Juden abgebildet seien, sondern auch Zwangsarbeiter, Sinti und Roma sowie verfolgte Homosexuelle mit aufgenommen worden seien. "Der Holocaust hat sich schließlich nicht nur auf eine Gruppe konzentriert." Wie er erzählte, hätten sich zwei Menschen, aus Gelsenkirchen und Stockholm, aufgrund eines Berichts mit Bildern in einer Berliner Zeitung, wiedergefunden.

An die Jugendlichen appellierte er: "Stellt Fragen an euere Lehrerinnen und Lehrer, seid neugierig." Und er beschloss seine Ausführungen mit den Worten "Ich bin kein großer Redner, ich arbeite lieber." Als erster Fotograf überhaupt wurde Luigi Toscano 2021 von der Unesco zum "Artist for peace" ernannt. Ebenfalls 2021 wurde er mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Im Gespräch mit der RNZ verriet er seine nächsten Pläne. "Am 11. Juli werde ich erneut nach Paris gehen und 60 Überlebende des Holocaust ausstellen." Entsprechende Recherchen und Gespräche habe er, vom französischen Senat beauftragt, bereits im Vorjahr geführt. Schulen seien weiterhin im Blickfeld, so beispielsweise in Ludwigshafen und Salzburg. Toscano hat in den zurückliegenden Jahren seine Ausstellungen unter anderem in New York, Berlin und Kiew gezeigt. Es steht ein weiterer Auftritt in den USA an, diesmal in St. Lewis.

Umrahmt wurde die Ausstellungseröffnung von einem gemeinsamen Chor des Ottheinrich-Gymnasiums und der Bertha-Benz-Realschule, der die Gäste mit einem inhaltlich passenden Lied auf die Veranstaltung einstimmte. Man war kurzfristig für den eigentlich geplanten Chor des Ottheinrich-Gymnasiums eingesprungen. Später wurden von einem Duo noch die Beatles-Klassiker "Yesterday" und "Let it be" vorgetragen.

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