"Liebe Annischka, geht es dir gut?"
Luigi Toscano sorgt sich um Holocaust-Überlebende in Kiew. Er fotografierte sie für sein Projekt "Gegen das Vergessen".

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Anna Strishkowa will Kiew nicht verlassen. Die Hauptstadt der Ukraine ist ihr Zuhause. Sie habe Hitler und Stalin überlebt, sagt sie. Mit Putins Angriff auf ihr Heimatland werde sie schon fertig werden. Eine Flucht kommt für sie nicht in Frage, obwohl es immer wieder Berichte gibt, dass die russische Armee gezielt Wohnhäuser unter Raketenbeschuss nimmt. Zuletzt am Montag. Zwei Tote soll es gegeben haben.
In Mannheim macht sich Fotograf Luigi Toscano Sorgen um seine gute Freundin, die er liebevoll Annischka nennt und die mit ihrer Tochter Olga in einem Wohnblock nahe des Präsidentenpalasts lebt. Vor einigen Jahren hat er die alte Dame für sein Projekt "Gegen das Vergessen" fotografiert. Künstler und Model fanden sofort einen Draht zueinander, mittlerweile ist daraus eine Freundschaft entstanden. Momentan halten sie Kontakt über den Nachrichtendienst Whatsapp. "Jeden Morgen schreibe ich ihr", erzählt Toscano. "Dear Annischka, are you okay?" (Liebe Annischka, geht es dir gut?)
Anna Strishkowa antwortet und schreibt, dass es ihr gut geht, die Menschen hinter ihrem Präsidenten Selenskyj stehen und dass man am Ende siegreich sein werde. Aber vor ein paar Tagen schreibt sie auch, dass sie kein Brot mehr hat. Luigi Toscano wendet sich daraufhin an eine Hilfsorganisation. Der Künstler war bereits öfter in der Ukraine, hat Kontakte. Am Ende bekommen Anna und Olga Brot gebracht. Es ist ein kleiner Sieg inmitten der Katastrophe, die sich vor den Augen der Welt ereignet.
Seit 2014 porträtiert der Fotograf Luigi Toscano Holocaust-Überlebende und ehemalige Zwangsarbeiter. Dafür reiste er unter anderem in die USA, nach Israel, Frankreich und in die Ukraine. Über 400 Männer und Frauen hat er bereits fotografiert, aber auch ihre Geschichten gesammelt. Doch Anna Strishkowas Geschichte lässt ihn nicht los. Ob sie wirklich Anna heißt, weiß sie nicht. Auch nicht, wie alt sie tatsächlich ist. Anna Strishkowa ist eins der verlorenen Kinder von Auschwitz.
Ihre Eltern werden sofort nach der Ankunft ermordet. Das Kleinkind weckt das Interesse von KZ-Arzt Josef Mengele. Er führt schreckliche Experimente an ihr durch. Sie überlebt, doch als die Rote Armee das Todeslager befreit, ist ihre Identität ausgelöscht. Niemand weiß, wer sie ist und woher sie kommt. Als Geburtstag wird der Tag der Befreiung, das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, vermerkt: der 8. Mai 1945. Das Mädchen wird von einem ukrainischen Ehepaar adoptiert. "Ob sie ihr den Namen Anna gegeben haben, oder die russische Armee, weiß niemand", erzählt Toscano.
Für seinen zweiten Dokumentarfilm zu "Gegen das Vergessen" forscht er nach und versucht, mehr über Anna herauszufinden. Und tatsächlich: Anhand der KZ-Tätowierung kann er recherchieren, dass Anna aus Minsk im heutigen Belarus ins Vernichtungslager deportiert wurde. Besonders beeindruckt ist der Mannheimer Fotograf von Annas Art, ihr Leben zu meistern. Aufgrund der Erlebnisse in Auschwitz hat Anna als Kind große Angst vor Ärzten. "Diese Angst hat sie überwunden, indem sie selbst Ärztin geworden ist", so der 49-Jährige. "Und zwar eine sehr erfolgreiche. Das zeigen die vielen Auszeichnungen aus der Sowjetzeit, die in der Wohnung hängen."
Schrecklich finde sie, was derzeit mit ihrem Heimatland passiert, berichtet Luigi Toscano. Doch Anna halte sich gut und gebe die Hoffnung nicht auf. Als Putin in die Ukraine einmarschiert, fragt er sofort, ob sie nach Deutschland kommen will, nimmt deshalb Kontakt zum Auswärtigen Amt auf. Sogar eine Wohnung organisiert er. Doch Anna Strishkowa lehnt dankend ab. Zuletzt gesehen hat Toscano seine Freundin im vergangenen September, als er in die Ukraine reiste, um für seinen Dokumentarfilm zu recherchieren.
Auch von anderen Ukrainerinnen und Ukrainern, die der Mannheimer für sein Projekt fotografierte, hat er gehört. "Den meisten geht es gut, aber ich habe natürlich nicht zu allen Kontakt. Eine Frau, die ich im vergangenen September fotografierte, hat es jetzt nach Deutschland geschafft." Wo er kann, hilft er. Zum Beispiel einer Familie, die eine Freundin von ihm in Kiew kennen und jetzt in Mannheim sind.
Luigi Toscano hat die Porträts der Überlebenden schon vor dem Uno-Gebäude in New York und der Unesco in Genf gezeigt. Doch die erste große Ausstellung von "Gegen das Vergessen" fand im September 2016 zum Gedenken an das Massaker in Babyn Jar statt. In der Schlucht bei Kiew ermordeten die Nazis 1941 innerhalb von zwei Tagen etwa 33.000 Juden. Die Gedenkstätte wurde vor einigen Tagen bombardiert. "Es ist unfassbar, dass so etwas passiert", sagt der Unesco Artist for Peace (Künstler für den Frieden). Und so hofft er jeden Tag aufs Neue, dass Anna Strishkowa antwortet, wenn er schreibt: "Dear Annischka, are you okay?".
Hintergrund
Mannheim. (pri/pol/mare) Am Montagvormittag kam es in Mannheim zu einem Großeinsatz der Feuerwehr. In der Xaver-Fuhr-Straße im Gleisbereich war ein Lastwagen einer Baufirma in Brand geraten, der Gasflaschen geladen hatte, wie die Polizei mitteilt.
Das Feuer war
Mannheim. (pri/pol/mare) Am Montagvormittag kam es in Mannheim zu einem Großeinsatz der Feuerwehr. In der Xaver-Fuhr-Straße im Gleisbereich war ein Lastwagen einer Baufirma in Brand geraten, der Gasflaschen geladen hatte, wie die Polizei mitteilt.
Das Feuer war schnell gelöscht. Wie sich jedoch herausstelle, hatte der Lkw vier Gasflaschen geladen: jeweils zwei Flaschen Acethylen und Sauerstoff. Es bestand Explosionsgefahr. Da aufgrund der großen Hitzeentwicklung eine Einwirkung auf die Gasflaschen nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden sie von der Berufsfeuerwehr Mannheim mit einem Wasserwerfer gekühlt.
Bis zur gefahrlosen Bergung wurde ein Sicherheitsradius von 200 Metern eingerichtet. In diesen Radius fallen Teile der Autobahnen A6, A656 (Vollsperrung) und die B38a.
Gegen 13 Uhr war der Lastwagen gekühlt, der Sicherheitsradius wurde aufgehoben. Der Verkehr auf den betroffenen Autobahnen und der B38a rollte ebenfalls wieder. Die Xaver-Fuhr-Straße bleibt jedoch noch bis auf Weiteres gesperrt.
Die Berufsfeuerwehr Mannheim wird die Bergung der Gasflaschen übernehmen. Die Dauer der Bergung ist noch nicht absehbar.
Update: Montag, 14. März 2022, 13.14 Uhr
Hintergrund
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Mit dem Urlaub machen ist es bei diesem Job so eine Sache, das weiß Christiane Springer bereits seit der Flüchtlingskrise 2015/2016. Dieses Mal erreichten die Geschäftsführerin des
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Mit dem Urlaub machen ist es bei diesem Job so eine Sache, das weiß Christiane Springer bereits seit der Flüchtlingskrise 2015/2016. Dieses Mal erreichten die Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbands Mannheim – zu dem auch die Bergstraße und der Raum Schwetzingen/Hockenheim zählen – die furchtbaren Bilder von der russischen Invasion in der Ukraine im Allgäu.
Statt sich noch ein paar Tage zu entspannen, führte Springer noch von dort aus die ersten Telefonate und schaltete sich digitalen Konferenzen zu. Sie und ihr Team haben aus dem Geflüchtetenstrom 2015/2016 viel gelernt und sich einen breiten Erfahrungsschatz zugelegt, von dem sie nun profitieren. Hilfe wird auf vielen Ebenen geleistet. "Wobei wir noch gar nicht so richtig im Handeln sind, sondern im Vorbereiten", sagt die Geschäftsführerin. Das größte Problem des DRK sei aktuell, den Menschen klarzumachen, Geld statt Sachen zu spenden.
Aktuell baue des DRK ein großes Logistikzentrum an der polnisch-ukrainischen Grenze auf. Von dort werden "Aufträge" erteilt, welche Dinge im Moment gebraucht werden, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland einkaufen. Springer weiß aus der Flutkatastrophe im Ahrtal, dass Strecken, auf denen sehr viele Konvois rollen, rasch verstopft sind. "Und dann werden oft Pakete mit unterschiedlichen Produkten transportiert, was die Arbeit vor Ort erschwert, so lieb das auch gemeint ist", betont sie.
Lokal und regional sieht Springer das DRK gut aufgestellt. "Wenn man uns heute wieder für den Betrieb einer Erstaufnahmestelle anfordern würde, sind wir bereit", verkündet sie selbstbewusst. Der Optimismus kommt nicht von ungefähr. Im Herbst 2015 verwandelte sich das Mannheimer Benjamin Franklin Village fast über Nacht zu einer riesigen Notunterkunft. Zu Hochzeiten fanden mehr als 6500 Menschen aus 50 Nationen gleichzeitig in der Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle für Geflüchtete (BEA) Obhut. Springer war das "Gesicht" der BEA und wurde von vielen Ankommenden liebevoll "Mama" genannt. Sie und ihre Mannschaft gingen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit – immer dem Motto folgend: "Helfe in der Not, egal wem." Springer geht davon aus, dass sich die jetzigen Herausforderungen leichter meistern lassen. "Es kommen ja nur Menschen aus einer Nation. Stoßen geflüchtete Russen hinzu, sind es zwei", nennt sie ein Argument.
Helfer haben inzwischen eine Lagerhalle ausgeräumt. Öffnungszeiten der Tafel und des Second-Hand-Ladens werden angepasst. Das DRK befindet sich in enger Abstimmung mit der Taskforce der Stadt Mannheim, aus dem Rhein-Neckar-Kreis lägen noch keine Anfragen vor. Den Geflüchteten zur Seite steht das Rote Kreuz auch bei der Integration. Anders als 2015/2016 können die Betroffenen ja sofort umgehend arbeiten oder Sozialleistungen beantragen.
Dass die Menschen schnell Anschluss finden, dafür sorgen zudem etwa ein Online-Eltern-Campus und ein Frauenkreis. Dieser soll Frauen zu mehr Selbstbestimmung und bessere Bildungs- und Berufschancen verhelfen. Stolz ist Springer darauf, dass der DRK-Kreisverband auf seine früheren BEA-Helfer zurückgreifen kann. "Das Telefon steht kaum noch still. Da melden sich zum Beispiel Männer, die damals als Soldaten im Einsatz waren und nun erneut bereitstehen", freut sie sich.
Tatkräftig helfen kann grundsätzlich jede und jeder – und dazu muss man nicht zwingend DRK-Mitglied sein. So etwa bei den "Metropolhelfern" (www.metropolhelfer.de/met/). Unterstützung gefragt ist unter anderem beim Sortieren und Richten von Lebensmitteln und Waren. Und dann gibt es noch die "Youngster". Der Name ist allerdings etwas irreführend, so ist auch ein über 70-jähriger Ehrenamtler darunter. Die "Youngster" stellen Freizeitaktivitäten für Flüchtlingskinder auf die Beine – Basteln, Backen, Spielenachmittage oder gemeinsame Ausflüge. Sie kümmern sich auch um die Verkehrserziehung.
Hintergrund
Mannheim. (RNZ) Eingebettet in einer Rheinschleife südlich des Naturschutzgebietes Reißinsel im Waldpark in Neckarau verbreitet
Mannheim. (RNZ) Eingebettet in einer Rheinschleife südlich des Naturschutzgebietes Reißinsel im Waldpark in Neckarau verbreitet das Mannheimer Strandbad mediterranes Feeling. Großzügige Liege- und Spielflächen bieten jede Menge Platz zum Picknicken, Lesen, Sonnenbaden, Erholen und Spielen. Am Dienstag, 15. März, beginnt die Saison. "Das Strandbad ist wie Urlaub für die ganze Familie und weit über die Mannheimer Stadtgrenzen hinaus bekannt. Ein rücksichtsvolles Miteinander zum Wohle aller ist jedoch unerlässlich", erläutert Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer.
Der für das Strandbad zuständige Fachbereich Sport und Freizeit erinnert an die geltende Strandbadsatzung, die 2020 neu gefasst wurde und insbesondere die vermehrten Grillaktivitäten, die in der Vergangenheit zu hoher Rauchentwicklung, Verschmutzung und Belästigung anderer Gäste geführt hatten, eindämmen soll.
> Was sich durch die geänderte Standbadsatzung ändert: Das Mitbringen und Nutzen eigener Grills im Strandbad ist nicht mehr zulässig und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Stattdessen ist Grillen nur noch in der ausgewiesenen "Grillzone" an den insgesamt zwölf Stationen erlaubt, die täglich von 6 bis 22 Uhr unentgeltlich zur Verfügung stehen. Eine Anmeldung ist nicht möglich, vielmehr gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, grillt zuerst. Damit alle Grillfreunde die Gelegenheit erhalten, die stationäre Einrichtung nutzen zu können, ist es erforderlich, dass die Roste nach Beendigung des Grillvorgangs zügig freigeräumt werden. Die "Grillzone" ist grundsätzlich nur für die Zubereitung vorgesehen, der Verzehr der Speisen hat außerhalb der "Grillzone" zu erfolgen. Abfälle und Kohlereste sind in die bereitstehenden Abfallbehälter beziehungsweise Ascheeimer zu entsorgen. Die Grillstationen stehen auf Betonfundamenten und sind mit Müll- und Aschebehältnissen ausgestattet. Damit wird sowohl die Brandgefahr eingedämmt als auch die Sauberkeit erhöht. Durch die Beschränkung auf die Grillzone und einer entsprechenden Verortung wird der Rauchentwicklung beim Grillen zukünftig entgegengewirkt.
> Nutzung des Strandbades unter Beachtung der Corona-Regeln: Die Regeln der aktuellen Corona-Verordnung des Landes, die vorerst bis einschließlich Samstag, 19. März gelten, sind zu beachten. Konkret bedeutet dies bis dahin, dass die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten sind. Für Personen, die weder genesen noch vollständig geimpft sind, bestehen Kontaktbeschränkungen: Sie dürfen sich lediglich mit den Angehörigen eines Haushalts und zehn weiteren Personen treffen. Für vollständig geimpfte oder genesene Besucherinnen und Besucher gibt es keine Kontaktbeschränkungen. In Innenräumen, also der Toilettenanlage, gilt die FFP2-Maskenpflicht. Im Außenbereich muss überall dort, wo der Abstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht dauerhaft eingehalten werden kann, ebenfalls eine Maske getragen werden. Hier reicht jedoch eine medizinische Maske aus.
> Kontrollen im und um das Strandbad: Um ein geordnetes und möglichst störungsfreies Miteinander aller Besucherinnen und Besucher sicherzustellen, wird das Personal des Strandbades die Einhaltung der auch vor Ort ausgeschilderten Regelungen überwachen. Der städtische Ordnungsdienst kontrolliert außerhalb des Strandbades den ruhenden Verkehr. Das Parken ist auf den vorgesehenen Parkplätzen samstags sowie an Sonn- und Feiertagen zwischen 11 und 19 Uhr auf maximal drei Stunden begrenzt. Die ausgeschilderten absoluten Halteverbote sowie die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Haltestellen gelten uneingeschränkt. Falschparker werden in sicherheitsrelevanten Bereichen konsequent abgeschleppt. Die Stadt appelliert daran, öffentliche Verkehrsmittel zur Anfahrt zu nutzen.
> Fütterungsverbot für Tiere: Nochmals hinweisen möchte der Fachbereich Sport und Freizeit zudem auf das Fütterungsverbot für Vögel und Tiere. Ein Verstoß hiergegen stellt gemäß der geltenden Strandbadsatzung eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeld belegt werden. Der Fachbereich appelliert an alle Besucherinnen und Besucher des Strandbades, keine Essensreste herumliegen zu lassen und vor allen Dingen die Wildgänse nicht zu füttern. Dies schadet den Tieren in den meisten Fällen, die Population wächst und verdrängt heimische Arten, Ratten und ähnliches Ungeziefer werden angelockt und die Verschmutzung der Wege und Liegewiesen durch Vogelkot nimmt stark zu.
Info: www.mannheim.de/strandbad.
Hintergrund
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Die Fotos mache er immer erst am Ende eines intensiven Gesprächs mit den Betroffenen – mit einer von ihnen verbrachte er sogar einen ganzen Tag, und trotz des ernsten Themas "war nicht alles todtraurig: Wir haben auch viel
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Die Fotos mache er immer erst am Ende eines intensiven Gesprächs mit den Betroffenen – mit einer von ihnen verbrachte er sogar einen ganzen Tag, und trotz des ernsten Themas "war nicht alles todtraurig: Wir haben auch viel gelacht miteinander", erzählt Luigi Toscano. Der Mannheimer Fotograf stellt derzeit über 100 seiner überlebensgroßen Porträts von Überlebenden des Holocaust auf dem Heidelberger Universitätsplatz aus, einem historisch aufgeladenen Ort: Hier fand am Abend des 17. Mai 1933 die von NS-Studenten organisierte Bücherverbrennung statt.
Die Exponate sind Teil seines Erinnerungsprojekts "Gegen das Vergessen", für das er in den letzten fünf Jahren 400 Opfer des NS-Terrors getroffen und fotografiert hat. Bei einer live übertragenen digitalen Führung durch die vom Karlstorbahnhof präsentierte Ausstellung und einem anschließenden Künstlergespräch erfuhr man, wie das Projekt zustande kam und sich weiterentwickelte, wie sich die Begegnungen mit den Überlebenden gestalteten und wie die Reaktionen in den verschiedenen Ausstellungsorten auf der ganzen Welt ausfielen.
Hinter jedem Porträt steht eine einzigartige, berührende Geschichte. Einige davon kamen bei einem kurzen Rundgang zur Sprache, bei dem Toscano von Esra Dural begleitet und befragt wurde, die an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe Kunstvermittlung studiert. Zum Beispiel die Geschichte von Anna Strishkowa aus Kiew, die mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert wurde. Während ihre Angehörigen sofort ermordet wurden, überlebte die Dreijährige und wurde Opfer der grausamen Menschenversuche des "Arztes" Josef Mengele. Obwohl oder vielleicht gerade weil sie durch ihre Traumatisierung große Angst vor Ärzten hatte, ist sie selbst Ärztin geworden. "Sie hat sich ihrer Angst gestellt", sagt Toscano und fügt hinzu, dass Anna Strishkowa während der Ausstellung eigentlich in Heidelberg sein sollte, was leider durch die Pandemie unmöglich wurde.
Mit einem anderen Überlebenden entwickelte sich sogar eine wunderbare Freundschaft, wie der 48-jährige Deutschitaliener erzählt, der als erster Fotograf überhaupt vor einigen Wochen von der Unesco zum Botschafter des guten Willens "Artist for Peace" berufen wurde. Seine Aufgabe sei es, ganz einfach das Foto zu machen, "so banal das klingt". Es läuft also keine "Inszenierung" ab – niemals würde er den Menschen sagen, "wie sie zu gucken haben", so Toscano. Höchstens ginge es mal um eine zu korrigierende Position. Ansonsten laute die Devise: gerade in die Kamera schauen. Die Ergebnisse sind in ihrer vielsagenden Lebendigkeit beeindruckend. In der Regel macht der Fotograf 15 bis 20 Bilder von einer Person und wählt dann eines für die Ausstellung aus.
Mit seinem Projekt hat sich der Mannheimer international einen Namen gemacht. Ein bisheriger Höhepunkt dürfte der April 2018 gewesen sein, als die Ausstellung in der US-Hauptstadt Washington gezeigt wurde, mit mehr als 120 Porträts entlang des Lincoln Memorial Reflecting Pool. "Ich hatte das Glück, weltweit der erste Fotograf zu sein, der dort ausstellen durfte", berichtet Toscano mit berechtigtem Stolz. Rund 150.000 Besucher wollten die Bilder sehen – zu einer Zeit, als der Präsident noch Trump hieß. "Ein starkes Symbol", findet der Künstler rückblickend.
Weniger positiv war die Ausstellungserfahrung im Mai 2019 in Wien, wo es zu Beschädigungen und Vandalismus kam. Unbekannte Täter beschmierten die Porträts mit Hakenkreuzen oder schnitten die Gesichter heraus. Da war Toscano nach eigenen Worten drauf und dran, seine Zelte in Wien abzubrechen. Doch dann riefen ihn Holocaust-Überlebende an und machten ihm Mut, sich davon nicht beirren zu lassen. Auch von vielen anderen Seiten erhielt er Unterstützung: So fingen muslimische Jugendliche an, die Bilder zu reparieren. "Die Zivilgesellschaft ist aufgestanden", beschreibt Toscano die vorbildliche Reaktion auf die beschämenden Ereignisse. Die Erfahrung habe ihm klar gemacht, dass man als Gemeinschaft Haltung zeigen und weitermachen müsse. Zum Beispiel auf Schulhöfen: Dort soll die Ausstellung künftig im kleineren Format gezeigt werden, in einer speziell auf Jugendliche zugeschnittenen Form.
Info: Die Ausstellung "Gegen das Vergessen" ist noch bis Freitag, 7. Mai, auf dem Uniplatz zu sehen.